VDI ist nur eine von vielen Möglichkeiten zur Client-Virtualisierung
Hinzu kommt, dass es unkompliziertere und vor allem billigere Möglichkeiten gibt, die Applikationen auf den Rechnern der Anwender zu kontrollieren. In einer Studie der Experton-Group zum Thema Client-Computing zeigte sich, dass 80 Prozent der Anwender heute bereits Server Based Computing (Presentation Virtualization) einsetzen, also eine Virtualisierungsform, bei der sich mehrere Anwender eine Applikationsinstanz auf dem Server teilen.
Das bringt Sicherheit, verringert den Managementaufwand und sorgt für geringere Lizenzkosten als sie bei VDI anfallen, wo häufig jede virtuelle Maschine eine gültige Lizenz der dort installierten Softwareprodukte braucht. Zudem können die Anwender im Prinzip auf alle zum Anwendungsangebot gehörigen Programme zugreifen, sobald sie eine Berechtigung haben. Bei einer VDI müsste eine neue Applikation erst zu der entsprechenden virtuellen Maschine gepackt werden, bis ein Anwender, der sie bisher nicht brauchte, darauf zugreifen kann.
Entsprechend sehen laut Experton die Marktprognosen für Client-Virtualisierungstechnologien in Deutschland aus: Managed Desktops (Image des Desktops auf dem Server, das jedem Anwender zugespielt wird) kommen demnach 2012 auf 28 Millionen Euro, Application Streaming (Applikationen werden auf dem Server paketiert vorgehalten und laufen auf dem Client) bringt 135 Millionen Euro, Server Based Computing kommt auf einen Umsatz von 582 Millionen Euro.
Echtes VDI, sprich Desktop und alle Programme laufen in einer zum User gehörigen virtuellen Maschine, soll 101 Millionen Euro bringen. Damit wächst der Anteil von VDI gegenüber dem Vorjahr gerade einmal um 1 Prozent, während der von Server Based Computing um über 15 Prozent zulegt. Bei den Zukunftsinvestitionen sieht es kaum anders aus: "80 Prozent der von uns befragten Anwender wollen in Server Based Computing zum Teil erheblich investieren", sagt Schwab. Da bleibt für die technologischen Alternativen nicht mehr viel übrig. Auch insgesamt ist das Interesse überschaubar: Rund 23 Prozent der befragten Anwender wollen überhaupt Budget für Client-Virtualisierungslösungen bereitstellen.
- Zehn IT-Bereiche mit Handlungsbedarf
Client-Strategie, Virtualisierung, Cloud oder Business Intelligence - viele IT-Leiter sind in diesen Bereichen nicht auf der Höhe der Zeit. Experton-Analyst Luis Praxmarer hat 10 Technologiebereiche identifiziert, für die im Jahr 2012 unbedingt Handlungsbedarf besteht. - 1. Traditionelle Clients
Für WINTEL Client-Installationen steht im Jahr 2012 eigentlich die Migration nach Windows 7 an. Für ein Hinausschieben und Verzögern dieser Migration spricht nicht viel. Die Auswahl der richtigen Lizenzierungs- und Wartungsstrategie ist sehr wichtig. Dieser Bereich ist zwar nicht von strategischer Bedeutung, hat aber starke Auswirkungen auf die Client- und Supportkosten. Windows 8 kommt in Einzelfällen bereits zum Einsatz; eine Bereinigung der Betriebssystemlandschaft ist sehr zu empfehlen. - 2. Neue Client-Strategie
Parallel zur Migration und Bereinigung der Windows-Umgebung verzeichnen Smartphones und Tablets einen stark steigenden Nutzungsgrad. Deshalb stehen eine Evaluierung einer BYOD- (Bring Your Own Device) Strategie und Tests für eine ausgewählte Gruppe an. Wegen der schnellen Veränderungen im Markt, der vielen Betriebssysteme und der hohen Komplexität sollten nicht gar zu viele gerätespezifische Apps entwickelt werden. - 3. Virtualisierung
Nachdem die meisten Unternehmen die Servervirtualisierung in Angriff genommen haben - auch wenn die Durchdringungsrate in vielen Fällen bei nicht einmal 30 Prozent liegt - stehen nun Client- und Storage-Virtualisierung an. Die Client-Virtualisierung soll die Kontrolle über und das Management von BYOD-Umgebungen ermöglichen und gleichzeitig auch in Zukunft die Sicherheit der Unternehmens-Apps gewährleisten. Mit der Applikationsvirtualisierung wurde bislang nur in wenigen Unternehmen begonnen. - 4. Cloud Computing
Cloud Computing wird in allen IT-Bereichen vorangetrieben, von IaaS oder Storage as a Service im Unternehmensumfeld bis hin zu eher privaten Nutzungsszenarien und SaaS-Applikationen. Die IT-Abteilung muss Technologien für den gesamten Stack einer Untersuchung unterziehen, die bestehende Architektur sowie die Unternehmensanforderungen auf den Prüfstand stellen und eine entsprechend angepasste Strategie entwickeln. Anhand von Pilotprojekten können erste Erfahrungen gewonnen werden. - 5. Enterprise 2.0
Web 2.0 hält in den Unternehmen Einzug und wird bereits von einigen genutzt; viele sind damit aber eher überfordert. Anstatt auf statischen Webseiten eine Fülle an Informationen anzubieten, hat sich das Spiel jetzt drastisch verändert. Die meisten Unternehmen haben Schwierigkeiten damit, die damit verbundenen Möglichkeiten zu verstehen und sie in ihre IT-Systeme mit einzubeziehen oder gar eine Integration ins Auge zu fassen. - 6. BI/EPM/BPM, Big Data
