Digitale Transformation

Der Handel muss handeln



Die Welt von Handel und Vertrieb sind Roland Fesenmayr ebenso vertraut wie die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung. Seit mehr als 15 Jahren verfolgt der Experte für E-Commerce die digitale Transformation und gestaltet sie als Vordenker leidenschaftlich mit – in vielfältigen Veröffentlichungen und durch ein Unternehmen: die OXID eSales AG, die der Allgäuer heute als CEO führt und 2003 mitbegründet hat. Fesenmayr ist auch Vorstand der baden-württembergischen Wirtschaftsinitiative bw:con.
Digitale Technologien stellen traditionelle Geschäftsstrategien in Frage, so auch im Handel. Eine umfassende Digitalisierungsstrategie ist überlebenswichtig.

2015 scheint das Jahr zu sein, in dem die Digitalisierung endgültig in Deutschland angekommen ist. Ein Blick auf die großen Messen unseres Landes genügt: "d!conomy", eine Kunstschöpfung aus "digital" und "economy" war beispielsweise das diesjährige Motto der CeBIT. "Integrated Industry: Join the network" hieß es nur wenige Wochen später auf der Hannover Messe. Besucher waren sich schnell einig, dass die Unterschiede zwischen den beiden Veranstaltungen verschwindend gering, die Gemeinsamkeiten dafür umso größer und offensichtlicher waren.

Einkaufen - auf welchem Kanal auch immer. Das soll das Einkaufserlebnis der Zukunft sein.
Einkaufen - auf welchem Kanal auch immer. Das soll das Einkaufserlebnis der Zukunft sein.
Foto: Lucky Business-shutterstock.com

Hier wie dort ging es um die digitale Transformation, die sich durch Industrie und Wirtschaft zieht. Auch die dmexco, weltweite Leitmesse und Konferenz für die digitale Wirtschaft, hat dieses Jahr unter dem Motto "Bridging Worlds" das Ziel ausgegeben, die "entscheidenden Brücken in die Digiconomy" zu schlagen und "allen Unternehmen und Partnern bestmögliche Strategien und Lösungsansätze auf dem Weg in eine neue digitale Ära aufzuzeigen".

An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei

Allgemein gilt: rasant vordringende, digitale Technologien stellen traditionelle Geschäftsstrategien und Organisationsstrukturen zunehmend in Frage. Der Studie "Digital Transformation in Deutschland" von Pierre Audoin Consultants (PAC) zufolge berichten bereits heute zwei Drittel der deutschen Unternehmen von deutlichen oder sogar disruptiven Auswirkungen der Digitalisierung.

Für viele Unternehmen birgt die Digitalisierung gleichermaßen Chancen und Risiken für ihr Geschäftsmodell. Allerdings geht die Mehrheit der deutschen Unternehmen die Digitalisierung bisher wenig strategisch an: Zwar setzen 58 Prozent einzelne digitale Projekte in ausgewählten Bereichen um, einem Großteil von ihnen fehlt jedoch eine unternehmensübergreifende Digitalisierungsstrategie. Ein Versäumnis, das Unternehmen teuer zu stehen kommen könnte. BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf steht mit seiner Einschätzung keineswegs alleine da, wenn er mahnt: "Die Bewältigung des digitalen Wandels ist die wichtigste Managementaufgabe unserer Zeit."

Was aber bedeutet die Digitalisierung für deutsche Händler und Produzenten? Und noch wichtiger: Wie können sie den digitalen Wandel für sich nutzen und die mit ihm einhergehenden Risiken in eine einmalige Chance verwandeln?

Die drei Säulen der digitalen Transformation

Nach Nicole Dufft, Independent Vice President bei PAC, gibt es drei konzeptionelle Säulen, auf die sich die digitale Transformation konzentrieren sollte:

  • konsequente Kundenorientierung

  • intelligente Nutzung von Daten

  • Agilität und Innovationskraft

Zunächst sei es eine wirtschaftliche Notwendigkeit, Strategien und Prozesse aller Unternehmensbereiche auf die Kundenbedürfnisse auszurichten und eine Kultur der konsequenten Kundenorientierung zu schaffen: "Die ganzheitliche Optimierung der Kundenerfahrung muss in den strategischen Fokus rücken." Darüber hinaus müssten datenbasierte Innovationen und Entscheidungsprozesse Teil des Selbstverständnisses von Unternehmen werden. Denn künftig, so Dufft, würden nur solche Unternehmen prosperieren, denen es gelänge, Daten sowohl als strategische Ressource als auch als Grundlage der eigenen Wertschöpfung zu begreifen und in der Organisation durchgehend verfügbar zu machen.
Zu guter Letzt sei es im digitalen Zeitalter für Unternehmen entscheidend, sich flexibel und zeitnah neuen Trends anzupassen sowie Innovationen zu entwickeln und sie zu vermarkten.

Im Handel nichts Neues

Kundenorientierung, Datennutzung und Innovationskraft - was soll daran bitteschön neu sein, werden sich zahlreiche Händler sicherlich fragen. Und Recht haben sie: Im Handel sind diese konzeptionellen Säulen der digitalen Transformation tatsächlich nichts Neues. Zu viel hat sich hier in den vergangenen Jahren bereits getan.

Trotzdem gibt es auch im Handel noch erheblichen Handlungsbedarf. Nicht umsonst klagen viele stationäre Händler über verweiste Innenstädte. Das IFH Köln prognostiziert sogar, dass bis zu 30 Prozent aller stationären Geschäfte bis zum Jahr 2020 aus dem Markt ausscheiden und weitere 40 Prozent nur überleben werden, wenn es ihnen gelingt, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu verändern.

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