Arbeit und Arbeitszeiten werden immer flexibler. Dabei verwischen auch die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben zunehmend. Deswegen wird eine gute wie korrekte Zeiterfassung immer wichtiger. Das gilt gerade in der Coronakrise, in der viele Unternehmen ihre Mitarbeiter überraschend ins Homeoffice schicken mussten. Selbst nach der Krise haben sich Arbeitgeber wie Bayer, Commerzbank, Siemens oder Sixt dafür entschieden, am Homeoffice festzuhalten. Aber wer passt dort auf die korrekte Arbeitszeit auf und wie kann sie am besten erfasst werden?
"Die Gestaltung der Arbeitszeit hat großen Einfluss auf Wohlbefinden, Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit. Sie greift tief in das soziale Leben der Beschäftigten ein, bestimmt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, entscheidet mit darüber, ob Freizeit sinnvoll genutzt werden kann oder nicht“, erklärt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die sinnvolle Einteilung der Arbeitszeiten.
In diesem Kontext verweist die Dortmunder Bundesbehörde auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu Zeiten der industriellen Revolution, aber auch auf das bestehende Karoshi-Phänomen in Japan, den Tod durch Überarbeiten. Fälle wie der mutmaßliche Erschöpfungs-Tod eines deutschen Investmentbanking-Praktikanten in London oder der traurige Trend zu zeitlich und gesundheitlich aus dem Ruder laufenden IT-Projekten sind mahnende Beispiele.
Elektronische Arbeitszeiterfassung wird in Deutschland Pflicht
Das Bundesarbeitsministerium will das Arbeitszeitgesetz reformieren, nachdem 2022 ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Wirtschaft aufgerüttelt hat. Nach Ansicht des Gerichts genügt es künftig nicht mehr, nur die Überstunden aufzuzeichnen. Stattdessen sollten auch die normalen Arbeitszeiten erfasst werden. Laut einem durchgesickerten Entwurf des Arbeitsministeriums sollen in Zukunft der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung wichtige Kennzahlen zu Beginn, Ende und Dauer der geleisteten Arbeit elektronisch aufzeichnen. Eine spätere Zusammenfassung etwa am Ende des Monats wird dann aller Voraussicht nach nicht mehr möglich sein.
Anbieter von Software zur Arbeitszeiterfassung wittern daher derzeit Morgenluft. Wir beschrieben nicht nur, welche Arbeitszeitmodelle es gibt, sondern geben auch einen Überblick über Lösungen, die zur elektronischen Arbeitszeiterfassung geeignet sind. Insbesondere der Mittelstand hinke der aktuellen Entwicklung noch hinterher, ist Markus Steinberger, Geschäftsführer beim Zeiterfassungsspezialisten Tisoware, überzeugt. "Viele kleinere und mittelgroße Betriebe sind noch meilenweit von einer rechtskonformen – also elektronischen – Arbeitszeiterfassung entfernt“, so Steinberger.
Welche Arbeitszeitmodelle es gibt
Auf der anderen Seite müsse die Arbeitszeitgestaltung selbstverständlich auch und insbesondere den betrieblichen Erfordernissen der Unternehmen gerecht werden wie etwa optimale Maschinenlaufzeiten, Termintreue, Kundenservice und Qualitätssicherung, so die BAuA. Diese Vorgehensweise diene allen Interessen und sei eine Quadratur des Kreises, die „sich in der Praxis als zwar nicht ganz einfaches, aber dennoch lösbares Problem darstellt“.
Die Bundesbehörde spricht hier die immer populärer werdenden flexiblen Arbeitszeitmodelle an. So gibt es unzählige, auf die jeweilige Situation von Unternehmen und Arbeitnehmern zugeschnittene Lösungen wie Gleitzeit, Funktionszeit, Wahlarbeitszeit, Vertrauensarbeitszeit, Jahresarbeitszeit, Job-Sharing, Telearbeit und weitere Varianten mit Bereitschaftsdiensten.
Wie diese Konzepte zu handhaben sind und welche öffentlichen Institutionen wie auch privaten Beratungsstellen weiterhelfen, zeigt auch die PDF-Broschüre „Flexible Arbeitszeitmodelle“ des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa). Diese Institution für den Mittelstand wird vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) betrieben und vom Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) gefördert.
