"Die Industrie macht die Ware für den Onlinehandel knapp"
Den Verkauf einer Mehrheit an Media-Saturn begründeten Sie im vergangenen Jahr auch mit zunehmenden Beschaffungsproblemen angesichts der Wachstumsgeschwindigkeit von Redcoon. Hat sich die Situation seit der Übernahme inzwischen gebessert?
Heckel: In der Tat ist das auch einer der Gründe, warum wir im vergangenen Jahr nur einstellig gewachsen sind. Und auch heute haben wir im Prinzip noch immer zu wenig Ware, da die Industrie die Ware selektiv knapp macht. Es ist nicht so, dass nicht genügend produziert wird, doch beschränkt die Industrie die Waren, die in den Onlinehandel gehen. Die Konsumenten würden dagegen gerne noch mehr online kaufen.
Allzu viel Verständnis scheinen Sie für das Argument der Hersteller, ihre qualifizierten Vertriebskanäle schützen zu wollen, nicht zu haben?
Heckel: Nein, weil das unehrlich ist: Wenn ich heute im stationären Retail bin, bekomme ich Ware ohne Beschränkung. Und wenn ich Retail mache und nebenbei noch online verkaufe, bekomme ich auch unbeschränkt Ware. Dabei liefere ich dann längst an Kunden, die ganz woanders wohnen und deshalb gar nicht persönlich beraten werden können. Für mich verzerrt das den Wettbewerb und ist eigentlich ein Thema für die Wettbewerbsbehörden.
Aber würde die Gleichbehandlung von stationären Händlern und E-Tailern nicht das endgültige Aus für den Fachhandel bedeuten?
Heckel: Wenn die Nachfrage im Netz so hoch ist, dass ein Händler stationär keinen Umsatz mehr macht, sollte er seine Umsätze eben im Netz erzielen. Es ist eine grundlegende Herausforderung für jeden Kaufmann, dort zu sein, wo die Kunden sind.
Gilt das auch für die stationären Media-Markt- und Saturn-Geschäfte?
Heckel: Ich glaube nicht, dass der stationäre Retail ausstirbt. Es wird immer bestimmte Sortimente geben, die eine Beratung mit echtem Herzblut erfordern und deshalb werden die Leute auch in Zukunft noch gerne samstags in die Märkte gehen. Da brauchen sich die Kollegen im Retail nicht zu fürchten.
Das Online-Comeback von Saturn und Media Markt ist in Branchenkreisen durchwegs auf ein negatives Echo gestoßen. Wie bewerten Sie als E-Commerce Fachmann die Arbeit Ihrer Kollegen?
Heckel: Ich finde das nicht so schlecht. Man muss bedenken, dass Media Markt und Saturn ja auf einen riesigen technischen Apparat aufsetzen. Man darf die Herausforderung nicht unterschätzen, was es bedeutet, hunderte von Retail-Läden mit dem Online-Angebot zu synchronisieren. Media-Saturn hat jetzt begonnen und ich weiß, dass sie die Shops noch weiterentwickeln werden. Man wird das Jahr für Jahr verbessern und dann wird es einmal ganz anders aussehen. Auch wir würden mit unserem Shop aus dem Jahr 2003 heute viel Spott abkriegen. Da steckt immer viel Entwicklungsarbeit drin.
Setzen die Kollegen bei Media-Saturn, wenn es um die Weiterentwicklung der Shops geht, auch auf Ihre Fachkenntnis?
Heckel: Nein, das sind zwei getrennte Dinge. Ich bin kein Berater von Media-Saturn. Ich habe genug zu tun mit der Entwicklung unseres eigenen Systems. Wir haben jetzt den Facebook-Shop gestartet, bringen bald die Mobile Webseite und bauen auch unsere Logistik in Erfurt aus. Es gibt noch viel Arbeit und auf mich warten auch bei Redcoon genügend Herausforderungen. (mh)