Uneinheitliche BFH-Rechtsprechung beendet

BVerfG erlaubt Rückstellungen für Dienstjubiläen

27.07.2009

Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Eine steuergesetzliche Abweichung von der Maßgeblichkeit des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips auch für die steuerrechtliche Gewinnermittlung verletzt nur dann das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot folgerichtiger Ausgestaltung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen, wenn sich kein sachlicher Grund für diese Abweichung finden lässt, die einfachgesetzliche "Ausnahmevorschrift" also als willkürlich zu bewerten ist.

Das gleichheitsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt die Befugnis des (Steuer-) Gesetzgebers, die zentralen Fragen gerechter Belastungsverteilung weitgehend ungebunden zu entscheiden. Das Verfassungsrecht, namentlich die Grundrechte der Steuerpflichtigen, bilden hier lediglich einen allgemeinen Rahmen für die weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Bei der Ausgestaltung seiner Verteilungsentscheidungen binden jedoch die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Folgerichtigkeit und Verhältnismäßigkeit die Ausübung der gesetzgeberischen Freiheit an ein hinreichendes Maß an Rationalität und Abgewogenheit. Soweit darüber hinaus "überzeugende" dogmatische Strukturen durch eine systematisch konsequente und praktikable Tatbestandsausgestaltung entwickelt werden müssen, bleibt dies der Gesetzgebung und der Fachgerichtsbarkeit überlassen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die "Richtigkeit" von Lösungen komplexer dogmatischer Streitfragen, wie sie für manche Bereiche des Steuerbilanzrechts und jedenfalls für den Bereich der Rückstellungen typisch sind, zu kontrollieren und zu gewährleisten.

Zu den nicht ohne Weiteres verfassungsrechtlich erheblichen Einzelregelungen bei der Ausgestaltung von Steuertatbeständen gehören Entscheidungen des Steuergesetzgebers zur Begrenzung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit und zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip.

Die zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung der bis zur Fortentwicklung der Rechtsprechung durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. Februar 1987 - IV R 81/84 - (BFHE 149, 55) geübte langjährige höchstrichterlich angeleitete Gesetzesanwendungspraxis war weder in sachlicher noch in zeitlicher Hinsicht willkürlich. Der Gesetzgeber hat mit dem Verbot, Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen in den Jahren 1988 bis 1992 zu bilden, und dem Gebot, bereits gebildete Rückstellungen zeitlich über drei Jahre gestreckt von 1988 bis 1990 aufzulösen, die jahrzehntelange, auf der älteren höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung beruhende Verwaltungspraxis für weitere fünf Jahre fortgeführt.

Unabhängig davon, ob die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor allem mit dem Urteil im Jahr 1987 als ein deutlicher Gewinn an systematischer Klarheit und Konsistenz zu begrüßen ist, verbietet sich die Annahme, die Gründe jener älteren Rechtsprechung für die Unzulässigkeit von Jubiläumsrückstellungen seien willkürlich im verfassungsrechtlichen Sinn.

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