Ausnahmen bilden leitende Angestellte. So unterliegen beispielsweise angestellte Geschäftsführer mit Prokura nicht dem Arbeitszeitgesetz. Trotz bestehender Fürsorgepflicht des Unternehmens und staatlicher Aufsicht können diese so viel arbeiten, wie sie wollen und das auch ohne die sonst übliche Dokumentation.
Einführung neuer Arbeitszeitmodelle
In ihrer Broschüre warnt das Kofa davor, einfach ein standardisiertes Arbeitszeitmodell überzustülpen. Das sei meist wenig passgenau und auch nicht zielführend. Besser sei es, den Bedarf des Unternehmens und der Mitarbeiter genau zu analysieren, um auf dieser Basis ein geeignetes Modell zu entwickeln. Mit der Einführung ist es aber nicht getan. Regelmäßiges Überprüfen und Weiterentwickeln ist essentiell für einen langfristigen Erfolg, schreibt das Kompetenzzentrum in seiner Untersuchung.
Darüber hinaus gehen die Autoren auch auf Kennzahlen und mögliche Mitarbeiterbefragungen ein, mit denen sich der Erfolg eines Arbeitzeitmodells messen lasse. So sollen Unternehmen ein Gefühl dafür erhalten, welche Maßnahmen gut funktionieren und bei welchen sie nachsteuern müssen.
Gesetzliche Dokumentationspflichten
Als Basis für die Arbeitszeitmodelle dient das besagte Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das die Grenzen für die Länge der Arbeitszeit reguliert. Es begrenzt die erlaubten Arbeitszeiten pro Tag, Woche, Monat und Jahr und regelt den Ausgleich beim Überschreiten. Wie der letzte Arbeitszeitreport der BAuA zeigt, liegen die Arbeitszeiten von Vollbeschäftigten regelmäßig über den vertraglichen Regelungen der Tarifpartner. Dagegen würde gerne ein Drittel der befragten Teilzeitbeschäftigten mehr arbeiten.
Im Schnitt arbeiten abhängig Beschäftigte nach Angaben der Bundesanstalt durchschnittlich 43,5 Stunden in der Woche. Das seien fast fünf Stunden länger als im Durchschnitt vertraglich vereinbart (38,6 Stunden pro Woche). Längere Arbeitszeiten und Überstunden gingen jedoch häufig mit Termin- oder Leistungsdruck, einer Überforderung durch die Arbeitsmenge sowie dem Ausfallen von Arbeitspausen einher. Mit zunehmender Länge der Arbeitszeit sinke auch der Anteil der Beschäftigten, die mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden sind. Gleichzeitig nehme der Anteil der Menschen zu, die über gesundheitliche Beschwerden durch ihre Arbeit klagen.
Deswegen muss auf eine sauber dokumentierte Arbeitszeit geachtet werden. Auch dieses ist teilweise vom Gesetzgeber geregelt. Seit mehreren Jahren sind Arbeitgeber zum Beispiel im Rahmen des Mindestlohngesetzes (Milog) verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen. Auch für Mini-Jobber, also geringfügig Beschäftigte, gilt die Dokumentationspflicht.
Steigende Arbeitszeit im Homeoffice
Dazu kommt in der aktuellen Situation, dass die BauA-Präsidentin Isabel Rothe in einem Interview mit dem Handelsblatt allen betroffenen Unternehmen empfiehlt, die Kernarbeitszeiten zu lockern und vermehrt auf Schichtpläne oder Arbeitszeitkorridore zu setzen. Im Schichtbetrieb müsse aber darauf geachtet werden, dass möglichst immer die gleichen Kollegen zusammenarbeiten, um das Infektionsrisiko durch Sars-CoV-2 zu senken.
Eine Befragung des ZEW Mannheim vom vergangenen Jahr zeigt jedoch, dass nach der Pandemie ein durchschnittlicher Anteil von 24 Prozent der Arbeitszeit der Beschäftigten in der Informationswirtschaft von zu Hause aus geleistet wird. Vor der Pandemie lag dieser Anteil noch bei lediglich neun Prozent der gesamten Arbeitszeit. Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass es keinen Weg zurück zum vorherigenArbeitszeitmodell gibt. Die Arbeit im Homeoffice werde langfristig und überdurchschnittlich ansteigen.
