Interview mit eBay-Chefin Saskia Meier-Andrae

„Bei uns gibt es eben nicht die immergleichen Artikel aus China“



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Seit 100 Tagen steht Saskia Meier-Andrae an der Spitze von eBay Deutschland. Beim ChannelPartner-Interview in der eBay-Zentrale in Dreilinden erzählt sie, welche strategischen Schwerpunkte sie setzen will und warum sie eBay sowohl gegen Amazon wie auch gegen Temu gut aufgestellt sieht.
Frischer Blick auf den Marktplatz-Pionier, der in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiert: Saskia Maier-Andrae kam Anfang 2024 vom Einrichtungs-Onlinehändler Wayfair zu eBay
Frischer Blick auf den Marktplatz-Pionier, der in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiert: Saskia Maier-Andrae kam Anfang 2024 vom Einrichtungs-Onlinehändler Wayfair zu eBay
Foto: eBay

Saskia, du stehst seit Mitte März an der Spitze von eBay Deutschland - wie würdest du die ersten Erfahrungen in der neuen Führungsposition zusammenfassen?

Saskia Meier-Andrae: Zunächst einmal war ich von der Unternehmenskultur sehr positiv überrascht. Ich beschreibe die Atmosphäre bei eBay Deutschland gerne mit dem Dreiklang "smart - driven - kind": Viele Leute sind bei eBay schon wahnsinnig lange dabei und haben trotzdem noch immer großen Hunger, etwas zu verändern. Was das Geschäft betrifft, war vieles von meinem Vorgänger Oliver Klinck schon sehr gut aufgestellt. Mit der Anfang 2023 eingeführten Aufhebung der Gebühren für private Verkäufer wurde eine wichtige Weiche gestellt. Darauf kann ich nun weiter aufbauen.

Im Wettbewerb mit dem langjährigen Rivalen Amazon, aber auch mit neu auf den Markt drängenden asiatischen Plattformen wie Temu könnte eBay neue Impulse gut brauchen. Was sind die strategischen Schwerpunkte, die für dich im Mittelpunkt stehen?

Saskia Meier-Andrae: Für mich sind vor allem drei Themen entscheidend. Das eine sind die privaten Verkäufe. Die Aufhebung der Gebühren im vergangenen Jahr hat das Gesamtgeschäft deutlich gestärkt. Das wollen wir weiterführen, denn für eBay ist dieser Bereich Kern der DNA. Als zweites wollen wir unser Recommerce-Geschäft ausbauen, das ebenfalls von Anfang an immer ein wesentlicher Bestandteil von eBay gewesen ist. Mit der Größe und der Breite unseres Angebots an gebrauchten und Refurbished-Artikeln haben wir nicht nur eine Alleinstellung im Recommerce-Bereich, sondern wir können uns damit auch massiv von anderen Plattformen und Fast-Commerce-Anbietern differenzieren. Und schließlich wollen wir weiterhin ein starker Partner des Handels bleiben. Bei eBay gibt es ein einzigartig breites Netzwerk, das von den ganz großen Händlern und Brands bis zum Longtail mit vielen Anbietern aus dem stationären Handel reicht. Für die Kunden bedeutet das, dass es bei eBay eben nicht die gleichen Artikel aus China gibt wie bei vielen anderen Plattformen. Das wollen wir weiter stärken, indem wir unseren Verkäufern noch bessere Prozesse, generative KI-Anwendungen und viele leistungsfähige Tools an die Hand geben, die das Verkaufen auf eBay noch leichter machen.

Amazon reagiert auf die steigende Konkurrenz durch Temu, indem es selbst billige Direktimporte aus China ermöglicht und damit das Geschäftsmodell des Wettbewerbers kopiert. Wie nimmt man bei eBay den Temu-Effekt wahr? Gibt es auch bei euch Pläne, das China-Geschäft auszubauen?

Saskia Meier-Andrae: Wir sehen im Lowprice-Segment einen gewissen Effekt durch die neuen Wettbewerber aus Asien - stärker aber noch im Hinblick auf die Entwicklung der Marketing-Budgets. Was unsere Strategie betrifft, schauen wir allerdings wenig auf Temu und Co., denn das, was sie bedienen, ist und war nicht unser Fokus-Segment. 40 Prozent unseres Geschäfts liegen im Recommerce, wir sind stark bei Sammlern und einzigartigen Artikeln. Das Ziel von eBay ist es, den Kunden die beste Option zwischen Preis, Qualität und Nachhaltigkeit zu bieten. Damit sehen wir uns auch gegenüber den neuen Wettbewerbern gut aufgestellt und das wollen wir künftig unseren Kunden noch deutlicher kommunizieren.

