Haben die klassischen PC- und Handy-Shops in der Straße um die Ecke ausgedient? Und Sie, lieber Leser: Kaufen Sie Ihre Computer lieber im Ladengeschäft oder im Online-Shop? ChannelPartner-Schwesterpublikation PC-Welt befragte Experten und Fachhändler, wühlte sich durch Statistiken und Emotionen: In welcher Situation befindet sich aktuell der deutsche PC-Fachhandel?
Ladengeschäfte vom Etailer
In Bundesgebiet gibt es aktuell rund 37.000 Unternehmen, die mit Computer-Hardware und Softwarelizenzen handeln dürfen. Interessanterweise ist diese Zahl in den vergangenen Jahren gewachsen, nachdem sie zuvor jahrelang gesunken war. Diese Größenordnung ergibt sich übrigens vor allem aus den Angaben des Hause Microsoft: Wer in Deutschland mit IT handelt oder dazu berät, der ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zugleich offizieller Vertriebspartner der Redmonder. Und die haben aktuell knapp registrierte 40.000 Vertriebspartner in Deutschland. Fragt man Microsoft nach dem Grund für das jüngste Wachstum, wird schnell klar, dass der stationäre PC-Fachhandel kaum der Verursacher ist. Vielmehr sprießen nach den Angaben des Herstellers heute allerorts App-Entwickler, Cloud-Consultants und Wirtschaftsberater mit sonstiger IT-Affinität aus dem Boden, während die klassischen PC-Ladengeschäfte aktuellen Schätzungen zufolge von ehemals über 10.000 Unternehmen auf wenige Tausend geschrumpft sind.
Online-Händler eröffnet Ladengeschäfte
Für manche mag das wenig überraschend klingen, boomt der Onlinehandel mit klassischer IT-Hardware doch seit Jahren. Wo soll da noch Platz für die Shops sein? Hier sei aber die Frage erlaubt: Warum betreibt dann der E-Tailer Notebooksbilliger zwei Ladengeschäfte in München und Heidelberg, zumal das Haus die Stores erst im Anschluss an seine Etailing-Erfolge eröffnet hat? (Als Etailer bezeichnet man einen Einzelhändler (also Retailer), der seine Produkte via Internet verkauft). Warum quetschen sich in den Apple-Stores in diesen Tagen die Menschen wie Sardinen in der Büchse? Salopp eingeworfen: Warum fühlt sich der Vater des Autors dieser Zeilen nur in einem PC-Ladengeschäft wohl und würde seine IT-Produkte niemals im Web bestellen, selbst wenn es dort ein paar Euro günstiger wäre?
Sinniert man kurz darüber, wird schnell klar: Es geht in der Frage, ob stationär oder nicht, mindestens um Emotionen, wenn nicht um deutlich mehr. Reicht dieses besondere Kauferlebnis, das der E-Tail/Online-Kauf offensichtlich aktuell noch nicht bieten kann aus, um die Zukunft des Fachhandels zu sichern?
PC-Welt fragt Arndt von Wedemeyer: Der Manager und Firmengründer macht sich in diesem Jahr mit seinem Brand Notebooksbilliger gerade daran, den Jahresumsatz von 500 Millionen Euro zu knacken.
Herr von Wedemeyer, welche Bedeutung hat für Notebookbilliger heute das stationäre Geschäft - in strategischer Hinsicht? Gegenüber der Presse äußerten Sie ja noch vor zweieinhalb Jahren, Ihr erster Münchner Store sei gewissermaßen ein Experiment.
Arndt von Wedemeyer: „Unsere Stores in Sarstedt (Hannover) sowie in der Innenstadt von München laufen fantastisch. Wir haben von Wedemeyerhier ein Konzept, das nicht beliebig schnell skalierbar ist. Wir setzen auf Flächen, die untypisch für den Einzelhandel sind, um unseren Kunden ein tolles, vom Angebot spezialisiertes und kompetentes Einkaufserlebnis bieten zu können. Und das zu unseren bekannt günstigen Online-Preisen.“
Planen Sie, weitere Stores zu eröffnen?
von Wedemeyer: „Wir haben in Deutschland sechs bis sieben Standorte identifiziert, an denen wir uns Stores vorstellen können. Es ist nur leider schwierig, geeignete Flächen zu finden. Wir müssen naturgemäß auch die Kosten im Griff haben, um unsere günstigen Preise realisieren zu können. Grundsätzlich stellen wir fest, dass sich Städte mit Store sowohl online wie auch offline überproportional entwickeln. Wir glauben mit unserem Konzept einen der höchsten Umsätze pro Quadratmeter in diesem Segment vorweisen zu können. Und genau das hilft uns, weiter attraktive Angebote für unsere Kunden zu platzieren.“
Beobachten Sie einen andere Art von Käufer im Store vor Ort? Wenn ja, wie unterscheidet sich der Käufertyp, gibt es vielleicht sogar Unterschiede in soziographischer Hinsicht im Vergleich zum Internet-Shopper? Man könnte an Senioren oder Personengruppen denken, die einen Rechner erst grob und persönlich erklärt haben wollen, bevor sie ihn sich kaufen.
von Wedemeyer:„Wir beobachten in unseren Stores, dass der Kauf von neuer Hardware einen Eventcharakter hat – es kommen häufig Freunde oder Pärchen gemeinsam in unsere Stores, um sich die unterschiedlichen, aktuellen Notebooks, Tablets oder Ultrabook-Modelle anzuschauen. Wahrscheinlich, weil unser Konzept eben so neu und einzigartig ist. Wo finden Sie sonst eine solche Auswahl und dazu noch gute Beratung? Und ja, es gibt tatsächlich auch Personengruppen, die online schwächer vertreten sind, wie z.B. Senioren, die sich gern bei uns persönlich beraten lassen.“
Gehen im Store vermehrt andere Produkte als Online über den Ladentisch? Z.B teurere Geräte, deren Preis mehr Erklärung Bedarf?
von Wedemeyer:„Insgesamt scheint auch die Bereitschaft vorhanden zu sein, nach einer Beratung ein höherwertiges Produkt zu kaufen. Natürlich ist dies aber nicht immer sinnvoll, sondern hängt vom Einsatzzweck des Produkts ab.“
Fazit:
Mit diesen Aussagen liefert von Wedemeyer Zündstoff für eine lebhafte Diskussion. Da der Firmenchef im Zusammenhang mit den Stores das Wort „fantastisch“ und – vielleicht bewusst - nicht das Wort „profitabel“ verlauten lässt (was er als Inhaber einer privat geführten Firma zwar auch nicht muss), lässt das dennoch für Spekulationen Raum. So betont der Manager, dass die potentiellen Kosten offensichtlich bislang noch zu hoch sind, um weitere Ladengeschäfte zu eröffnen. Ob die aktuellen Stores bereits profitabel sind, bleibt offen, dass sie dem Laden aber Imagegewinn und zusätzliche Käufergruppen bescherten, muss man dagegen kaum bezweifeln