In ihrer Studie "Cloud Vendor Benchmark 2016" hat die Experton Group nun bereits zum siebten Mal das Angebot an Cloud-Anbietern am deutschen Markt analysiert. Im ersten Quartal 2016 wurden dazu über 450 Anbieter identifiziert, die hierzulande Cloud-Technologien, -Services und -Transformations-Dienstleistungen offerieren. Davon bewertete Experton 155 Player als "relevant", so dass sie für eine detaillierte Analyse und Positionierung ausgewählt wurden.
Wie Studienautor Heiko Henkes, Analyst bei der von ISG übernommenen Experton Group, grundsätzlich feststellt, sind viele Unternehmen mit der digitalen Transformation "hoffnungslos überfordert. Das liegt nicht nur an der Komplexität des Zusammenspiels vieler IT- Trends und dem zugehörigen Change Management, sondern auch an der notwendigen Cloud Transformation, die oft noch nicht weit gediehen ist."
Cloud-Transformationspartner: IBM vorn
Im Segment "Cloud Transformation" geht es um Consulting und Integration. Laut Experton fällt auf, dass viele Anbieter ihren Fokus auf Technik und das Zusammenspiel von Komponenten legen - auf Integrationsaufgaben eben. Doch die vorgelagerte Beratung werde immer wichtiger. Neben der Modernisierung der Infrastruktur möchten die Kunden auch über digitale Geschäftsmodelle und Informationssicherheit sprechen. Trends wie Big Data/Analytics, das Internet of Things oder Cloud-basierte Infrastrukturen machen das zwingend notwendig.
Infolgedessen nennen die Analysten folgende Kriterien, nach denen die Cloud-Transformationsdienstleister bewertet wurden:
Thought Leadership zu Cloud und Transformation
Portfoliobreite und -tiefe bei Beratung und Systemintegration
Servicequalität belegt durch Kundenzufriedenheit
Balance zwischen Beratung und Systemintegration
Strategischer Fokus auf Cloud-Transformation
Referenzen und Projekte im lokalen Markt
Awareness und Image als Cloud Transformationsanbieter
Lokale Teamstärke und Partnerlandschaft
Experton stellt fest, dass es noch nicht sonderlich viele vorzeigbare Cloud-Transformationsprojekte in Deutschland gibt. Als Anbieter im "Leader"-Quadranten (siehe Grafik) behaupten sich an der Spitze IBM, Deutsche Telekom, Atos/Canopy und Hewlett-Packard Enterprise. Auffällig ist, dass es auch Systemhäuser wie Cancom/Pironet, Dimension Data oder Computacenter weit nach vorne geschafft haben. Acentrix, im letzten Jahr noch als "Rising Star" bezeichnet, gelang erstmals der Sprung in den Leader-Quadranten.
Managed Private Cloud: Telekom an der Spitze
Im Segment der Managed Privat Clouds geht es um Projekte, in denen unternehmenskritische und damit hoch vertrauliche Workloads in die Hände eines Dienstleisters gelegt werden. Hier kommt es den Kunden nicht nur auf Funktionen und Features, sondern auch auf die Verlässlichkeit und Stabilität des Providers an. Entscheidend ist auch die Frage, ob sich dieser klar in seiner Unternehmensstrategie und Produkt-Roadmap zu Cloud Computing bekenne.
Die Bewertungskriterien im Einzelnen lauten:
Leistungsfähige, skalierbare RZ-Infrastruktur (globales RZ-Netz vorteilhaft) inklusive WAN-Optimizern und Carrier- sowie Technologie-Anbieter-Partnerschaften
Individualisierbare Stufen der SLAs mit modularen Support-Modellen und 24/7 Betrieb mit "Enterprise-Grade" SLA und Desaster Recovery Angebot; reaktionsschneller Customer Service &
Interoperabilität (Unterstützung multipler Betriebssysteme und Virtualisierungs- beziehungsweise Orchestrierungstechnologien)
Standortübergreifendes RZ- bzw. Infrastruktur-Management
Virtual-to-Virtual Conversion mit Sicherstellung des Live-Betriebs (produktiv)
Know-how, auch Services des nächst höheren PaaS- und SaaS-Stacks einzubinden (Betriebssystem-, Datenbank-, WebServer-, App- und Lizenz-Management)
Integration von Drittanbietern und Legacy-Plattformen
Implementierung, Wartung
Security optional als "Managed Service"
Zertifizierungen beziehungsweise Kenntnisse im IT Service und Projektmanagement inklusive branchenspezifischer Compliance-Richtlinien zur Prozessmodellierung
Als Leader hat Experton hier T-Systems International (TSI) identifiziert, gefolgt von IBM, Cancom, BT und anderen. Diese Projekte sind für die Provider besonders interessant, da es um individuelle Ausgestaltung und damit hohe Margen geht. Insbesondere im IoT-Umfeld würden produktionsnahe Systeme wie das Manufacturing Execution System (MES) immer häufiger für Predictive-Maintenance-Ansätze aufgebohrt. Solche Projekte blieben meistens in der Private Cloud - vor Ort oder bei einem verlässlichen, durchaus auch lokal ansässigen Dienstleister.
