Chancen in der neuen Welt

Der Einzelhandel und die Digitalisierung

Mark Zimmermann leitet hauptberuflich das Center of Excellence (CoE mobile) zur mobilen Lösungsentwicklung bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG in Karlsruhe. Er weist mehrere Jahre Erfahrung in den Bereichen Mobile Sicherheit, Mobile Lösungserstellung, Digitalisierung und Wearables auf. Der Autor versteht es, seine Themen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln für unternehmensspezifische Herausforderungen darzustellen. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeiten ist er Autor zahlreicher Artikel in Fachmagazinen.

Kundenzufriedenheit durch Bewegungsprofile

Per WLAN oder Beacon-Technik erfahren Einzelhändler mehr über ihre Kunden im Laden
Per WLAN oder Beacon-Technik erfahren Einzelhändler mehr über ihre Kunden im Laden
Foto: favendo

Für die Ermittlung von Kundenströmen wurden bisher vor allem manuelle Methoden, wie z.B. Beobachtung, Verfolgung von ausgewählten Personen und Interviews oder halbmanuelle Methoden, wie z.B. videobasierte Erfassung und händische Auswertung der Videodaten, eingesetzt. Aber es geht auch anders, voll automatisch und wie ich hoffe völlig anonymisiert.

Ein Smartphone mit aktivierter WLAN-Funktion überwacht seine Umgebung auf vorhandene WLAN-Zugangspunkte (Hotspots). Während dieser "Suche" sendet das Gerät unter anderem auch meist eine eindeutige Gerätekennung aus (Ausnahme iOS), die sogenannte MAC-Adresse. Die MAC-Adresse stellt dabei nicht die Seriennummer des Handys, sondern die Seriennummer der im Handy eingebauten WLAN-Netzwerkkomponente dar. Jede dieser Netzwerkkomponente hat eine eigene MAC-Adresse. Die MAC-Adresse kann somit als eindeutiges Identifizierungsmerkmal herangezogen werden. Smartphones sind persönliche Gegenstände. Diese werden in der Regel nur selten ausgeliehen. Somit lässt sich über die Identifzierung der Smartphones in der realen Welt auch auf die Person (bzw. die damit zugeordnete Personengruppe) zurückgeschlossen werden. Ganz wie in der digitalen Welt.

Hatten bisher Webseiten den Mehrwert genossen, ihre Besucher über Tracking-Netzwerke besser zu identifizieren, erlangen nun auch Räume des öffentlichen Lebens, Einkaufsläden oder Konferenzen diese Benefits.

Die Vorteile für den Händler liegen klar auf der Hand: Es werden Statistiken über Besucherfrequenzen erfasst, die über das hinausgehen, was eine herkömmliche Lichtschranke an der Tür zu leisten vermag. Die Anzahl der potentiellen Kunden pro Stunde, die am Laden vorübergehen. Die Anzahl von Kunden im Laden, die Aufenthaltsdauer der Kunden, Wiederkehrende Stamm- und Neukunden können identifiziert weden. So kann die Konvertierungsrate von potentiellen Kunden zu tatsächlichen Käufern ermittelt werden (Attraktivitätsmessung). Dies kann zum Beispiel als Erfolgskontrolle bzw. zur Planung weiterer Werbeaktionen genutzt werden. Vergleichen Sie die Werte aus dem Kassen-System mit den Besucherwerten, erhalten Sie die Konversionsrate.

Wozu eine Kundenstromanalyse per WLAN fähig ist, ist mit einem Beispiel von der re:publica 2013 einsehbar. Da das WLAN und das Internet auf der re:publica naturgemäß fleißig genutzt wurde, fiel es nicht schwer die Geräte auf der Konferenz zu verfolgen. Sie können bei OpenDataCity auf einer interaktiven Karte das Bewegungsproflile der Besucher allgeine oder auch einzelne Personen (anonym) bei ihrer Bewegung durch die Konferenzräume verfolgen.

Neben dem Tracking über WLAN kann dies auch als Bluetooth-Tracking ergänzend bzw. alternativ erfolgen. Die Funktionsweise von Bluetooth-Tracking beruht auf dem Umstand, dass Smartphones eine aktive Bluetooth-Schnittstelle integriert haben. Jede Bluetooth-Schnittstelle besitzt ebenfalls eine individuelle Adresse, die keine Rückschlüsse auf die Telefonnummer und den Besitzer zulässt. Mit Hilfe von stationären Bluetooth-Sensoren (Beacons), können aktivierte Bluetooth-Schnittstellen in einem bestimmten Umkreis erkannt und gespeichert werden. Bluetooth LE (Low Energie) erlaubt theoretisch eine Ortung auf wenige Zentimeter. So können neben einer groben Bewegung auch genauere Positionen ermittelt werden.

Stellen Sie sich vor, ein Kunde wählt in einer App den Bedarf nach Beratung aus. Ihr Servicepersonal im Geschäft könnte direkt zu Ihrem Kunden gehen.

Service auch nach dem Kauf

Ein QR-Code auf den digitalen Preisschildern ist noch nicht das Ende des Potentials. Stellen Sie sich vor, dieser wäre auch auf den Kassenzetteln. Ein Kunde könnte diesen QR-Code scannen und erhält automatisch einige Dienstleistungen. Hierzu könnte gehören:

  • eine Möglichkeit zum Registrieren des Produktes für Servicemeldungen (statt den aktuellen Postkarten)

  • eine digitale Quittung für die Ablage

  • Pflege der Serviceakte (Garantiedauer, Serviceanträge stellen)

  • Steuerunterlagen generieren (Abschreibungsunterlagen)

Zu guter Letzt: der Online Kauf

Abgesehen von der vielfach oft unübersichtlichen Darstellung der Online-Shops sehe ich ein Riesenpotential in der Ladeninfrastruktur. Stellen Sie sich vor, jeder Fachmarkt hätte eine 24x7h zugängliche Ausgabetheke, ananlog der von DHL bekannten Packstationen. Ein Kunde könnte ein Produkt kaufen, erhält einen Code auf seinem Handy, der von der Station gescannt wird und ihm das Produkt auch zu Randzeiten übergibt.

Fazit

Ich sehe viel Potential für den Einzelhandel. Sicherlich wird damit nicht jede Kundengruppe getroffen und sicherlich habe ich viele Punkte, aufgrund meiner mangelnden Kenntnis im Einzelhandel nicht erkannt oder ausreichend Bewertet. Trotzdem sehe ich großes Potential in diesen Themen und würde - mit entsprechendem Datenschutzvorkehrungen - es sehr begrüßen, derartige Verfahren und Systeme erleben zu dürfen. Es ist eine spannende Zeit, lasst sie uns diese aktiv gestalten! (mb)

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