Sie planen für den Juni 2018 eine völlig andere CEBIT und bemühen sich um Aufbruchstimmung. Warum distanzieren Sie sich so deutlich von der bisherigen CEBIT?
Oliver Frese: Wir haben die CEBIT in den vergangenen vier Jahren konsequent und erfolgreich auf den Business-Kern ausgerichtet. Dennoch haben wir gemeinsam mit unseren Ausstellern entschieden, etwas zu verändern und den nächsten Schritt zu gehen. Wir wollen neben den etablierten Zielgruppen insbesondere stärker eine jüngere Zielgruppe ansprechen, die 20- bis 35-Jährigen. Sie tragen teilweise schon Verantwortung oder sind die Entscheider von Morgen. Also haben wir mit der Industrie diskutiert, wie wir die Stärken der CEBIT, den Business-Kern, weiter nutzen und gleichzeitig jüngere Zielgruppen, Gründer, Kreative, Digitalisierer begeistern können.
Entstanden ist ein Konzept, das unseren Business-Kern mit Digital Lifestyle verknüpft. Wir haben nicht nur mit den großen Unternehmen aus dem Messeausschuss diskutiert. Wir haben auch viel mit den neuen Zielgruppen, mit Künstlern, Musikern, Architekten, Clubbing-Experten, Festival-Veranstaltern zusammengesessen und überlegt, wie eine attraktive Plattform aussehen muss.
"Wir wollten ganz bewusst den Big Bang!"
Auf der CEBIT 2017 wirkte die Ankündigung, künftig neue Wege zu gehen, ein wenig überstürzt und improvisiert. Es schien, als hätten sie spontan entschieden, ein neues CEBIT-Konzept zu verfolgen.
Oliver Frese: Wir wollten ganz bewusst den Big Bang! Tatsächlich haben wir schon unmittelbar nach der CEBIT 2016 mit der Neuentwicklung begonnen. Durch die vielen Gespräche und Workshops wurden die Szenarien konkreter und es hat sich immer stärker herauskristallisiert, wie das Konzept aussehen wird. Es mag sein, dass es für die Öffentlichkeit überraschend kam, tatsächlich folgte es einem minutiösen Kommunikationsplan.
Einige der großen Hersteller, für die die CEBIT jahrelang gesetzt war, sind 2017 untreu geworden. Microsoft hat sich abgemeldet, die Telekom hat ihr Engagement reduziert. Wer ist 2018 im Boot, wer nicht?
Oliver Frese: Wir sind mit allen wichtigen Unternehmen im Dialog, nicht nur mit den großen Playern, auch mit mittelständischen Firmen. Natürlich müssen wir viel erklären: Was steckt hinter der neuen CEBIT? Welche Möglichkeiten haben die Aussteller dort? Häufig reden wir nicht mehr über reine Flächenbeteiligungen, sondern über ganzheitliche Beteiligungspakete, die den Unternehmen die Möglichkeit geben sich, sich in allen Bereichen der Messe - d!tec, d!conomy, d!talk und d!campus - zu präsentieren.
Zudem gibt es ja ein ganz neues Hallen-Setup. Nahezu jeder Aussteller muss umziehen auf dem Messegelände und erhält somit die Möglichkeit, sich neu zu präsentieren. Die meisten Unternehmen sind begeistert davon, dass sie sich neu kalibrieren und ihren Auftritt zeitgemäßer gestalten können. Ein Beispiel: SAP wird 2018 ihren Auftritt komplett auf das Freigelände zwischen den Hallen - unseren d!campus - verlegen und dort auf 2300 Quadratmetern, einer größeren Fläche als 2017, ihr Szenario aufbauen. Im Mittelpunkt wird ein 60 Meter hohes Riesenrad mit 40 Gondeln stehen, in jeder einzelnen werden IT-Topthemen und spezifische Branchenlösungen behandelt. Sie nennen das Konzept "Ten Minutes of Innovation".
