Deutschland galt einmal als Servicewüste. Das ist lange her. Mittlerweile hat sich die Situation geändert. Kundenorientierung wird groß geschrieben, der Kunde und seine Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt und ein optimiertes Kundenerlebnis gehört zur DNA eines jeden Unternehmens.
So sieht jedenfalls das Bild aus, das die Marketingexperten landauf landab von ihrem eigenen Tun haben. Die Kunden, die angeblich überall im Mittelpunkt stehen, sehen das allerdings etwas anders. Sie merken meist nur wenig von Kundenorientierung und ihre konkreten Erlebnisse mit den Serviceleistungen der Unternehmen sind unterm Strich eher zweifelhafter Natur. Der Eindruck, alles würde sich um die Kunden drehen, kommt jenseits der Selbstdarstellung der Unternehmen nur selten auf - eine seltsame Diskrepanz in der Einschätzung, ausgerechnet da, wo man sich die bessere Berücksichtigung der Kundenwünsche auf die Fahnen geschrieben hat.
Vielleicht hätten die Unternehmen und ihre Marketingexperten einfach mal nachfragen sollen - zur Abwechslung nicht bei Markbeobachtern und Analysten, sondern bei den Kunden selbst.
Was die Kunden von Kundenorientierung halten
Pegasystems hat genau das gemacht und im Oktober 2015 im Rahmen einer Online-Panel-Befragung 1.514 Konsumenten in Deutschland zu den Erfahrungen mit dem Kundenservice von Unternehmen befragt. Die Ergebnisse der Umfrage sind in Hinblick auf Kundenorientierung und -service bemerkenswert.
So waren 60 Prozent der Befragten innerhalb des letzten Jahres mit der Leistung eines Unternehmens unzufrieden und haben deswegen Kontakt zu einem Kundenservice aufgenommen; nur ein Drittel war definitiv nicht unzufrieden (7% "weiß nicht"). 60 Prozent innerhalb nur eines Jahres - das ist eine Zahl, die man sich im Marketing ruhig mal einrahmen und aufhängen sollte.
Von diesen 60 Prozent waren wiederum nur 35 Prozent auf einer Skala von 1 bis 6 mit dem Ergebnis ihrer Beschwerden zufrieden oder sogar sehr zufrieden; demgegenüber waren 27 Prozent unzufrieden oder sehr unzufrieden. Auch diese Zahlen sind alles andere als ein Ruhmesblatt.
Wenn Kunden sich nicht beschweren, so heißt das keineswegs, dass sie mit dem Service zufrieden sind. Die Studie hat hier genau nachgefragt: Nur 56 Prozent derjenigen, die keinen Kontakt zu einem Kundenservice aufgenommen hatten - das entspricht 18 Prozent aller Befragten -, sahen auch tatsächlich keine Veranlassung für eine Beschwerde, sie waren also wirklich zufrieden.
Die übrigen verzichten trotz Unzufriedenheit auf eine Beschwerde. So fürchteten 20 Prozent, lediglich in einer Warteschleife hängenzubleiben, 10 Prozent erwarten, mit einer Standardantwort abgefertigt zu werden, 9 Prozent erwarten keine Verbesserung und für 15 Prozent war eine Beschwerde den damit verbunden zeitlichen und finanziellen Aufwand nicht wert (Mehrfachantworten möglich). Aus dieser Zahl kann man natürlich schließen, dass es dann nicht so schlimm gewesen sein kann - "Zufriedenheit" wird aber schon ein wenig anders definiert.
Geringe Erwartungen an Social Media
Diejenigen Befragten, die sich im Lauf des letzten Jahre beschwert hatten, nutzen dafür vor allem das Telefon: 44 Prozent nahmen über diesen Kanal Kontakt mit Unternehmen auf. Auch E-Mail steht weiterhin hoch im Kurs, 28 Prozent nutzten diese Kommunikationsform.
Mit den diversen Kanälen haben die Kunden unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Die besten Noten erhält der persönliche Kontakt. Damit sind 58 Prozent auf einer Skala von 1 bis 6 zufrieden oder sehr zufrieden. Weniger gut sind die Erfahrungen mit Call-Centern, mit denen nur 24 Prozent der Befragten zufrieden sind. Auch die sozialen Medien bleiben hier schwach: nur etwa 30 Prozent sind damit zufrieden.
Demgegenüber kommt ein vergleichsweise "konservativer" Kanal wie das E-Mail auf immerhin 51 Prozent und sogar der gute alte Brief erreicht 40 Prozent. Gut schneidet mit 42 Prozent zufriedenen oder sehr zufriedenen Kunden außerdem der Online-Chat auf der Webseite ab.
- Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Individual-Software ist im Handel traditionell verbreitet und auch für Multichannel bevorzugt. - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
In Mobile Commerce wird besonders häufig investiert. - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Bei der Preisgestaltung über die verschiedenen Kanäle sind sich die Vergleichsgruppen uneinig - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Die Planungen zur Sortimentsauswahl in den Kanälen sind sehr unterschiedlich - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Auch Fachbereiche wollen die IT bereits in der Strategieentwicklung einbeziehen. - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Organisatorische Strukturen sind größere Hemmnisse als die Technologie. - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Umsatzanteile im deutschen Einzelhandel - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Die Dauer des Wettbewerbsvorteils wird sehr unterschiedlich eingeschätzt. - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Einzelhandel sieht Multichannel eindeutig als Chance - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Den einen Vorreiter in Sachen Multichannel gibt es (noch) nicht^. - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Vor allem in der Elektronik- und Fashion-Branche wird Multichannel-Fähigkeit entscheidend sein - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Mobile Commerce ist der stärkste Veränderungstreiber für den Einzelhandel. - Lünendonk-Trendstudie 2015 "Einzelhandel in der Multichannel-Zeitfalle"
Bedeutung von Multichannel für Elektronik und Fashion am höchsten (Branchenauswertung).
Die Rolle der sozialen Medien wird von den Kunden offenbar anders eingeschätzt als von den Unternehmen. Das zeigt sich auch daran, dass 67 Prozent der Befragten diesen Kanal überhaupt noch nie für die Kontaktaufnahme mit Unternehmen genutzt hat. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass die Befragten dieser Online-(!) Umfrage erheblich mehr Affinität zu allen digitalen Kanälen aufweisen als die Gesamtheit der Kunden.
Es kann nun nicht mehr erstaunen, dass die sich die Befragten den besten Service vom telefonischen Kontakt (51 Prozent), vom persönlichen Gespräch vor Ort (38 Prozent) und vom E-Mail (33 Prozent) versprechen. Die von vielen Unternehmen, nicht zuletzt aus Kostengründen, favorisierten Kommunikationswege Online-Kontaktformular und Social Media werden von den Kunden generell weniger geschätzt: nur für 13 beziehungsweise 4 Prozent ist das der bevorzugte Kommunikationskanal. Sogar der Postbrief und das Online-Kontaktformular schneiden hier mit 17 beziehungsweise 13 Prozent besser ab (Mehrfachantworten möglich).
Die Kriterien, nach denen Kunden den Service von Unternehmen beurteilen, sind kein Geheimnis: 51 Prozent nennen hier lange Wartezeiten, 41 Prozent bemängeln, dass es lange dauert, bis man zum richtigen Ansprechpartner kommt, 40 Prozent beklagen das Wanninger-Syndrom, dass man sein Anliegen mehrfach vorbringen muss, 32 Prozent nennen die unzureichende Fachkenntnis der Ansprechpartner und 24 Prozent meinen, dass der Service die Kunden herablassen behandelt (Mehrfachantworten möglilch).
Dagegen spielt das Thema Multichannel, das Unternehmen in letzter Zeit wieder und wieder diskutiert haben, für die Kunden offenbar nur eine Nebenrolle. Lediglich für 9 Prozent der Befragen sind zu wenige unterschiedliche Kontaktwege ein Kriterium für schlechten Service.
Die Steppe und ihre Konsequenzen
Die Resultate der Umfrage schlagen sich auch in einem ernüchternden Gesamturteil nieder. Trotz angeblicher Kundenorientierung und trotz aller Investition in den Kundenservice sind nur 26 Prozent der Befragten der Ansicht, dass sich der Kundenservice in den letzten Jahren verbessert hat; 27 Prozent meinten sogar, er habe sich verschlechtert. Das sollte den Unternehmen zu denken geben. Trotz aller Anstrengungen rund um das Thema Kundenorientierung ist aus der "Servicewüste" also bestenfalls eine Service-Steppe geworden.
Nicht zuletzt, weil die Befragten in der Studie auch die Konsequenzen von schlechtem Kundenservice deutlich gemacht haben: 64 Prozent erzählen ihren Freunden, Angehörigen und Kollegen davon und 54 Prozent beschweren sich. Dagegen benutzen nur 9 Prozent Soziale Medien wie Twitter oder Facebook für ihre Beschwerden.
Wichtig aber ist diese Zahl: 53% der Befragten sehen sich, wenn sie mit schlechtem Kundenservice konfrontiert werden, nach einem alternativen Anbieter um.
Unternehmen müssen also damit rechnen von ihren unzufriedenen Kunden abgestraft zu werden. Angesichts enger Märkte und eines zunehmenden Konkurrenzdrucks ist das eine fatale Situation, und man kann sich nur wundern, dass Unternehmen diesem Thema nicht viel mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. CRM kann da nur ein Teil der Antwort sein; jenseits technischer Lösung steht offenbar immer noch ein Kulturwandel aus. (bw)