Wie hoch ist die Bereitschaft Ihrer Kunden, Cloud-Dienste zu nutzen?
Stanislaw Panow (netcos): Es gibt Kunden, die sagen: "Ja, ich gehe in die Cloud", und es gibt Kunden, die sagen: "Cloud? Alles unsicher, bleib‘ mir weg damit". Zwischen diesen beiden Polen gibt es alle Graustufen - extrem abhängig von den Erfahrungen, die der Kunde mit solchen Diensten oder mit dem jeweiligen Ansprechpartner bereits gemacht hat. Kunden, für die das Thema ganz neu ist, sagen in der Regel: "Mach Du das bitte" - er überlässt es also uns.
So groß ist das Vertrauen in Sie als Partner?
Stanislaw Panow: Ja. Wir stellen dem Kunden immer mehrere Lösungen vor und er nimmt üblicherweise das, was wir ihm empfehlen. Ob das eine Cloud-Lösung ist oder nicht, interessiert ihn nicht. Für ihn ist nur wichtig, dass seine Anforderungen erfüllt werden. Wenn Systemhäuser für ihre Kunden die Rolle des Trusted Advisors übernehmen, ist es am Ende relativ egal, ob die Lösung in der Public-, Private-, in der Hybrid-Cloud oder On Premise umgesetzt wird.
Klaus Berle (HP): In den vergangenen 20 Jahren wurde IT eingesetzt, um bestimmte Dinge zu digitalisieren. Mittlerweile geht die Wertschöpfungskette aber in ganz andere Bereiche hinein - beispielsweise in Drehmaschinen, in Taxiunternehmen - in jeden Bereich. Und durch die Veränderung der Wertschöpfungskette verändern sich auch die Geschäftsmodelle.
Das heißt: Firmen, die in der Vergangenheit die IT nicht als Kerngeschäft betrachtet haben, stellen plötzlich fest, dass die IT ihr Kerngeschäft ist. Und sie müssen lernen, damit umzugehen. Damit verändern sich auch die Wertschöpfungsketten für alle Beteiligten: die Systemhäuser als Trusted Advisor, die Distributoren und die Hersteller. Und hier gibt es zwei Prämissen: Die heutige IT geht in die Cloud, die neue IT entsteht in der Cloud. Diese zwei Welten gilt es, miteinander zu verbinden.
Dieter Schmitt (Netapp): Dass die Kunden Cloud akzeptieren und der Weg in diese Richtung geht ist denke ich unumstritten. In welcher Geschwindigkeit und in welchem Ausmaß - darüber kann man streiten.
Stefan Wahlscheidt, Head of Also Cloud, Also Deutschland
Klaus Berle, Director Cloud Computing, Hewlett-Packard
Dieter Schmitt, Senior Director Channel Sales Central Europe, NetApp Deutschland
Stanislaw Panow, Geschäftsführender Gesellschafter, netcos
Paul Mathes, Business Development Manager Software & Solutions, Tech Data, Geschäftsbereich Azlan
Simone Frömming, Geschäftsführerin VMware Deutschland, VMware Global Inc.
Moderation: Regina Böckle, ChannelPartner
Das Interesse ist offensichtlich da. Was also fehlt den Partnern, um in der Cloud durchzustarten?
Benedikt Fischer (ACP): Der Cloud-Vertrieb unterscheidet sich vom klassischen On-Premise-Geschäft mit Lizenz-, Hardware-Handel und Dienstleistung. Man trifft auf andere Ansprechpartner: Controller, Geschäftsführer. Die Vertriebsstruktur der Systemhäuser muss sich massiv weiterentwickeln, um diesen Ansprechpartnern auf kaufmännischer Ebene überhaupt die nötigen Diskussionsgrundlagen liefern zu können.
Zweitens verschieben Cloud-Services die Umsätze des Systemhauses automatisch in die Zukunft. Systemhäuser stehen also vor der Herausforderung, diesen Umschwung nicht zu einer großen Delle in der Bilanz werden zu lassen. Und ein Vertriebsmitarbeiter wird sich im Verkaufsgespräch sehr genau überlegen: "Will ich einen 500.000 Euro-Deal machen, oder will ich in einem Drei-Jahresvertrag monatlich 15.000 Euro umsetzen - vielleicht bin ich in drei Jahren gar nicht mehr bei dieser Firma."
Es ist ein Riesen-Shift, einen Umsatz in 36 Einzelhappen oder gar über vier Geschäftsjahre hinweg zu strecken. Vier Jahre sind für ein Systemhaus eine lange Zeit. Die Technologie selbst ist kein Problem.
Ein Systemhaus, das von heute auf morgen 90 Prozent seines Geschäfts in die Cloud verlagerte, könnte das als gar nicht überleben?
Benedikt Fischer: Einige Häuser der ACP-Gruppe haben diesen Schwenk komplett geschafft, das heißt zwei Drittel unserer Managed Service Umsatzes basieren auf Cloud-Verträgen. Andere haben diesen Weg noch vor sich. Er ist sicherlich richtig, aber er ist zäh. Und ähnlich wird es auch anderen Systemhäusern gehen. Kein Unternehmen kann heute sagen: "Kein Problem, ich habe so und so viel Kapital im Rücken, ich kann es mir finanziell leisten, einfach einmal zwei oder drei Jahre lang keinen Sofortumsatz zu realisieren." Das wird jeden zerreißen.
