Bewertungen auf Amazon

Wie trennt man echte Reviews von Fakes?

Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.
Produktbewertungen von Amazon-Angeboten variieren zwischen erstklassigen Testbericht und schamloser Produktwerbung: Einige Tipps helfen bei der Beurteilung.
Vorsicht vor Fake-Bewertungen!
Vorsicht vor Fake-Bewertungen!
Foto: Black Salmon - shutterstock.com

Testberichte eines renommierten Magazins wie Stiftung Warentest oder auch Macwelt sind nach unserer Meinung immer noch die zuverlässigste Kaufberatung. Allein schon durch die große Anzahl an Produkten sind aber bei Shops wie Amazon Nutzerbewertungen anderer Käufer der einzige Anhaltspunkt – selbst wenn man das Produkt gar nicht bei Amazon selbst kauft. Vor allem bei Büchern und Ebooks sind sie für den Erfolg entscheidend, auch bei Elektronik-Produkten sind sie aber äußerst wichtig. Für die sinnvolle Nutzung dieser zahllosen Produktbewertungen sollte man aber einige Dinge beachten, so gibt es Profi-Rezensenten, die positiv gesinnten Vine-Clubs und Fake-Wertungen, die offensichtlich vom Hersteller stammen, außerdem völlig ignorante Käufer.

Wie man positive Bewertungen kauft

Es gibt zahllose Amazon-Nutzer, die für einen kleineren Betrag positive Berichte über ein Produkt schreiben. Etwa zehn Dollar bekommt man aktuell für eine Besprechung einer neuen iPhone-Hülle, so Buzzfeed. Der Grund ist simpel: Dutzende 5-Sterne-Bewertungen sind die beste Werbung für ein Produkt, ein Buch ohne Bewertungen oder eine Powerbank ohne begeisterte Kundenbeschreibungen ist aber fast unverkäuflich. So haben nagelneue iPhone-Hüllen schnell hunderte begeisterte Nutzer und dicke Sachbücher dutzende enthusiastische Leser.

Seit 2016 hat zwar Amazon kostenlose Produkte für Tester oder bezahlte Tests verboten, es gibt sie aber inoffiziell weiterhin bezahlte Tests. Schlimmer noch: Sie werden seitdem nicht mehr als Auftragsarbeiten markiert. Auftraggeber und Autoren finden sich per Reddit, Slack, geschlossene Facebook-Gruppe oder Discord und erhalten für einen positiven Bericht ein Honorar von 5 Dollar oder Amazon-Geschenkkarte über 10 Dollar. Bei Bluetooth-Lautsprechern sollen laut der Seite Review Meta etwa knapp 58 Prozent der Wertungen „fraglich“ sein, noch mehr bei Produkten wie Testosteron-Pillen.

Nach unserem Eindruck sind die Rezensenten leider mittlerweile gut trainiert und schreiben glaubwürdige Rezensionen. Auch Hersteller aus Asien machen immer seltener Fehler aus früheren Tagen, etwa Rezensionen per Google-Translate zu erstellen.

Wie man Fake-Shops bei Amazon erkennt

Fake-Reviews per Software erkennen

Das Problem der Fake-Reviews ist nicht neu und bei hunderten Bewertungen hat niemand den Nerv diese einzeln zu prüfen. Eine interessante Vorabprüfung bietet der Dienst Reviewmeta, der Produktrezensionen automatisch prüft. Das Grundprinzip ist einfach: Wertungen mit verdächtigen Eigenschaften werden durch ein aufwendige Prüfung aussortiert und nur noch glaubwürdige Bewertungen berücksichtigt. Beim Sachbuch eines prominenten TV-Stars bleiben dann vielleicht von 64 Reviews nur noch 8 übrig und die Note sinkt von 4,1 auf 2,8. Das funktioniert sogar umgekehrt, wenn einige der Bewertungen als Negativ-Kampagne eingestuft werden. So scheint e durchaus möglich, dass sich die Kritik an der Biographie eines weiteren TV-Stars doch eher gegen die Person als das Buch richtet.

Die Prüfung von Reviewmeta ist leider nicht sehr zuverlässig, kann aber Trends erkennen.
Die Prüfung von Reviewmeta ist leider nicht sehr zuverlässig, kann aber Trends erkennen.

In wenigen Einzelfällen kann die Note sich sogar verbessern.
In wenigen Einzelfällen kann die Note sich sogar verbessern.

Möglich ist dies durch die Berücksichtigung bestimmter Anhaltspunkte, die auf einen falschen Kommentar hinweisen: Etwa auffallend positiv wertende Nutzer, gelöschte Wertungen für ein Produkt, bestimmte Phrasen wie „ein Muss für jeden“, ein komplett neuer Account oder auffällig viele Wertungen am gleichen Tag. Man darf die Ergebnisse aber nicht überschätzen, sie sind nach unserer Meinung recht grobe Einschätzungen. Wie der Dienst ausdrücklich anmerkt, kann die automatische Fake-Review-Erkennung nie völlig fehlerfrei sein. Der Dienst eignet sich nach unserer Meinung weniger für die Festlegung einer Note, als um zu erkennen, ob ein Hersteller vielleicht mogelt. Als erster Anhaltspunkt ist der Dienst aber sehr empfehlenswert.

Es gibt aber noch weitere Dinge, auf die man bei der Einschätzung von Bewertungen achten sollte. Manchmal sind ja die echten Bewertungen einfach fehlerhaft oder viel zu positiv.