Unter anderem mit dem breiten Refurbished- und Gebrauchtwarenangebot im "Re-Store" unterscheidet sich eBay von Wettbewerbern wie Amazon und Temu
Unter anderem mit dem breiten Refurbished- und Gebrauchtwarenangebot im "Re-Store" unterscheidet sich eBay von Wettbewerbern wie Amazon und Temu
Foto: eBay

"Wir wollen vermehrt jüngere Zielgruppen ansprechen"

Ein erklärter Fokus von eBay ist seit vielen Jahren neben dem Privatkundengeschäft und dem Handel mit gebrauchten Artikeln das Angebot von Neuware durch professionelle Händler und Brands. Hier hat sich die Dynamik zunehmend in Richtung von Amazon verschoben. Was kann eBay tun, um seine Attraktivität für Onlinehändler und D2C-Brands zu steigern?

Saskia Meier-Andrae: Ich denke, aus Sicht von Händlern und Brands ist vor allem der Return on Invest wichtig, der sich auf einer Plattform erzielen lässt. Hier sind wir schon ein attraktiver Partner und investieren weiter, um unsere Effizienz noch mehr zu stärken. Das betrifft zum einen die operativen Stellschrauben. Mit Initiativen wie dem weiteren Ausbau unserer Schnittstellen und dem Einsatz von generativer KI bei der Erstellung von Angeboten machen wir es noch einfacher und effizienter, auf eBay zu verkaufen. Außerdem sind wir gerade dabei, Marketing-Budget in die Hand zu nehmen, um die Awareness der Konsumenten für eBay weiter zu steigern. Fast jeder kennt unsere Marke, aber bei einigen Bestandskunden hat mit der Zeit das Engagement auf eBay nachgelassen. Das wollen wir mit einer neuen Kampagne ändern, mit der wir uns anders präsentieren als zuvor und auch vermehrt jüngere Zielgruppen ansprechen wollen. Und schließlich tragen auch die kostenlosen Privatverkäufe dazu bei, die Dynamik bei eBay wieder zu erhöhen. Wir sehen sehr starke Signale, dass private Verkäufer auch mehr auf eBay kaufen. Und seit der Aufhebung der Gebühren für C2C-Transaktionen ist die Anzahl neuer Verkäufer um 22 Prozent gestiegen und der Neukunden-Uplift um 80 Prozent.

Betrachten wir das Thema Recommerce noch einmal genauer: eBay ist in dem Bereich tatsächlich ein Pionier. In den letzten Jahren sind aber zum Beispiel im Elektronik- und im Fashion-Bereich spezialisierte Refurbished- und Preloved-Mode-Plattformen immer stärker in den Fokus der Konsumenten geraten. Was kann eBay tun, um sich im Wettbewerb mit diesen Spezialanbietern zu behaupten?

Saskia Meier-Andrae: Gerade im Recommerce haben die Kunden den Anspruch auf eine möglichst gute Kauferfahrung. Und ich denke, dass eBay das bietet. Wir bieten ein hohes Vertrauens- und Sicherheits-Level, wir haben transparente Grading-Kategorien geschaffen und wir bieten in einer Reihe von Produktsegmenten Zertifizierungs- und Identifizierungsverfahren an, die Kunden vor Fälschungen und Enttäuschungen schützen. Das ist natürlich schwieriger umzusetzen, wenn man nicht nur in einer Warenkategorie unterwegs ist. Aber wir haben sehr große Tech-Teams, die wissen, wie man das richtig macht und ein schönes Einkaufserlebnis schafft. Auch hier wollen wir künftig noch mehr Awareness schaffen, damit die Kunden wissen, dass eBay in allen Bereichen eine attraktive Alternative zu den Spezialanbietern darstellt.

Dennoch ist es für Plattformen wie Refurbed oder Vinted ein Vorteil, dass sie mit ihrer Fokussierung eine stark auf das jeweilige Segment maßgeschneiderte Kundenerfahrung ermöglichen. Würde es sich für eBay nicht anbieten, zum Beispiel mit Apps für einzelne Sortimentsteilbereiche einen ähnlichen Effekt zu erzielen?

Saskia Meier-Andrae: Grundsätzlich bin ich ein großer Fan davon, alles auf einer Seite zu haben, so dass die Kunden die Breite unseres Angebots sehen und in einem und nicht mehreren Ökosystemen unterwegs sind. Es ist ja trotzdem möglich, in den einzelnen Kategorien auf die jeweiligen Bedürfnisse einzugehen, also zum Beispiel in Bereichen, wo es mehr um Inspiration geht, mehr browsable zu sein oder in Segmenten, wo die Spezifikationen der Produkte sehr wichtig sind, die Filtermöglichkeiten in den Mittelpunkt zu rücken. Das machen wir schon heute und wollen das künftig noch besser schaffen.

