Wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht
Derweil zeigen sich bei den verschiedenen Lösungen, obwohl Standards genannt, zum Teil gravierende Kompatibilitätsprobleme. Mit unterschiedlichen Adaptern und Kodierungen kochten manche Hersteller "ihr eigenes Süppchen", moniert der bestbeans-Chef. Das geht soweit, dass bei Sonys Xperia-Geräten die gleichzeitige Nutzung von Miracast und WLAN nicht möglich ist; bei Asus-Geräten sei die Qualität so instabil, dass man den Support für den Hersteller ausdrücklich nicht garantieren könne. Merkwürdigerweise hat der taiwanische Hersteller die Produktion eines eigenen Miracast-Sticks praktisch zwei Monate nach Erscheinen wieder eingestellt, obwohl er bei Amazon noch zu haben ist.
Röttgen beschreibt Miracast als eine qualitativ sehr von der Hardware abhängige "Technik irgendwo zwischen WLAN und Bluetooth". Tatsächlich müsse man bei Samsung-Geräten zur Nutzung der Miracast-Funktion sogar Bluetooth aktivieren. Der koreanische Riese kennt das Problem an und gibt zu, dass Screen Mirroring für die drahtlose Übertragung des Bildschirminhalts vom Tablet oder Smartphone auf den Fernseher zwar möglich, aber nicht offiziell Miracast-zertifiziert sei.
Branchenriesen stellen sich hinter Miracast
Der Miracast-Standard kann HD-Videos per H.264-Codec mit bis zu 1080p-Auflösung und 5.1-Surround-Sound übertragen. Auch wenn Miracast derzeit noch eher ein Nischendasein fristet, wächst die Zahl der Sende- und Empfangsgeräte unter anderem schon daher, dass Android ab der Version 4.2 (Jelly Bean) den Standard von Hause aus unterstützt. AMD und Nvidia bieten neuerdings auch Miracast-Treiber an. Nvidia hat in einem Whitepaper erklärt, dass man Intels WiDi und Apples Airplay als geschlossene Ökosysteme etwas entgegensetzen wollte, andere offene Standards wie DLNA aber entweder mit Interoperabilitätsproblemen zu kämpfen hätten oder zu unbedeutend seien. Die Multimedia-Architektur des Tegra-3-Prozessors soll selbständig zwischen HD-Videos und 3D-Spiele unterscheiden können und somit die Zahl der Verarbeitungsschritte, Speicherzugriffe und der damit verbundenen Latenzzeiten reduzieren.
Joshua S. No, AV Product Marketing Manager / Home Entertainment bei LG Deutschland weist darauf hin, dass Heimkinoanlagen und Blu-ray-Player ab der Mittelklasse neben Bluetooth Miracast, Private Sound Mode und DLNA bieten. "Durch die kontinuierliche Zunahme von Streaming in Privathaushalten - etwa durch die Nutzung von NAS Systemen, Audio- und Videostreaming-Diensten wie Watchever und Spotify - werden physische Medien langfristig an Bedeutung verlieren. Ähnlich wie bereits jetzt schon in den USA oder auch Korea wird sich auch in Europa die Entwicklung auf jeden Fall in Richtung Streaming verschieben", so No.
Obwohl sich so bedeutende Unternehmen hinter Miracast gestellt haben, ist der große Durchbruch für den neuen offenen Standard bisher ausgeblieben. Vielleicht liegt es daran, dass Miracast noch so jung ist oder daran, dass die beiden Branchenriesen tatsächlich noch zu wenig Marketing-Tamtam darum machen. Dabei hält Intel auf einer Support-Webseite sogar ein WiDi-Upgrade-Tool für Windows 8.1 bereit sowie Informationen, welche Prozessoren, Grafikkarten und Chipsätze Miracast unterstützen.
Dass Miracast in Europa noch nicht so sehr angekommen ist, erklärt Netgear damit, dass "das regionale Interesse nicht durch einen Mangel an kompatiblen Geräten, sondern durch die fehlende Vertrautheit sowie das mangelnde Verständnis der Benutzer in Bezug auf Display-Spiegelungstechnologien beeinflusst" werde. "Dies könnte in direktem Zusammenhang damit stehen, dass die europäischen Nutzer weniger oft Premium-Video-Inhalte streamen verglichen mit den US-Nutzern etwa, bei denen der Premium-Video-Konsum über mobile Geräte sehr hoch ist."