Schnelle Stichprobe: Nur die 2-Sterne-Bewertungen

Ein guter Tipp, um sinnvolle Bewertungen herauszufischen ist der Blick auf die Bewertungen mit zwei Sternen: Positive Bewertungen mit 5 Sternen sind oft wenig hilfreich, bei Bewertungen mit einem Stern handelt es sich dagegen zu oft um Fehlkäufer, die einfach das falsche Produkt gekauft haben, Ärger mit DHL hatten oder keine Bedienungsanleitungen lesen können.

Ein Beispiel: Bei Amazon gab es bei Redaktionsschluss den Airplay-Lautsprecher Yamaha WX-010 für 88 Euro. Eigentlich ein interessantes Angebot, wir wollen aber mehr wissen: Die 5-Sterne und 1-Sterne-Rezensionen ignorieren wir und werfen einen Blick auf 2-Stern-Rezensionen: Hier lesen wir nun schon in den ersten drei Kritiken über Probleme mit Airplay-Verbindungen und Aussetzern bei iOS. Die Probleme klingen glaubwürdig, scheinen aber nur bei länger Nutzung bei iPhone-Nutzern aufzutreten – für uns ist der Lautsprecher also doch kein so guter Kauf...

Interessant sind bei Elektronik meist die negativen Bewertungen, etwa über Kompatibiltätsprobleme.
Interessant sind bei Elektronik meist die negativen Bewertungen, etwa über Kompatibiltätsprobleme.

Zu schnell veröffentlicht

Eine Schwäche vieler eigentlich echter Testberichte: Der Produktbericht wurde vom Käufer nach wenigen Tagen geschrieben – etwa gleich in der ersten Euphorie über die neue Anschaffung. Dass ein Gerät direkt nach dem Auspacken funktioniert, ist zwar sehr schön, bei einer Powerbank oder einem Notebook-Akku wäre aber etwas anderes viel interessanter: Funktioniert der Akku auch nach drei Monaten noch, ist der USB-Stick plötzlich defekt und hat der Notebook-Akku auch nach einigen Dutzend Aufladevorgängen noch die gleiche Kapazität? Bei einigen Produkten sollte man deshalb gezielt nach Berichten über Langzeiterfahrungen suchen.

Auf eigene Anforderungen achten

Ein typisches Problem bei manchen Elektronikprodukten: Nur wenige Kommentatoren gehen auf die iOS- oder macOS-Kompatibilität ein. Hier hilft die Suchfunktion weiter, man kann nämlich den Text aller Bewertungen per Textsuche (Command-F) nach Begriffen wie „Mac“, „iPhone“ oder „iPad“ durchsuchen: Das ist etwa hilfreich, falls ein Bluetooth-Kopfhörer iPhone-Probleme hat oder es Probleme mit bestimmten Geräten gibt. Das kann auch auf die andere Seite umschlagen, so bekam etwa die Belkin-Tastatur Universal QODE die verheerende Wertung 3,4 – weil sie Kompatibilitätsprobleme mit Android-Geräten hat. Mit iPhone und iPad funktioniert sie aber problemlos.

Top-Rezensenten – Zu positiv?

Markiert sind manche Rezensionen „Top 500 Rezensent“ oder gar „Top 50 Rezensent“. Diese Test sind oft länger als dieser Artikel und sehr aufwendig gemacht – und keineswegs Fake-Reviews. Hier handelt es sich um eine besondere Gruppe an Amazon-Testern.

Seit 2016 hat zwar Amazon kostenlose Produkte für Tester oder bezahlte Tests verboten, das gilt aber nicht für den firmeneigenen Club der Produkttester, auch „Vine“ genannt. Die Bedingungen für die Teilnahme sind kompliziert, im Prinzip aber wird man per Einladung durch Amazon in diesen Club aufgenommen und erhält Produkte zugeschickt, für die man Testberichte schreiben soll. Das Produkt ist kein „Geschenk“, man kann es aber behalten. Eigentlich gibt es an dem Konzept wenig zu kritisieren. Als wichtig gilt vor allem, dass eine Rezension von Lesern als „hilfreich“ bewertet wird, die Benotung ist völlig frei. Allerdings sorgt das System nach Meinung von Beobachtern doch eher für positive Bewertungen. Bekommt man eine Powerbank geschenkt, schreibt man schon mal eher eine positive Rezension als ein echter Käufer. Laut ReviewMeta sollen Vine-Tester im Durchschnitt etwas bessere Noten vergeben als der Durchschnittstester.

Lesen Sie auch: Erfolg auf Amazon - Tipps und Tricks

Ein eigenes Thema ist wohl die Rezension von Büchern, hier gibt es ganze Hierarchien an Top-Rezensenten: Unschön. Vor allem bei Büchern gibt es Profi-Rezensenten, die Unmengen an Büchern rezensieren und dies meist positiv – was etwas problematisch ist.

Fazit:

Amazon-Rezensionen gelten als eine der großen Stärken des Handels-Konzerns. Handelt es sich um Testberichte, die nach ausführlicher Nutzung geschrieben wurden, sind sie äußerst nützlich und enthalten oft Details, die man sonst kaum findet. Gerade bei überschwänglich positiven Berichten ist aber Skepsis angebracht und wir empfehlen als Faustregel eher auf die kritischen Meinungen zu achten. So fällt beim Vergleich mit anderen Shops wie dem Apple Store auf, dass das gleiche Produkte dort oft weit negativer bewertet werden. (Macwelt)

Zur Startseite