Was ist mit Microsoft und der Telekom? Oder auch mit Google und Amazon? Werden die da sein?
Oliver Frese: Wir reden mit all diesen Unternehmen, auch mit den großen Marken aus den USA, die angesichts des neuen Konzepts viel genauer hinsehen. Dazu können wir aber heute noch nichts Finales sagen, hier stehen noch umfangreiche Gespräche zu Beginn des Jahres an. Wir möchten zum Beispiel auch gerne mit einer führenden, international bekannten Entwicklerplattform eine Softwareentwicklungs-Veranstaltung auf die Beine stellen.
Die Deutsche Telekom wird dieses Jahr auf einen eigenen CEBIT-Stand verzichten und nur auf der "Hannover Messe" präsent sein (Anm. der Red.)
Die Entwickler auf die CeBIT zu holen, ist demnach ein erklärtes Ziel?
Oliver Frese: Ja, eine ganz wichtige Zielgruppe, die wir viel stärker als bislang ansprechen werden, ebenso wie die CDOs, die Blogger, die Influencer-Szene, möglicherweise auch eine professionelle eSport-Szene.
Die CIOs haben Sie jetzt gar nicht genannt.
Oliver Frese: Die sind natürlich gesetzt! Wir haben ja über neue Zielgruppen gesprochen, die wir zusätzlich erreichen möchten. Selbstverständlich stehen CEOs und CIOs im Fokus. Wir bauen ja auch die Partnerschaft mit dem VOICE-Verband aus, sind mit EuroCIO eine Partnerschaft eingegangen und wir werden hier auch weiter internationalisieren. Man kann also sagen, dass wir das Gute transformieren und ausbauen wollen und zudem mit neuen Formaten eben auch neue Zielgruppen ansprechen.
Sie haben gesagt, nahezu alle Aussteller werden umziehen müssen. Das ist doch mit Kosten verbunden, die Firmen haben ja in ihre Stände investiert. Gibt es keine Proteste?
Aussteller hängen an ihren angestammten Plätzen
Oliver Frese: Nein, das ist kein Thema. Die Unternehmen gehen ja jedes Jahr aufs Neue in die Planung. Was eher ein Diskussionspunkt ist: Eine Platzierung, die man über viele Jahre in einer bestimmten Halle hatte, einfach aufzugeben, ist eine Herausforderung. Aber dadurch, dass sich die gesamte Veranstaltung bewegt und wir die Hallenbelegung so planen, dass es für die Kunden eine noch attraktivere Plattform wird, können wir die Zweifel meist schnell ausräumen.
Sie haben eben den Vierklang d!conomy, d!tec, d!talk und d!campus erwähnt. Was steckt dahinter?
Oliver Frese: Die CEBIT gliedert sich in vier logische Segmente. d!conomy ist der Teil, der der bisherigen CEBIT als klassische Messe am nächsten kommt. Dort präsentieren Aussteller Produkte, die Unternehmen heute schon kaufen können, um sich ins digitale Zeitalter zu transferieren. Beispielsweise Cloud-Lösungen, ERP- und Office-Lösungen, Sicherheitstechnologie, Communications and Networking etc.
Bei d!tec werden die Anbieter eher Technologien zeigen, die in den nächsten drei bis fünf Jahren in die Wertschöpfungsketten einziehen und diese auch verändern werden. Drohnen, Virtual Reality, humanoide Roboter, Future Mobility, Smart Cities, Startups mit disruptiven Geschäftsmodellen beispielsweise. Hier zeigen etwa das Fraunhofer Institut, das KIT, das Bundesforschungsministerium, Acatech und andere, woran sie arbeiten.
d!talk ist das Konferenzformat, die Weiterentwicklung der Gobal Conferences also, die ja bisher ein getrenntes Preissystem hatten. d!talk folgt einer komplett neuen Idee. Wir werden zehn kreativ gestaltete Talk-Bühnen in den Hallen platzieren. Wir arbeiten dafür mit der Design-Hochschule in Hannover zusammen. Jede Bühne wird anders aussehen. Man kann dort zuhören, arbeiten, networken oder einfach nur relaxen. Dort werden hochkarätige Sprecher aus den jeweiligen Themenumfeldern auftreten, namhafte Köpfe der Digitalindustrie, die ihre Visionen mit den Zuhörern teilen. Die Besucher können sich dort inspirieren lassen, ohne dafür ein Extra-Ticket zu benötigen.
