Digital Leader Award 2018

Wie Otto sich zur Advertising-Plattform transformiert

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
2016 nahmen Google und Facebook über drei Viertel der Online-Werbeerlöse weltweit (ohne China) ein, Tendenz weiterhin steigend. Da bleiben für die anderen Player nur noch Nischen übrig. Doch auch dort ist gesundes Wachstum möglich, wie die Erfolgsstory der Otto Group Media belegt.

Wer jemals auf otto.de oder bei einem der angeschlossenen Partnerunternehmen Waren geordert hat, hat dort detaillierte Daten, darunter seine postalische Adresse, hinterlassen. Insoweit sind diese personenbezogenen Daten nachweislich valider als die auf freiwilliger Basis bei Google und Facebook hinterlassenen Informationen. Und der Kundendatenschatz bei der Otto Group ist riesig: Eigenen Angaben zufolge kann der Konzern auf 25 Millionen einzelne Kundendatensätze zugreifen.

Hinter jeder Digitalisierungsmaßnahme stehen Menschen aus Fleisch und Blut: Torsten Ahlers, CEO der Otto Group Media, hat sein Sales- und Key-Account-Team innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Vordere Reihe (v. l. n. r.): Helene Herber, Viktoria Vinnitski, Marie-Sophie Jachczik, Cherie Guardados, Jevgenija Beznistsenko, Nicole Rohmeier und Tobias Hagemann. Hintere Reihe (v. l. n. r.): Phillip Laudien, Torsten Ahlers, Michael Remler und Marc Trouvain.
Hinter jeder Digitalisierungsmaßnahme stehen Menschen aus Fleisch und Blut: Torsten Ahlers, CEO der Otto Group Media, hat sein Sales- und Key-Account-Team innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Vordere Reihe (v. l. n. r.): Helene Herber, Viktoria Vinnitski, Marie-Sophie Jachczik, Cherie Guardados, Jevgenija Beznistsenko, Nicole Rohmeier und Tobias Hagemann. Hintere Reihe (v. l. n. r.): Phillip Laudien, Torsten Ahlers, Michael Remler und Marc Trouvain.
Foto: Otto Group Media

Da lag es natürlich nahe, an diese Kunden gezielt die passende Werbung auszuliefern. Und deshalb hat die Otto Group vor gut drei Jahren eine Tochtergesellschaft gegründet, die sich ausschließlich mit der nutzerbasierten Vermarktung und Aussteuerung von Werbeflächen, dem Data Driven Advertising, beschäftigt. Die Otto Group Media GmbH (OGM) begann ihre Tätigkeit mit sieben Mitarbeitern, mittlerweile sind dort über 40 Personen tätig. Noch 2018 möchte die OGM den Break- even-Punkt erreichen und ab 2019 einen positiven Beitrag zur Konzernbilanz beisteuern. Das Angebot der OGM richtet sich an Werbetreibende, die ihre Branding- Kampagnen nutzerspezifisch auf den passenden Plattformen ausspielen wollen, um damit die Kunden zu erreichen, die an den Werbeinhalten am meisten interessiert sind.

Die Nutzer von otto.de empfinden Werbung in Online-Shops keinesfalls als störend, sondern eher als Inspirationsquelle für zusätzliche Einkäufe, so zumindest die Überzeugung von Torsten Ahlers, CEO der Otto Group Media. Aber wie lassen sich das Surfverhalten der Kunden messen und ihre Vorlieben den Werbetreibenden anonymisiert zur Verfügung stellen? Hierzu hat OGM die 25 Millionen CRM-Datensätze der eigenen Kunden in 25 Millionen CookieIDs mit individuellen Profilmerkmalen umgewandelt, anonymisiert und verschlüsselt. In einer Data-Management- Plattform (DMP) entstehen daraus – nach Vorgaben der Werbetreibenden – Gruppen von Usern, die als Cookie-Listen weiter zum Ad Server oder zu einer Demand-Side-Plattform (DSP) wandern.

Kampagnen können dann entweder über den Ad-Server auf otto.de oder auf Partner-Websites über eine DSP nutzerspezifisch ausgespielt werden. Was auf dem Papier plausibel klingt, war in der Realität nicht ganz so einfach. Zwar verfügte der Otto-Konzern bereits 2015 über ein eigenentwickeltes ausgereiftes CRM- und Business-Intelligence-System, doch um den darin untergebrachten "Datenschatz" in anonymisierter Form Dritten zur Verfügung zu stellen, bedurfte es zahlreicher Zusatzwerkzeuge, zum Beispiel eines Datenerfassungs- und Anonymisierungs- sowie eines Web-basierten Analytics-Tools bis hin zu einer Hadoop-basierten Datenbank. Ferner galt es, alle eingesetzten Systeme sinnvoll zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. Den damit verbundenen Integrationsaufwand unterschätzte OGM massiv.

Zum einen mussten Fremdsysteme, etwa die digitale Marketing-Plattform "The Adex", sowie Google-Infrastruktur (Doubleclick Adserver und Ad Exchange) eingebunden werden, zum anderen umfasste der gesamte Ausschreibungsprozess über 400 technische Features für all die an otto.de angeschlossenen Shops. Zusätzlich musste die OGM Sorge tragen, dass die aus der eigenen CRM- und BI-Plattform extrahierten Daten von den Fremdsystemen korrekt interpretiert wurden. So waren anfangs die in den Webshops automatisch erstellten Werbeflächen oft manuell nachzujustieren. OGM konnte aber relativ schnell alle technischen Probleme überwinden.

Zu Beginn tat sich die OGM schwer, Tochtergesellschaften und Partner des Otto-Konzerns von den Vorteilen einer zentralen Vermarktung zu überzeugen. Da spielte nicht nur die mangelnde Datenkompatibilität, sondern auch die fehlende Incentivierung eine große Rolle. Aufgrund dieser anfänglich dezentralen Strukturen verzögerte sich die Etablierung der Otto Group Media innerhalb des Konzerns um zwei Jahre. Erst mit einem effizienten Partner-Management wurden die Vorbehalte überwunden. Inzwischen konnte die OGM durch gezielte Projekte auch ihre Beziehungen zu Agenturen stärken und ihre Abhängigkeit von Direktkunden verringern.

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