Das Service-Strategie-Puzzle

Bausteine einer funktionierenden Service-Organisation



Martin Beims ist Gründer und Geschäftsführer der aretas GmbH und des Online Magazins "Der Servicekompass". Bis zur Unternehmensgründung im Jahr 2010 war er in Beratungsunternehmen für Service Management als Manager, Berater, Trainer und Coach tätig. Martin Beims ist Autor des Buchs "IT Service Management in der Praxis mit ITIL" und Mitautor weiterer Fachbücher rund um das Thema Service Management.
Wer mit Service erfolgreich sein will, braucht eine passende Service Strategie. So wird die Service-Organisation fit für den Markt und der Service attraktiv für die Kunden

Es klingt einleuchtend: Wer guten Service leisten will, der muss zunächst gut überlegen, was dazu notwendig ist. Trotzdem gibt es nur wenige Begriffe im Umfeld des Service Management, die derartig unterschiedlich interpretiert werden. Als Ergebnis wird in vielen Unternehmen die Service-Strategie nur zögerlich bis diffus in der Praxis umgesetzt - wenn überhaupt.

Warum tun wir uns so schwer mit diesem Thema? In vielen Lebenssituationen machen wir das doch ganz automatisch. Und zwar von klein auf. Wenn Kinder im Supermarkt das Eis unbedingt wollen, entwickeln sie erstaunliche Strategien, dieses Ziel zu erreichen. Wenn junge Menschen die Schule beendet haben, dann haben sie oft ein recht klares Bild der Zukunft vor Augen. Sie sehen sich als Arzt, als Bäcker oder als Leistungssportler. Sie malen sich den Weg dorthin aus und überlegen, wie sie ihr Ziel am besten, am schnellsten oder auch nur am bequemsten erreichen können. Und sie arbeiten mehr oder weniger intensiv darauf hin - sie haben eine Strategie.

Strategie ist nicht gleich Strategie

Eine Service-Strategie ergänzt die klassische IT-Strategie, die sich mit Themen wie Organisation, Architektur und Technologie befasst. Beide müssen sich natürlich in die Unternehmensstrategie einfügen und zu deren Verwirklichung beitragen. Vielleicht liegt es an dem gemeinsamen Begriff der Strategie oder einfach an fehlenden Ideen: Häufig werden diese Themen vermischt und dabei der eigentliche Zweck einer fokussierten Service-Strategie aus den Augen verloren. Ein Blick auf das Service-Strategie-Puzzle hilft, die Gedanken zu ordnen.

Das Service-Strategie-Puzzle
Das Service-Strategie-Puzzle
Foto: aretas

Das Serviceverständnis

Am Anfang der Definition einer Service-Strategie steht die Beantwortung folgender Fragen:

  • Was ist für uns eigentlich Service?

  • Verstehen wir unsere komplette Leistung als Service mit verschiedenen Bestandteilen, wie Hardware, Software und Dienstleistung?

  • Oder ist der Service eine Ergänzung zu unserem Produkt, wie der Betrieb einer bereitgestellten Software?

  • Besteht Service in unserer Strategie vielleicht ausschließlich aus Support und Ersatzteillieferung?

Es gibt bei diesen Fragen keine richtigen oder falschen Antworten. Und auch keine einfachen, denn die fortschreitende Digitalisierung lässt die Grenzen zwischen Produkt und Service unschärfer werden. Die Entscheidung muss jedoch zum Start der Strategiedefinition getroffen werden, denn die Antwort beeinflusst die Gestaltung der Service-Strategie erheblich.

Sourcing-Strategie

Bei der Sourcing-Strategie geht es darum, was in der klassischen Produktion als Fertigungstiefe bezeichnet wird. Hier stellen sich folgende Fragen:

  • Sehen wir Service als Kernaufgabe unseres Geschäfts, die wir weitestgehend mit unseren eigenen Ressourcen erbringen wollen?

  • Oder konzentrieren wir uns ganz auf die Produktion unserer Kernleistung und lassen Service von externen Dienstleistern erbringen?