Als ein Alleinstellugsmerkmal von eBay sieht die neue Deutschland-Chefin die breite Verwurzelung der Online-Plattform bei den Händlern, die eBay auch dieses Jahr wieder mit einer bundesweiten Roadshow stärkt
Als ein Alleinstellugsmerkmal von eBay sieht die neue Deutschland-Chefin die breite Verwurzelung der Online-Plattform bei den Händlern, die eBay auch dieses Jahr wieder mit einer bundesweiten Roadshow stärkt
Foto: Patricia Kalisch

"Mein Blick ist stark auf die Customer Experience fokussiert"

Ein Aspekt, über den wir noch gar nicht gesprochen haben, ist das vor einem Jahr eingeführte "eBay Local", mit dem lokale Angebote und Click & Collect-Services gestärkt werden sollten. Wie weit ist eBay in der Umsetzung dieser Initiative?

Saskia Meier-Andrae: Bereits umgesetzt haben wir, dass die Abholung vor Ort bei Privatkunden als Standard voreingestellt ist und auch die Darstellung von Suchtreffern in einer Kartenansicht ist schon seit einiger Zeit möglich. Mit einer QR-basierten Lösung haben wir die Transaktionssicherheit für Käufer und Verkäufer erhöht. In den nächsten Monaten wollen wir dieses Map-Feature nun mit einer echten Best-in-class-Funktionalität ausstatten. Außerdem werden wir dafür sorgen, dass Kunden bereits bei der Suche besser sehen, bei welchen Angeboten die lokale Abholung möglich ist Schon jetzt sehen wir, dass die Abholung vor Ort von Kunden sehr stark genutzt wird - bei unserem Ticket-Shop für die Fußball-Europameisterschaft ging das zum Beispiel richtig durch die Decke.

Das Thema Ticket-Verkäufe ist ein gutes Beispiel dafür, wie eBay nach der Abspaltung von Kleinanzeigen nun wieder Terrain im C2C-Bereich zurückerobert. Sind neben der Streichung der Angebotsgebühren hier noch weitere Maßnahmen geplant?

Saskia Meier-Andrae: Ja, die Einführung der Gratisverkäufe war nur der erste Schritt. Jetzt geht es uns darum, das Verkaufen für Privatkunden noch einfacher und effektiver zu machen. Wir verringern mit unseren Simple Listings die Dauer, Artikel bei eBay einzustellen und sorgen gleichzeitig dafür, dass der Erfolg beim Verkaufen erhöht wird. Und wir sorgen dafür, dass die Kunden ihr Geld schnell bekommen. Dabei müssen wir den Vergleich mit Kleinanzeigen nicht scheuen: Während die Nutzer dort nun für die Transaktionssicherheit bezahlen müssen, ist das bei eBay gratis.

Man sieht, du hast dich in den ersten Monaten bei eBay schon sehr gut in das Geschäft eingearbeitet. Ist es dir trotzdem gelungen, den Vorteil eines Blicks von außen zu bewahren? Du wurdest ja als erste Managerin direkt von einem anderen E-Commerce-Unternehmen an die Spitze von eBay Deutschland bestellt...

Saskia Meier-Andrae: Ich habe erlebt, dass sich viele Kollegen freuen, dass ich eine "externe Brille" in meine Position bei eBay mitgebracht habe. Das ist überhaupt etwas, was eBay aus meiner Sicht extrem auszeichnet: Die Menschen hier sind hoch kollaborativ, sie sind bereit, viel auszuprobieren, agil zu arbeiten und auch mal ins Risiko zu gehen. Was meine Erfahrungen aus der Zeit bei Wayfair betrifft, gibt es zum einen viele Parallelen zu eBay - beide betreiben ein Marktplatzgeschäft, arbeiten viel mit Skalierung und auch bei eBay nimmt der Home & Living Bereich eine wichtige Rolle ein. Was ich mitgebracht habe, ist ein stark auf die Customer Experience fokussierter Blick - auch wenn das bei eBay mit der Breite des Angebots und der Verknüpfung von B2C- und C2C-Handel natürlich etwas schwerer umzusetzen ist.

Du bist auch die erste Frau in der Position des General Manager von eBay Germany - inwiefern spielt das für dich in deiner Arbeit eine Rolle?

Saskia Meier-Andrae: Das Geschäft von eBay ist so breit aufgestellt, dass Fragen wie das Geschlecht oder die Herkunft im Prinzip keine Rolle spielen. Wir wollen für alle da sein! Und was die Stellung von Mann und Frau betrifft, ist eBay hier ohnehin schon sehr weit. Bei uns ist es zum Beispiel seit langem üblich, das Männer genauso Elternzeit nehmen und aktuell werden sogar alle großen Märkte von Frauen geleitet. Mir geht es vor allem um das "Leading by example": Ich möchte, dass die Leute sehen, dass da jemand ist, die supertief im Job ist, ihre Arbeit gut macht und gleichzeitig ein guter Elternteil für ihre Kinder ist. Ich würde mich freuen, wenn ich mit meinem Beispiel beitragen kann zu zeigen, dass das gut geht.

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