Nachdem das Europageschäft von AO - sprich: die Expansion nach Deutschland und in die Niederlande - auch fünf Jahre nach dem Start noch tiefrote Zahlen schreibt, hatte der britische Haushaltsgerätespezialist für die Mitte seines Geschäftsjahres 2019/20 eine strategische Neuausrichtung angekündigt.
Bei der Präsentation der Halbjahreszahlen verkündete AO-Chef John Roberts nun eine drastische Konsequenz: Der Elektronikversender zieht sich in den nächsten Monaten aus den Niederlanden zurück und will sich künftig neben dem Heimatmarkt ausschließlich auf das Deutschlandgeschäft konzentrieren. Für die Aufgabe des Engagements in den Niederlanden sind Kosten von 3,5 Millionen Euro veranschlagt.
Nachdem das Europageschäft auch in den zurückliegenden sechs Monaten deutlich rote Zahlen schrieb, kam AO an der Rückzugsentscheidung nicht mehr vorbei. So ging der Umsatz in Deutschland und in den Niederlanden in dem Halbjahr um 3,4 Prozent auf 75,7 Millionen Euro zurück. Gleichzeitig stiegen die Verluste um mehr als 15 Prozent auf 15,9 Millionen Euro.
Auch ein kräftiges Wachstum auf dem britischen Heimatmarkt konnte diesen Negativtrend nicht mehr auffangen. Nach der Übernahme des Mobilfunkspezialisten Mobile Phones Direct konnte AO seinen Umsatz dort im ersten Halbjahr 2019/20 zwar um 20,3 Prozent auf 402,7 Millionen Pfund (470 Millionen Euro) steigern. Das negative Gesamt-EBITDA der AO-Gruppe verschlechterte sich dennoch um ebenfalls knapp 15 Prozent auf 6,2 Millionen Pfund (7,2 Millionen Euro).
Deutschlandgeschäft soll höhere Margen bringen
"Wir konzentrieren uns weiterhin darauf, die Rentabilität in Europa zu steigern und haben daher die Schließung unserer Niederlassung in den Niederlanden angekündigt", erklärte AO-Chef Robert bei der Vorstellung der Geschäftszahlen. "Auf diese Weise können wir uns auf den Umbau unseres deutschen Geschäfts konzentrieren." Um hierzulande die nötigen Schritte in Richtung Profitabilität zu machen, wolle AO an erster Stelle bessere Beziehungen aufbauen zu den Herstellern, gegenüber denen man sich als führender Online-Retailer mit einem hohen Servicelevel positionieren wolle.
Während AO so auf günstigere Einkaufskonditionen hofft, will das Unternehmen gleichzeitig gegenüber den Endkunden von einer zu starken Preisfokussierung abrücken und sich stattdessen verstärkt über Liefer- und Installationsservices profilieren. Dass AO-Gründer Roberts auf höhere Margen hofft ist nachvollziehbar, doch muss sich erst weisen ob Lieferanten und Kunden ihm dabei folgen werden.
Roberts gab sich dennoch optimistisch, den Turnaround in Deutschland schaffen zu können. Bereits im laufenden Halbjahr sollen erste Erfolge sichtbar werden. "Wir legen bereits an Zugkraft zu und ich habe eine starke Überzeugung, dass unser Modell auch in Deutschland funktionieren wird. Zudem haben wir dort bereits ein gutes Kern-Team aufgebaut und wollen uns noch weiter personell verstärken." Zur Neuausrichtung des Deutschlandgeschäfts von AO gehört aber auch, dass Kernbereiche wie die E-Commerce-Stratege und das Marketing künftig wieder verstärkt zentral aus Großbritannien geleitet werden sollen.
Rückzug aus Deutschland als letzte Option
Was das Scheitern in den Niederlanden betrifft, gab sich Roberts selbstkritisch. Man sei zu früh und halbherzig in den holländischen Markt eingestiegen. "Wir sind die Expansion zu eindimensional als Logistikthema angegangen und nicht als ein Handelsthema." Eine Einsicht, die auch auf Schwierigkeiten von AO zutreffen könnte, seinen Platz in der deutschen Elektronikhandelslandschaft zu finden. Umso mehr fällt es auf, dass sich Roberts auch für das Engagement in Deutschland eine Hintertür offenließ.
"Wir werden am Ende unseres laufenden Geschäftsjahres klarer sehen, wie sich das Geschäft in Deutschland entwickelt. Wenn es nicht funktionieren sollte, wäre der Worst Case ein Rückzug auch aus Deutschland." Den Anlegern versicherte Roberts, dass ein möglicher Abschied aus Deutschland maximal 20 Millionen Pfund kosten würde und das Wohlergehen von AO nicht grundsätzlich in Frage stellen würde. "Aber ich bin mir sicher, dass es erst gar nicht so weit kommen wird", so der AO-Chef.