Kommentar

Microsoft Surface – ein Tritt vors Schienbein

21.06.2012
Jahrelang belächelt, dann allmählich aufgewacht und plötzlich kann es gar nicht schnell genug gehen: Microsoft stellt mit "Surface" eine hausgemachte Hardware vor. Doch das Verhältnis der Redmonder zum Thema Tablet und der Post-PC-Ära bleibt undurchsichtig.

Jahrelang belächelt, dann allmählich aufgewacht und plötzlich kann es gar nicht schnell genug gehen: Microsoft stellt mit "Surface" eine hausgemachte Hardware vor. Doch das Verhältnis der Redmonder zum Thema Tablet und der Post-PC-Ära bleibt undurchsichtig.

Microsoft hat noch nie einen PC gebaut. Es war stets Aufgabe und Privileg der zahlreichen Partner sich um die Hardware zu kümmern. Jetzt brechen die Redmonder mit dem selbstdefinierten Rollenverständnis und packen ihr Betriebssystem "Windows RT" auf eigene Hardware. Das ist ein Novum. Und es ist ein Paradigmenwechsel mit möglicherweise weitreichenden Folgen. Konzernchef Steve Ballmer erläutert anlässlich der Vorstellung der neuen Produkte sogleich seine Beweggründe für den radikalen Schritt:

"We believe that any intersection between human and machine can be made better when all aspects of the experience, hardware and software, are considered and working together." (Steve Ballmer, 2012)

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Es ist die Erkenntnis, die ein Steve Jobs geprägt hat. Zeit seines Lebens hat er fest daran geglaubt, dass nur derjenige erfolgreich sein könne, der sowohl über Hardware als auch die Software die Hoheit besitzt. Im Falle Apple-Rechner und Mac OS ist die Rechnung so nie aufgegangen, mehr als fünf Prozent weltweiter Marktanteil waren nie drin. Dazu war und ist die Wintel-Welt zu mächtig.

Jobs Grundsatzphilosophie, den Kunden alles aus einer Hand anzubieten, trug erst Früchte als das Unternehmen antrat, um ein noch junges und unterentwickeltes Produktsegment aufzumischen: Den Smartphone- und später den Tablet-Markt. Der Apple-Chef während seiner Keynote 2007 anlässlich der Vorstellung des ersten iPhone:

"People who are really serious about software should make their own hardware. So we're bringing breakthrough software to a mobile device for the first time." (Steve Jobs 2007)

Gut fünf Jahre sind seitdem ins Land gegangen und der einschlagende Erfolg des iPhone und des iPad sind in der IT-Branche unbestritten. Das Konzept des Steve Jobs ist aufgegangen. Nicht ganz ohne Nachteile für die Kunden. Die Abhängigkeit, ja das Gefangensein im Apple-Ökosystem stößt so manchen Anwender sauer auf. Dennoch: Das Unternehmen aus Cupertino erzielt mit dieser Strategie exorbitant hohe Profite* und fährt Quartal um Quartal Milliardengewinne ein.

Microsoft-Chef Ballmer gibt mit "Surface" den Einstieg ins Tablet-Geschäft bekannt: Sollen die OEM-Partner jetzt jubeln oder weinen?
Microsoft-Chef Ballmer gibt mit "Surface" den Einstieg ins Tablet-Geschäft bekannt: Sollen die OEM-Partner jetzt jubeln oder weinen?
Foto: Microsoft

Gut vorstellbar, dass einem Steve Ballmer die Augen zusehends aufgingen und die Kinnlade immer weiter herunterklappte und er gleichzeitig innerlich kochte, weil der Technologiekonzern Microsoft dem nicht ansatzweise etwas dagegenzusetzen hatte.

Und dann kommt auch noch diese Internet-Company Google mit dem kostenlosen Betriebssystem "Android" um die Ecke, setzt sich mit an den gedeckten Tisch fängt ebenfalls an, sich immer dickere Scheiben vom Smartphone- und Tablet-Markt abzuschneiden. Die Redmonder sitzen derweil am Katzentisch und müssen sich mit ein paar Krümeln abspeisen lassen.

Ebenfalls gut vorstellbar ist, dass Steve Ballmer dann irgendwann der Kragen geplatzt ist. Offensichtlich traut er es Microsoft-Verbündeten wie HP, Samsung, Asus oder Dell nicht (mehr) zu, nennenswerte Erfolge mit dem Windows-Betriebssystem im Tablet-Markt zu erzielen. Wie sollte es anders zu erklären sein, dass Microsoft jetzt höchstpersönlich in den Ring steigt und eine Apple-gleiche Strategie verfolgt?

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