Arbeitszeit korrekt berechnen
Es kommt daher immer wieder zu Fragen, wie sich aus einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit die monatliche oder tägliche Arbeitszeit errechnen lässt, die ein Arbeitnehmer leisten soll. Zum Errechnen der täglichen Arbeitszeit kann die Anzahl der Arbeitstage pro Woche wie einer Fünf- oder Sechs-Tage-Woche mit dem wöchentlich vereinbarten Zeitrahmen in einer einfachen Formel verglichen werden: Die Division der ersten mit der zweiten Information ergibt zum Beispiel bei 40 Arbeitsstunden über dem und fünf Tagen unterm Strich acht Stunden pro Tag.
Schwieriger wird es beim Ermitteln der monatlich zu erbringenden Arbeitszeit. Hierfür ist der so genannte Wochenfaktor nötig, der sich über diesen Näherungswert berechnen lässt: Aus dem Teilen der Wochen (überm Strich) und Monaten (unterm Strich) resultiert zum Beispiel bei 52 Wochen und zwölf Wochen ein Wert von 4,333 Wochen im Monat. Experten berechnen beim exakten Wochenwert auch die Schaltjahre im Zeitrahmen von 400 Jahren, so dass bei diesem Dividieren ein Wert von 4,348 herauskommt, der auf 4,35 aufgerundet wird. Diese Größe findet sich sowohl in verschiedenen Tarifverträgen als auch in der Lohnsteuerrichtlinie wieder.
Auf dieser Basis ist lediglich die wöchentliche Arbeitszeit mit dem Wochenfaktor zu multiplizieren, so dass sich bei einer 40-Stunden-Woche 174 Arbeitsstunden im Monat ergeben (müssen). Eine solche Formel ermöglicht auch das Berechnen der Arbeitstage, die bei fünf geleisteten Tagen in der Woche - mal dem Faktor 4,35 – genau 21,75 Tage pro Monat vorgibt.
Die richtigen Tools nutzen
Die obigen Rechnungsbeispiele stammen vom Internet-Blog der Online-Plattform shiftjuggler.com. Weitere Lösungen bieten Softwaresysteme wie Clockodo, Time&Bill, Timr, Timesheet Cloud oder TimeTac. Schließlich stellt eigentlich jeder Arbeitgeber im beiderseitigen Interesse technische Hilfsmittel bereit, mit denen die Arbeitszeiten registriert werden. Das Spektrum reicht insgesamt von der klassischen Stempeluhr über die webbasierte Zeiterfassung per Desktop-PC und mobilen Computern bis hin zu speziellen Tool-Anwendungen über die Cloud.
Die Nachweise der geleisteten Arbeitszeit müssen Arbeitgeber mindestens zwei Jahre aufbewahren und im Streitfall einem Betriebs- oder Personalrat jederzeit den Einblick in die Unterlagen gewähren. Falls Arbeitgeber diese partout nicht vorlegen wollen, können die Arbeitnehmervertreter dagegen rechtlich vorgehen. Uneinsichtige Arbeitgeber können dann sogar mit einer Strafzahlung vom Gericht belangt werden.
Arbeitszeiterfassung mit dem "timeBuzzer"
Aus der Erfahrung, dass viele Mitarbeiter das Thema Zeiterfassung als lästig empfinden, ist 2016 der „timeBuzzer" entstanden. Damals entwickelte Felix Bopp, einer der Mitgründer von timeBuzzer, eine Idee, um die Zeiterfassung zu erleichtern und gleichzeitig mit Spaß zu verbinden. Inspirierend dürfte dabei der aus dem Fernsehen bekannte „Buzzer“ gewesen sein, den ein Teilnehmer drücken darf, wenn er ein Rätsel lösen konnte.
Das Prinzip ist einfach: Jedes Mal, wenn ein Projekt oder ein Arbeitsschritt abgeschlossen werden kann, darf auf den neben der Tastatur stehenden Knopf gedrückt werden. Dieser leuchtet nicht nur in verschiedenen Farben, sondern hat auch eine Reihe weiterer Funktionen. So verfügt er über einen Näherungssensor, der automatisch die App auf dem Desktop öffnet, wenn sich die Hand des Benutzers nähert. Durch Drehen des Knopfes kann der Mitarbeiter dann das passende Projekt auswählen und durch Drücken starten oder später auch wieder beenden.
