Nur fünf Prozent aller Rechenzentren weltweit verfügen aktuell über eine Cloud- und SLA-fähige Infrastruktur. Das ergab die jüngste Studie von Forrester Research. "Für unsere Branche ist das eine ganz gute Nachricht", sagt Roland König, Geschäftsführer des Bechtle-IT-Systemhauses München/Regensburg und Leiter des Geschäftsfelds Virtualisierung.
König liefert auch gleich die Begründung für seine Zuversicht mit: "Wenn sich die IT-Abteilungen künftig zum IT-Service-Broker für die Anwender wandeln möchten, müssen sie in neue Rechenzentrumsarchitekturen investieren. Denn Unternehmen werden keinesfalls alles in die externe Cloud auslagern. Sehr vieles wird im eigenen Rechenzentrum bleiben." Der Bechtle-Manager ist wie viele seiner Kollegen aus dem Systemhausumfeld überzeugt: "Hier entsteht ein riesiger Markt".
Druck von allen Seiten
Kostengünstiger, performanter, leichter zu administrieren und vor allem flexibler soll das Rechenzentrum werden, denn der Druck auf die IT-Leiter wächst: Mitarbeiter verlangen schnellen und mobilen Zugriff - auch auf Daten, Dienste und Applikationen, die nicht zu den Kernanwendungen des Unternehmens zählen. Und wenn die hauseigene Infrastruktur beispielsweise den gewünschten Speicher nicht schnell genug bereitstellt, ist der Klick zur Dropbox - am IT-Verantwortlichen vorbei - nicht mehr weit. Ohnehin kennt der Hunger nach Storage keine Grenzen.
Um diesen Wildwuchs zu unterbinden, gehen IT-Leiter immer häufiger dazu über, Dienste wie Dropbox und Cloud-basierte Apps aus dem Unternehmen zu verbannen, indem sie diese Services auf den - meist mobilen - Endgeräten der Mitarbeiter sperren. Dieses Vorgehen funktioniert allerdings nur, wenn der Administrator den Usern dazu Alternativen anbietet. Denn gerade Mitarbeiter aus den Fachbereichen werden künftig ein noch größeres Mitspracherecht bei IT-Entscheidungen erhalten. Das Marktforschungsinstitut Forrester schätzt, dass bereits 2017 die IT-Budgets der Fachabteilungen, allen voran der Marketing- und Vertriebsverantwortlichen, in den Unternehmen größer sein werden als die der CIOs. "Die Anwender treiben die IT", sagt König.
Schon deshalb wird der Druck auf die IT-Abteilungen weiter steigt.
Silos bestimmen IT-Architektur und Organisation
Erschwerend kommt hinzu, dass in größeren Unternehmen die Verantwortung für Server, Storage, Netzwerk, Sicherheit und Applikationen in unterschiedlichen Händen liegt. Das führt zu internen Reibungsverlusten. Analysten haben für dieses Phänomen das griffige Bild der "Silo-Architektur" geprägt.
"Unsere Kunden haben in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um ihren IT-Betrieb zu standardisieren. Und in nahezu jedem Unternehmen gibt es Erfahrungen bei der Virtualisierung physikalischer Infrastrukturen", berichtet Ulf Schade, Solution Manager bei Computacenter. "Große Applikationsumgebungen wurden aber oft noch als Silos in den Rechenzentren implementiert."
Entlastung aus der Box
Einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma könnten Referenzarchitekturen und integrierte Systeme bieten (siehe Kasten "Integrierte Systeme").
Sie kombinieren aufeinander abgestimmte, getestete, virtualisierte Storage-, Server-, Netzwerk- und Virtualisierungskomponenten, teilweise auch Middleware- und Applikations-Software in einem vorgefertigten, validierten "Stack", mit einer zentralen Managementeinheit. Teilweise sind dort auch Templates mit definierten automatisierbaren Konfigurationen hinterlegt, beispielsweise für Server-, Netzwerk- und Speicherressourcen oder Applikationen.
"Die Silos aufzulösen und dem IT-Betrieb Flexibilität in der Infrastruktur zurückzugeben, darauf zielen die Block-Infrastrukturen ab", erklärt Schade. "Damit nehmen die Heterogenität in der Infrastruktur und auch der Aufwand, diese zu verwalten, ab."
Was sind integrierte Systeme?
Integrierte Systeme sind Data-Center-Modelle, die Server, Shared Storage und Netzwerkkomponenten in einem Stack vereinen. Marktforscher Gartner unterscheidet drei Klassen:
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Integrierte Infrastruktursysteme: Hier sind Server, Shared Storage und Netzwerkhardware kombiniert, um eine Shared-Compute-Infrastruktur bereitzustellen (zum Beispiel HP CloudSystem, Dell vStart und Active System, Vblock und IBM PureFlex).
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Integrierte Application- oder Workload-Systeme: Die integrierte Infrastruktur umfasst auch vorinstallierte Datenbank- und/oder Applikationssoftware, quasi in einer Appliance gebündelt (Oracle Exadata, HP AppSystems, IBMPureApplication).
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Integrierte Referenzarchitekturen: Diese Lösungen stellen dedizierte und vorvalidierte Komponenten in unterschiedlichen Konfigurationen zur Verfügung, aus denen der Anwender oder der Reseller die passende Konfiguration auswählen kann (Flexpod, VSPEX).
Integrierte Systeme sind eine gute Basisplattform, wenn es darum geht, die Funktionalitäten einer Private Cloud bereitstellen zu können. Private Clouds grenzen sich gegenüber integrierten Systemen durch eine höhere Integrationstiefe auf der Managementebene ab.
Der Wunsch nach Investitionssicherheit ist laut Michael Ganzhorn, Bereichsleiter IBM Power bei Fritz & Macziol, ein weiterer Treiber für den Einsatz der Referenzarchitekturen: "Die Infrastruktur kann analog zu den Anforderungen jederzeit um Module erweitert werden. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass der Kunde alles aus einer Hand erhält und über den kompletten Lebenszyklus der IT vom selben Team betreut wird."
Liebäugeln mit der Cloud
Und nicht zuletzt wirft auch die Cloud ihren Schatten voraus. Denn im Idealfall liefern diese Architekturen die Basis dafür, die Funktionen einer Private Cloud bereitzustellen, mit Anschlussmöglichkeit an die Public Clouds.
"Wir sehen einen klaren Trend in Richtung Private Cloud", berichtet Fritz &Macziol-Manager Ganzhorn. "Das schließt die Themen Virtualisierung und den Einsatz von Referenzarchitekturen mit ein. Entsprechende Projekte werden aktuell verstärkt nachgefragt und umgesetzt."
Im Kern gehe es um einen Wandel des IT-Betriebs zur einem serviceorientierten IT-Dienstleister, pflichtet ihm Ulf Schade von Computacenter bei. "Kunden richten ihren IT-Betrieb mittelfristig auf Cloud-Services aus." Einig sind sich die Systemhausvertreter, dass Referenzarchitekturen den Kunden dabei helfen, diesem Wandel in Richtung Cloud technologisch in ihrem eigenen Rechenzentrum eine Basis zu geben.