Ein Grund dafür, dass viele Hersteller sich Miracast gegenüber noch etwas zurückhaltend zeigen, könnte sein, dass auch noch andere Standards existieren und mitunter verlockender erscheinen. Dazu gehören mobile Alternativen wie Wireless Home Digital Interface (WHDI) ebenso wie MHL als kabelgebundene Option.
WHDI, Wireless Display und WiGig
Im Unterschied zu WiDi und Miracast, die wahlweise das 2,4-GHz- oder 5-GHz-Frequenzband nutzen und Bilder im H-264-Codec meist komprimiert übertragen, nutzt WHDI von Hause aus das weniger störanfällige 5-GHz-Band und erlaubt den unkomprimierten Videostream. Als kabellose HDMI-Alternative stehen abermals große Namen wie Hitachi, Motorola, Samsung, Sharp, Sony und LG hinter dem neuen Standard, der laut dem Entwicklerkonsortium besonders flexibel sein soll, weil die meist paarweise erworbenen Transmitter nicht direkt in den Geräten verbaut, sondern extern angeschlossen werden.
Ein Vorteil dieser Lösung zu deutlich gesunkenen Preisen von unter 100 Euro ist die auch zimmerübergreifende hohe Reichweite von bis zu 30 m, ein Versprechen, das wohl auch nur auf dem Papier Gültigkeit hat. Belkin hat mit dem ScreenCast AV 4 einen WHDI-Adapter für bis zu vier Full-HD-Quellen auf den Markt gebracht, der Preis ist allerdings mit knapp 300 Euro immer noch so hoch, dass Kritik vorprogrammiert war und die Produktion nicht weiter verfolgt wird.
Sehr hohe Übertragungsraten von 7 Gigabit pro Sekunde bieten die jeweils mit 60 GHz funkenden neuen Standards WirelessHD und WiGig (Wireless Gigabit gemäß IEEE 802.11 ad), was sie zukunftsgerichtet zu echten HDMI-Alternativen machen könnte. Im Unterschied zu Miracast, WiDi und WHDI sind beide jedoch auf Sichtkontakt angewiesen, was die Reichweite sehr stark einschränkt. Vorteil ist jedoch, dass selbst die Übertragung von 3D-Blu-ray für sie kein Problem darstellt. Das leisten bisher nur kabelgebundene Lösungen.
An der Strippe mit MHL, Slimport und USB-On-The-Go
Wer den Kabelsalat nicht scheut und eine günstige Verbindung zwischen Smartphone und Beamer oder TV-Gerät sucht, dem bieten sich im Wesentlichen zwei Alternativen zu den genannten drahtlosen Übertragungswegen. Das HDMI-ähnliche MHL (Mobile High-Definition Link) ist dabei sicherlich noch mehr verbreitet als der unter anderem vom Google Nexus 4 unterstützte SlimPort, der wie der Name schon vermuten lässt, eine mobile DisplayPort-Variante ist. Beide unterstützen die unkomprimierte Übertragung von 1080p-Video und 8-Kanal-Audio für 7.1-Lautsprechersysteme. Bei dem unter anderem von Acer mitgetragenen MHL soll das Versprechen aber mehr auf dem Papier stehen, praktisch beschränkt sich die Auflösung meist auf 720p.
Samsung betont zwar, dass MHL von allen eigenen TV-Geräten unterstützt wird, hat aber beim Galaxy SIII gleich eine 11-polige andere Pin-Belegung mit OTG-Funktionalität (On-The-Go) eingeführt, die nicht zum MHL-Standard kompatibel. Der Kunde sah sich daher genötigt, direkt von Samsung für rund 25 Euro einen MHL-Adapter zu kaufen. Flexibler einsetzbar ist offenbar SlimPort. Dafür spricht vor allem, dass dieser Standard nicht auf die Ausgabe über den HDMI-Port beschränkt ist, sondern auch VGA, DVI und DisplayPort unterstützt.