Dieses Thema spielt aus einer anderen Perspektive auch bei den CIO-Prioritäten eine Rolle, muss aber auch aus technologischer Sicht analysiert werden. In den meisten Unternehmen finden sich isolierte BI-Lösungen, hinter denen keine klare Stammdatendefinition steht; damit ist es schwierig, den nächsten Schritt zu tun und diese Insellösungen in eine unternehmensweite Enterprise Performance Lösung zu integrieren. Im Bereich Big Data bzw. große Datenvolumen müssen eine ganze Reihe von technologischen Herausforderungen untersucht werden. - 7. Identitätsmanagement
Das Thema Identitätsmanagement steht schon seit einer ganzen Weile auf den Prioritätenlisten ganz weit oben; jetzt gewinnt es auch im Zuge der Cloud-Implementierung eine fundamentale Bedeutung. Hier muss ein Framework entwickelt werden, um unter anderem Themen wie Single Sign-On, Provisioning, Rückverrechnung und Sicherheit zu adressieren. Identitätsmanagement ist ein Schwerpunktthema für das Computing der Zukunft, denn der Zugriff erfolgt von überall aus und über alle Arten von Endgeräten. - 8. ERP, CRM, SCM Future
In den meisten IT-Organisationen existiert mittlerweile eine solide und stabile ERP-Umgebung. Sie funktioniert, aber agil ist sie nicht, und was noch schlimmer ist, sie kostet ein Vermögen. In manchen Unternehmen wird bis zu ein Prozent des Gesamtumsatzes in den ERP-Betrieb gesteckt. Das ist in Zukunft nicht mehr akzeptabel und muss im Laufe der nächsten Jahre signifikant verbessert werden. Die vorhandenen ERP-Lösungen sind zudem veraltet und müssen nach und nach modernisiert werden. - 9. Software as a Service
Software as a Service ist Bestandteil des Cloud Computings, muss aber auch aus einer anderen Perspektive angegangen werden. Viele IT-Organisationen haben mit IaaS (Infrastructure as a Service) so ihr Probleme, doch die Nutzer profitieren von SaaS. Viele Lösungen, die oft nur für eine kleine Gruppe von Anwendern benötigt werden, können jetzt sehr schnell und kostengünstig genutzt werden und sorgen so für einen unmittelbaren Mehrwert und Nutzeneffekt. Hinzu kommt, dass die Generation der "Digital Natives" mit dieser Art des Computings voll und ganz vertraut ist. - 10. Konsumerisierung
Mit der Einführung des iPods hat Apple das traditionelle Computer-Geschäft verlassen. Durch den Fokus auf die Verbraucher wurde Apple zur Computerfirma mit dem höchsten Unternehmenswert und hat mit dem iPhone und dem iPad den Weg zurück ins Unternehmen geschafft. ARM Chips, wie sie in Smartphones zum Einsatz kommen, verfügen über ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis im Serverumfeld und bieten Intel als Konkurrenz die Stirn. Google und Amazon sind weitere Beispiele für den zunehmenden Konsumerisierungstrend, der von der IT berücksichtigt werden muss.
VDI erfordert oft Speicher-Upgrade
Ein weiteres Problem der VDI ist der Speicherbedarf im Rechenzentrum. "Man braucht für VDI effizientere SAN-Storage, und die ist teuer", betont Varun Srikumar, Analyst bei IDC. "Gerade das Argument, die Kosten von VDI wären geringer, stimmt meistens nicht", sagt der Marktforscher. Das bestätigt auch Gartner-Analyst Wolf: "Bis zu 60 Prozent des VDI-Budgets geht für Storage drauf", berichtet er. Denn bei VDI müssten pro Anwender, von denen jeder ja eine eigene virtuelle Maschine nutzt, oft 15 bis 20 GByte Daten - diese aus Sicherheitsgründen auch noch dupliziert - im Rechenzentrum gehalten werden. "Das sind bei 100 Anwendern schon 20 TByte", sagt Wolf. Und das ist offensichtlich zu viel, um Begeisterung für die Technologie auszulösen. So lägen die Kosten pro virtuellem Desktop bei der gleichen bis hin zur 1,7-fachen Summe der Kosten für einen klassischen Desktop.
Häufig wird der Trend, eigene intelligente Systeme mit in die Unternehmen zu bringen (Bring Your Own Device, BYOD) als Argument für VDI-Infrastrukturen ins Feld geführt. Doch auch BYOD ist längst nicht so einfach wie manche Hersteller es gerne glauben machen. Deshalb zögern die Anwender. So setzen in der Experton-Umfrage gerade einmal fünf Prozent der Befragten BYOD um, weitere 15 Prozent haben es geplant. Einer von sicher vielen Gründen für die gebremste BYOD-Begeisterung: die Lieblingsplattform der BYOD-Verfechter, Apples iPad, verliert in Kombination mit konventionellen Windows-Plattformen viel von ihrem Charme: Die Wisch-und-weg-Bedienung funktioniert nicht, statt dessen müssen sich Anwender wie schon immer mit den Office-gängigen Bedienungshilfsmitteln herumschlagen, betont Schwab.
Auch Gartner-Analyst Wolf sieht in den allgegenwärtigen Windows-Applikationen einen Hemmschuh für BYOD-Infrastrukturen mit VDI: "Windows-Anwendungen werden wir noch mindestens zehn Jahre haben, und da die unpraktisch zu migrieren sind, wird der dominierende mobile Client weiterhin ein Netbook oder ein Windows-PC sein."