Der Buzzer kostet einmalig 89 Euro. Dazu kommen weitere Kosten für die Pro-Version, die bei 5 Euro pro Nutzer und Monat beginnen. Das Unternehmen bietet auch eine kostenlose Basic-Version an. Wer den Knopf nicht benötigt, kann die timeBuzzer-App auch ohne den Hardware-Buzzer nutzen.
Arbeitszeiterfassung mit Tisoware.Zeit
Tisoware.Zeit ist eine Software zur digitalen Zeiterfassung. Die Lösung kann stationär am Arbeitsrechner, mobil als Smartphone-App oder in der Cloud genutzt werden. Die erfassten Daten lassen sich in HR-, Lohn- und Gehaltssysteme integrieren. Außerdem lassen sich Auswertungen über zum Beispiel Mehrarbeitszeiten, Abwesenheiten, Kapazitätsbedarfe und Personalstatistiken erstellen.
Arbeitszeiterfassung mit Venabo.Zeit
Eine weitere Lösung zur Erfassung von Arbeitszeiten ist Venabo.Zeit. Sie ermöglicht die Aufzeichnung von Arbeitszeiten im Web-Browser, mit Smartphone-Apps (iOS und Android) oder am Computer beziehungsweise an einem Terminal. Arbeitszeitsaldo und Überstunden lassen sich auch mobil anzeigen. Es ist zudem möglich, Arbeitszeiten offline zu stempeln und später zu synchronisieren. Verschiedene Anträge und Krankheitsmeldungen lassen sich ebenfalls über daS Smartphone erledigen. Die Apps sind au0ßerdem in der Lage, selbst kurze Pausenzeiten zu erfassen.
Arbeitszeiterfassung im Homeoffice
Die Coronakrise hatte nicht nur auf die Gesundheit der Menschen große Auswirkungen, sondern auch auf ihre Arbeitswelt. Viele Mitarbeiter mussten ins Homeoffice geschickt werden und arbeiten dort auch teilweise immer noch. Die im Arbeitsvertrag festgelegten Regelungen für die Arbeitszeit gelten natürlich auch für die Tätigkeit im heimischen Office - außer es wurde etwas anderes vereinbart. Am heimischen Schreibtisch gibt es aber oft kaum Möglichkeiten, um die Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren und auch zu kontrollieren. Abhilfe kann ein digitales System zur Zeiterfassung bringen, das auf dem Rechner oder Smartphone des Mitarbeiters installiert wird. Aber auch diese Systeme sind nicht wasserdicht.
Unterschiedliche Ansichten gibt es zum Thema Kernarbeitszeit. Meist wird verlangt, dass die Mitarbeiter zu bestimmten Zeiten, an denen auch ihre Kollegen arbeiten, erreichbar sind. Sofern hier aber keine Regelungen getroffen wurden, kann im Prinzip zu jeder beliebigen Zeit gearbeitet werden, also etwa dann, wenn es am besten in den Ablauf zuhause passt.
Arbeitszeitbetrug
Es hat aber auch schon Fälle gegeben, in denen Arbeitnehmern ein konkreter Arbeitszeitbetrug nachgewiesen und außerordentlich gekündigt wurde. Ein solcher Verdacht betraf ausgerechnet einen Betriebsrat und seine im gleichen Unternehmen beschäftigte Ehefrau, die wohl private Autofahrten dienstlich registriert haben. Das Erledigen privater Wocheneinkäufe in Verbindung mit vorgeblichen Einkäufen für ein Büro oder eine Abteilung kann genauso eine beliebte Masche sein wie das private Internetsurfen oder Chatten.
Aber auch das bewusste Unterlassen der Zeiterfassung oder eine sonstige Manipulation des Zeiterfassungsverfahrens kann grundsätzlich disziplinarische und arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Folge haben. Im Fall eines unerlaubten Ausnutzens eines Gleitzeit-Systems erklärten die Richter des Bundesarbeitsgerichtes den sofortigen Rauswurf einer Unternehmensmitarbeiterin für rechtens. Im Zusammenhang mit der in diesem Fall schwer zu kontrollierenden Arbeitszeit monierten die Richter den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch durch die entlassene Mitarbeiterin.
Vor diesem Hintergrund kommt es also gleichermaßen für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber bei der Arbeitszeiterfassung auf rechtliche Grundkenntnisse, klare Regelungen, Ehrlichkeit und eine hilfreiche wie unbestechliche Dokumentationstechnik an.