Ein Großteil der Amazon-Mitarbeiter arbeitet auf Basis von befristeten Verträgen. Dass nach dem Weihnachtsgeschäft gleich mehrere Hundert Amazon-Beschäftigte am Standort im westfälischen Werne ihren Job wieder los wurden, hat nun NRW-Arbeitsminister Gruntram Schneider auf die Barrikaden gebracht. Viele der Angestellten in dem Amazon-Logistikzentrum seien ehemalige Arbeitslose, die bei dem Online-Primus zunächst ein zweiwöchiges „Praktikum“ ohne Bezahlung absolvierten. Für ihren Lohn komme währenddessen das örtliche Jobcenter auf. „Es ist nicht vertretbar, wenn durch mehrwöchige Trainingsmaßnahmen beim Arbeitgeber öffentliche Gelder eingesetzt werden, obwohl eine Nachhaltigkeit der Arbeitsmarktintegration offensichtlich in vielen Fällen verfehlt wird“, sagte Schneider nun dem Onlineportal Der Westen. Statt nach dem „Gieskannenprinzip“ will der NRW-Arbeitsminister die Förderung künftig nur noch an Unternehmen verteilen, die mit den Praktika eine echte Jobperspektive bieten.
Der SPD-Politiker reiht sich mit seinen Vorstoß in die immer breiter werdenden Reihen von Kritikern der Arbeitsbedingungen bei Amazon ein. So hatte etwa vor Weihnachten ein Offener Brief der Betriebsseelsorge und der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) über die Arbeitsbedingungen am Amazon-Logistik-Standort in Graben bei Augsburg für Aufsehen gesorgt. Wesentliche Rechtsstandards und wichtige Einrichtungen der Arbeitswelt in Deutschland seien bei Amazon nicht gegeben, so das Schreiben. Die Vorwürfe umfassten dabei ausbleibende Lohnzahlungen, falsche Lohnabrechnungen und die Missachtung von Arbeitszeitverordnungen. „Wir als Betriebsseelsorger und Aktive in der katholischen Arbeitnehmer Bewegung sehen uns in der Pflicht, für menschenwürdige und gute Arbeit einzutreten", erklärte Diakon Erwin Helmer, Diözesanpräses der KAB und Leiter der Betriebsseelsorge in dem Brief.
Verdi startet Homepage für Amazon-Angestellte
Auch die Gewerkschaft Verdi beschäftigt sich bereits einiger Zeit mit der Situation bei Amazon und hat dazu inzwischen eine eigene Webseite eingerichtet. Laut der Internetseite sind nicht nur befristete Arbeitsverträge bei dem Online-Giganten an der Tagesordnung, sondern sei Amazon auch zum Lohndrücker der Versandhandelsbranche geworden. Während nach Tarif für den Großteil der Lager-Arbeiten im Versandhandel zwischen 11,47€ und 11,94€ Einstiegsgehalt gezahlt würden, schicke Amazon seine Mitarbeiter mit einem Gehalt von 9,65€ bis 11,12€ nach Hause. Auf der Verdi-Seite wimmelt es nur so von aufgebrachten Kommentaren unzufriedener Amazon-Mitarbeiter. „Meiner Meinung nach ist Amazon das letzte Mittel um der Arbeitslosigkeit zu entrinnen, aber keine Alternative für die Zukunft“, erklärt etwa ein Angestellter aus dem Schwäbischen Graben. Nicht nur reiche die Bezahlung kaum zum Leben, auch werde mit den Mitarbeitern respektlos umgesprungen.
Zusätzlich zur Mobilisierung der Mitarbeiter versucht Verdi nun, auch über die Kunden Druck auf Amazon auszuüben. So sollen diese für die Anliegen der Amazon-Belegschaft sensibilisiert werden und sich mit Protestbriefen an die Amazon Geschäftsführung wenden. In dem Verdi-Musterschreiben heißt es: „Amazon sagt: ‚Das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter in den Logistikzentren ist uns sehr wichtig.‘ Ich fordere Amazon auf, diesen Satz nicht nur gegenüber Kunden zu äußern, sondern Taten folgen zu lassen.“ Das Unternehmen solle künftig mehr Mitarbeiter langfristig einstellen, die Bezahlung an den Branchen-Tarif anpassen und den überhöhten Leistungsdruck stoppen. Auf den Protestbrief gibt es bereits erste Antworten von Amazon. „Unser Ziel ist es, Kundenwünsche zu erfüllen und Kundenerwartungen zu übertreffen. Daran arbeiten alle Mitarbeiter, und gerade unsere Kollegen in den Logistikzentren spielen hier eine wichtige Rolle“, heißt es in dem Schreiben. Doch darf die schon sprichwörtliche Fokussiertheit Amazons auf das Wohl seiner Kunden kein Grund sein, die Belange der Amazon-Arbeitnehmer hintanzustellen. (hell)