IaaS aus der Public Cloud (Self Service): AWS bleibt spitze
Der Markt für Infrastructure as a Service (IaaS) aus der Public Cloud wächst hierzulande rasant: Liegt das Umsatzvolumen gegenwärtig bei 600 Millionen Euro, soll es 2019 bereits auf 2 Milliarden Euro klettern. Vor allem Public-Storage-Angebote beflügeln die Nachfrage. Die Kriterien, anhand derer die Anbieter gemessen wurden, lauten:
Leichter Zugang über Test- und Trial-Versionen und Preistransparenz
Leistungsfähige und extrem elastische RZ-Infrastruktur (lokaler Standort vorteilhaft, globales Netz)
Breitgefächertes Portfolio an Infrastruktur-Services (Compute Power, Storage für File Services, Netzwerk, Backup etc.)
Hoher Allokations- und Automatisierungsgrad der Plattform
Optionale Viren-Scanner, Vulnerability Scans und Intrusion Prevention
Automatisierte Rollouts, Failover-Konzepte und Anti-DDoS-Services
Nutzungsabhängige Bezahlung - PAYG sowie reservierte Ressourcen mit automatischem «Uplift» zum dynamischen bzw. hochgradig elastischen und teuren Ressourcen-Pool
Hohe Nutzerfreundlichkeit der Admin-Oberflächen - "ease of use"
Bereitstellung von Standards und Mechanismen zur Sicherstellung von Performance (CDN-Services) und Sicherheit (Public Internet Bypassing Tools)
Breites Partner- und Ökosystem
Template Libraries mit vorkonfigurierten Virtual Appliances oder Apps
Sicherstellung von Integration & Interoperabilität über API
Angebot von Datenbank-Tools sowie Block-Storage
Angebot von Container Services für leichte App-Migration
Angebot von dedizierten Ressourcen für sensible Workloads
Im Leader-Quadranten liegt Amazon Web Services (AWS) in Front, gefolgt von Microsoft und der Deutschen Telekom (T-Systems und Deutsche Telekom Geschäftskundenheinheit = TDG). Außerdem haben es IBM, Google, Atos und Oracle in die Spitzengruppe geschafft. Laut Experton wird der Markt immer lichter, da nicht alle Anbieter die unerbittlichen Preiskämpfe aushielten. Insbesondere lokale Anbieter könnten hier kaum mit den "Hyperscaler-Riesen" mithalten. Andererseits steigen neue Player mit günstigen Kostenstrukturen in den Markt ein: Experton nennt explizit das Duo Deutsche Telekom und Huawei mit der "Open Telekom Cloud".
Gleichzeitig stellen die Analysten fest, dass die Anbieter enger an ihre Kunden heranrücken, indem sie etwa Data Centers in Deutschland bauen, um die Datenschutzbedenken aus der Welt zu schaffen und bessere Latenzzeiten bieten zu können. So fungiert T-Systems als Treuhänder der Microsoft-Azure-Cloud und Cancom kooperiert mit der IBM, um neben den eigenen RZ-Kapazitäten auch Softlayer-Ressourcen zu nutzen.
Lokalen Service-Providern, die in diesem Markt mitspielen möchten, empfehlen die Analysten, sich einen der großen Hyperscaler als Partner zu suchen. Nicht nur der harte Preiskampf lasse dies geboten erscheinen, auch die Innovationssprünge, die hier zu erwarten sind, könnten von kleinen Anbietern nicht geleistet werden. Allein das Aufrüsten der Clouds im Rahmen von Blockchain-Funktionen zeige, welche disruptive Kraft die Technologie auf unseren Wirtschaftskreislauf habe - nicht nur auf die Finanzwirtschaft, sondern auch auf traditionelle Branchen.