"Nicht unterschreiben", rät der Anwalt
Armin Brunner, ebenfalls Mitglied der Facebook-Gruppe, hat sich juristischen Beistand bei den Anwälten von Abmahnhelfer.de gesucht. Diese werden nun ein Sammelvorgehen gegen Abmahnungen der Kanzlei HWK vorbereiten. "Grundsätzlich liegt zwar ein Verstoß zugrunde, der abmahnfähig ist", erläutert Rechtsanwalt Johannes von Rüden. Er vermutet jedoch "sachfremde Motive" hinter den Abmahnungen. Betroffenen rät von Rüden, die Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht voreilig abzugeben und auch nicht die geforderten Beträge zu bezahlen, auch wenn sie mit 265,70 Euro nicht besonders hoch sind. "Die Forderung ist gering, deshalb zahlen viele", weiß der Anwalt. Die Empfänger der Abmahnung sollen sich vielmehr juristischen Beistand suchen. Abmahnhelfer.de vertritt bereits rund 80 Fälle. Manche Anwälte, die ebenfalls mit der Sache befasst sind, gehen von über 1.000 Abmahnungen durch Binary Services und der Kanzlei HWK aus.
In der Gruppe wird auch von Anrufen der Kanzlei berichtet, in denen nochmals die Rücksendung des Schriftstücks gefordert wird. Zudem soll bereits Mitgliedern, die sich juristischen Beistand geholt haben, ein "Vergleich" angeboten worden sein. "Offensichtlich bekommt man auf der Gegenseite kalte Füße", wird in der Gruppe vermutet. "Die fragten nur nach einer außergerichtlichen Einigung, als ich erwähnte, dass ich die Sache einem Anwalt übergeben habe, wurde sofort aufgelegt", erzählt ein Angerufener.
Facebook ist nicht ganz unschuldig
Bei der ganzen Auseinandersetzung gerät aber gerne in Vergessenheit, dass der Auslöser der ganzen Probleme die Darstellung von Unternehmenspräsenzen auf Facebook ist. So sehen die Betroffenen auch das soziale Netzwerk in der Pflicht: "Ein rechtssicheres Impressum ist derzeit auf Facebook-Seiten nicht erstellbar", beklagt ein Gruppenmitglied gegenüber ChannelPartner. Er weist zudem darauf hin, dass auch die Darstellung auf mobilen Geräten problematisch ist. "Ich persönlich werde, solange die Rechtslage derart unsicher ist, die Facebook-Seite für offline nehmen und fordere Facebook auf, hier schnell und rechtssicher nachzubessern", betont der IT-Spezialist. Leider sei es aber nahezu unmöglich, mit Facebook Kontakt aufzunehmen. Auch ChannelPartner hat versucht, bei Facebook eine Stellungnahme zu bekommen. Wir werden im Falle einer Antwort darüber berichten.
Die Abgemahnten werden nicht klein bei geben. Doch sie sehen auch den Gesetzgeber gefragt: "Wir alle wollen erreichen, dass so etwas in Zukunft vom Gesetzgeber unterbunden wird. Es kann nicht sein, dass Firmen Abmahnungen zum Geschäftsmodell machen, das vor allem ist es nicht im Sinne des UWG", schreibt einer. So kämpfen sie weiter, dass "Erpressen durch Impressen", wie es ein Leidengenosse ausdrückt, nicht zur Methode wird. (awe)
Meinung des Redakteurs
Eines vorweg: Es gibt tatsächlich eine Anbieterkennzeichnungspflicht, wie sie auch in dem Abmahnschreiben der Kanzlei HWK erwähnt wird. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, muss mit entsprechenden Folgen rechnen.
Was allerdings ein Systemhaus in Regenstauf, das liegt irgendwo in der Oberpfalz, dazu veranlasst, massenweise vermeintliche Konkurrenten wegen des fehlenden Impressums auf einer Facebook-Präsenz abzumahnen, ist fragwürdig. Einen Wettbewerbsnachteil für Binary Services kann man beim besten Willen nicht erkennen. Ist es dann die Aktion von selbst ernannten Web-Sheriffs, die für ein rechtlich korrektes Internet kämpfen? Zweifel sind angebracht.
Alleine die große Zahl der Abmahnungen lässt den Verdacht aufkommen, dass hier nur zum Zweck der Profitmaximierung einer Anwaltskanzlei Passende Opfer gesucht wurden. Heute sind IT-Reseller in das Visier geraten, morgen können es Gemüsehändler oder Krabbelgruppen sein.
So kann man den Initiatoren der Facebook-Gruppe sowie den Betroffenen, die juristisch gegen die Abmahnungen vorgehen, nur viel Erfolg wünschen, denn die Auswüchse, die das deutsche Abmahnwesen mittlerweile angenommen hat, sind alles andere als gesund.
Armin Weiler
Chefreporter ChannelPartner