Und der d!campus ist die Partymeile?
Oliver Frese: Ich würde lieber vom pulsierenden Herz der neuen CEBIT sprechen, das neues Networking möglich macht. Wir möchten auf dem Freigelände zwischen den Hallen eine Art Digital Street Festival veranstalten. Es wird digitale Showcases geben, vielleicht digitale Kunstwerke, eine Bar, wo ein Roboter einen Cocktail mixt, Streetfood, Inszenierungen mit Drohnen und autonomem Fahren und vieles mehr.
Festival heißt, dass wir abends, wenn um 19 Uhr die Stände in den Hallen geschlossen werden, den Regler hochfahren und gemeinsam mit den Besuchern die Digitalisierung feiern. Da wird es Höhepunkte der Unterhaltung geben, am Mittwochabend beispielsweise hat Jan Delay einen Auftritt, auch am Dienstag und Donnerstag wird es größere Live Acts geben. Tagsüber geht es dann eher ruhiger zu. Dann sind auf verschiedenen Bühnen Vorträge, Kunstinszenierungen, Independent Bands, Poetry Slam und mehr geplant - immer im Kontext der Digitalisierung.
Sind die CEBIT-Macher eigentlich jung und hipp genug, um so ein Digital Street Festival auf die Beine stellen zu können?
Oliver Frese: Messe, Kongress, Networking - das können wir. Für das Festival haben wir uns schon früh Unterstützung geholt. So haben wir ein Kuratorium gegründet, in dem sich Personen engagieren, die echt etwas davon verstehen: Musikproduzent Mousse T. oder Andreas Sennheiser von der gleichnamigen Firma, Professor Ralf Strauß vom Deutschen Marketing-Verband, freie Künstler, Kreativagenturen aus Hamburg und Hannover, Clubbesitzer und natürlich auch Aussteller. Das ist eine spannende Mischung - und auch eine ganz neue Form, so etwas wie den d!campus zu entwickeln.
Die Startup-Szene in Deutschland sitzt in Berlin, vielleicht noch in Hamburg und München - weniger in Hannover. Mit welchen Initiativen wollen Sie es schaffen, diese jungen Unternehmen herzulocken?
Oliver Frese: Wir sind ja schon seit Jahren mit unserer Startup-Initiative Scale 11 auf der CEBIT. Allein im letzten Jahr waren über 400 Startups auf der CEBIT, und wir haben einen ganzen Blumenstrauß an weiteren Ideen, auch international. Die jeweiligen Szenen beobachten genau, was wir machen, viele Startups haben schon jetzt zugesagt, was für diese Szene ja eher ungewöhnlich ist. Wir arbeiten mit den Netzwerken in den verschiedenen Regionen, vor allem in Berlin zusammen. Wir planen zudem noch mehrere Veranstaltungen und setzen auf die Unterstützung des Bundesverbandes Deutsche Startups.
Unsere langjährigen Kontakte in die Wirtschaftsförderungseinrichtungen und -organisationen helfen uns da ganz massiv. Viele von denen buchen bei uns Fläche und geben dann einer Handvoll Startups aus ihrer jeweiligen Region die Chance, sich zu präsentieren. Unterschätzen Sie das nicht: Fernab von Berlin tut sich eine ganze Menge. Hannover ist zum Beispiel in Sachen Blockchain sehr stark.