  • Passt zu uns eher eine Mischung aus Beidem?

  • Können wir Produkt und Service überhaupt trennen, oder müssen wir diese Kategorien in Zeiten zunehmend automatisierter Services überdenken?

  • Soll es in unserem Portfolio noch "anfassbare" Produkte im herkömmlichen Sinne geben oder wird der Service an sich unser Produkt sein?

Diese Entscheidungen haben besonders für interne IT-Serviceprovider oft große Einschnitte für die benötigten Fähigkeiten und Ressourcen zur Folge. Statt des klassischen Fachwissens, um IT-Service zu leisten, werden mehr und mehr Fähigkeiten benötigt, Innovationen zu entwickeln oder Provider zu steuern, die fachliche Tätigkeiten übernehmen.

In diesem Themenfeld nehmen die Digitalisierung der Geschäftsprozesse und die globale Vernetzung einen wachsenden Einfluss. Große Umbrüche werden nicht nur im Bereich der Technologie, sondern auch in der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle stattfinden. Das kann dazu führen, dass eine Mischform aus eigenen Leistungen und Fremdleistungen selbst dann notwendig wird, wenn Service intern erbracht werden soll. Zugekaufte Cloud-Speicher oder Kommunikationslösungen sind nur zwei einfache Beispiele dafür. Zu einer guten Service-Strategie gehört auch eine passende Sourcing-Strategie.

Ressourcen und Fähigkeiten

Ist die Sourcing-Strategie festgelegt, ergibt sich die Frage nach den benötigten Ressourcen und Fähigkeiten. Die Überlegungen zum Sourcing und zu den benötigten Mitteln haben naturgemäß erheblichen Einfluss aufeinander. Sie sollten daher sowohl bei der Definition als auch bei der Umsetzung gemeinsam betrachtet werden.

Zu den Fähigkeiten und Ressourcen gehören Prozesse und Organisation, benötigte Infrastruktur und Applikationen genauso wie die Mitarbeiter, deren Wissen und die verfügbaren finanziellen Mittel. Eine gute Planung hilft, diese Fähigkeiten und Ressourcen, ausgehend vom Status quo zu entwickeln. Bei der Bewertung helfen die folgenden Betrachtungsebenen.

Betrachtungsebenen

Vorhandene Services

Was funktioniert bereits heute gut?

Wo liegen aktuelle Schwächen

Wie ist der Umgang mit Ausnahmen geregelt?

Menschen

Verfügen alle Beteiligten über die richtigen Fähigkeiten?

Wie sind die Beteiligten in ihrer jeweiligen Rolle motiviert?

Gibt es bereits eine gelebte Servicekultur?

Kundenbeziehung

Sind die Kundenanforderungen bekannt?

Ist die Wahrnehmung des Service durch den Kunden bekannt?

Wie gut ist der Kontakt zu den Kunden?

Wirtschaftlichkeit

Sind die Servicekosten bekannt?

Werden die Servicepreise akzeptiert?

Ist der Service profitabel?

Zu einer guten Service-Strategie gehört auch die Überlegung, wie die verschiedenen Bereiche im Unternehmen am besten zusammenarbeiten können. Welche Methoden und Werkzeuge passen zu uns und helfen bei der Gestaltung der Organisation und der Abläufe. Die Anforderungen an Service-Anbieter werden auch in diesem Feld immer komplexer, denn Kunden erwarten immer kürzere Bereitstellungszeiten für neue Services oder Anpassungen. Gleichzeitig soll die Zuverlässigkeit nach Möglichkeit nicht beeinträchtigt werden.

Besonders im IT Service Management (ITSM) wird an dieser Stelle die Verbindung agiler Methoden mit dem klassischen ITSM diskutiert - Stichwort DevOps. Behalten Sie bei diesen Überlegungen immer die Bedürfnisse Ihres Unternehmens im Blick. Weil ein Schlagwort gerade "in" ist, heißt das nicht, dass es auch für Sie relevant ist. Es kann - muss aber nicht.

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