Wie federn Hersteller und Distributoren diesen - auch finanziell schwierigen - Übergang für die Partner ab?
Klaus Berle: Um als Trustet Advisor zu agieren, muss das Systemhaus die Modelle kennen für den Übergang vom klassischen " Ich verkaufe eine Komplettlösung, die ich einmal aufbaue, hin in Richtung einer Software-definierten Lösung." Die Ausbildung dafür kann nicht darin bestehen, den Partner über ein halbes Jahr hinweg zu schulen, in dem ihm dann die Umsätze fehlen. Wir stellen deshalb Partnern eigene Consultants zur Verfügung, die beispielsweise helfen, in Themen wie OpenStack einzusteigen. Zudem bieten wir Business-Modelle an, die dem Partner helfen, den Übergangszeitraum vom Verkauf von Produkten hin zum Verkauf servicebasierter Dienste finanziell zu stemmen.
Stefan Wahlscheidt (Also): Wir bieten Partnern die Projektfinanzierung zum Beispiel auf 36 Monate als eigenen Service an, und lassen den Partner entscheiden, ob er ein Projekt als klassisches Projekt oder als Cloud-Projekt aufsetzen will. Wird es ein Cloud-Projekt, helfen wir ihm diese 36 Monate finanziell zu überbrücken.
Dieter Schmitt (Netapp): Mit On-Demand-Finanzierungs-Konzepten helfen wir Partnern, die Kosten über den Projektzeitraum hinweg zu verteilen. Das ändert aber nichts an dem Problem, dass der Partner den Vertriebsaufwand im Vorfeld hat, aber die Umsätze und Deckungsbeiträge erst über die Laufzeit des Cloud-Projekts erwirtschaften kann. Viele Partner, die schwach finanziert sind, werden damit ein Problem haben. Insofern wird sich das erheblich auf die Partnerlandschaft auswirken.
Paul Mathes (Azlan):Unserer Erfahrung nach fahren Service Provider momentan ein zweigleisiges Modell: Sie halten noch am On Premise-Modell fest, verfolgen aber parallel eine Cloud-Strategie. Sie scheuen sich noch, den Hebel ganz auf die Cloud umzustellen. Wir verfolgen hier schon seit rund drei Jahren den Ansatz, die Partner auf Wunsch mit Consulting Firmen zu vernetzen. Die Consultants, die wir empfehlen, verfügen über große Erfahrung im Cloud-Business und darüber hinaus, so dass sie das Systemhaus an die Hand nehmen und die passende, herstellerübergreifende Lösung für den Kunden konzipieren können.
Letztlich muss jeder Partner für sich entscheiden: "Bleibe ich beim klassischen Systemhausgeschäft mit Projektvorfinanzierungen bis in einen sechsstelligen Bereich, oder lasse ich mich auf einen Vertrag mit definierbaren Laufzeiten ein? Und welche Bank sowie welcher Distributor begleitet mich auf diesem Weg?"
Simone Frömming (VMware): Wir sprechen hier sehr stark über Infrastruktur-IT, die in die Cloud verlagert wird, und über damit verbundene Up-Front-Lizenz-Committments, die den Umsatz generieren. Ich glaube aber, dass auch im Projektgeschäft Umsatz zu generieren ist, weil beispielsweise Security und andere Themen eine große Rolle spielen, wenn der Kunde in die Cloud gehen will. Und gerade im SMB-Umfeld spielt die hybride Cloud eine sehr große Rolle. Bei größeren Kunden spielt neben der reinen Infrastruktur-IT auch die Business IT eine große Rolle. Wenn wir also über "Cloud-Appliances" sprechen, müssen wir deshalb überlegen, wie wir es schaffen in der Business IT mehr Projekte zu gewinnen.
Wir stellen aber auch fest, dass unsere Systemhäuser Beratung brauchen. Deshalb haben wir Schulungen und Programme aufgesetzt, die Systemhäuser befähigen, Pitches mit CIOs und CFOs zu gewinnen und ihren Mehrwert darzustellen.
Stanislaw Panow (netcos): Ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt ist die Standardisierung von Services. In der Automobil- und der Baubranche gibt es Standards, in der IT gibt es diese Standards nicht. Die Folge: Wenn wir dem Kunden Managed Services anbieten - ob Cloud-basiert der nicht, hören wir immer wieder: "Es ist zu teuer". Auf die Frage, was genau zu teuer ist, kommt die Antwort: "Bis jetzt hat es gar nichts gekostet." Wir müssen den Kunden dringend aufklären, welche IT-Leistungen er selbst hausintern erbringt - die "Eh-da-Kosten" aufdecken. Den meisten Kunden sind sie überhaupt nicht bewusst, sie können sie weder benennen noch beziffern. Und sie kennen auch nicht die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Services. Das ist aber eine Voraussetzung, um dem Kunden überhaupt Managed Services verkaufen und die Kosten einzelner Dienste vergleichen zu können.