Keine Zukunft für das Benchmarking?
In aktuellen Sourcing-Verträgen finden sich meist Benchmarking-Klauseln. Sie sollen es den Vertragsparteien und insbesondere dem Abnehmer der Leistung ermöglichen, die im Vertrag hinterlegten Preise mit der aktuellen Entwicklung im Markt zu vergleichen. Auf solche Analysen spezialisierte Unternehmen suchen hierfür vergleichbare Leistungspakete im Markt. Der zu leistende Aufwand besteht in der Transformation des individuellen Leistungspakets aus dem zu prüfenden Vertrag in ein mit dem Markt vergleichbares Leistungspaket. Die Analysten nutzen dazu meist Referenzleistungen, die sich aus vielen Analyseaufträgen ableiten. Zu diesen Leistungspaketen müssen dann ausreichend vergleichbare Transaktionen gefunden werden - bezogen auf eine Reihe von Parametern wie Volumen der Leistungseinheiten oder Industrie des Kunden.
Mit der Verfügbarkeit von tagesaktuellen Preisen für standardisierte Referenzprodukte und dank der beschriebenen Marktinstrumente einer Börse entsteht eine Alternative zu diesem Vorgehen. Die Börse gründet ihren Handel ebenfalls auf standardisierte Leistungen, die Preisfindung reflektiert aber den ganzen Markt und somit auch alle Industrien. Eine Segmentierung der Preisfindung an der Börse in die einzelnen Industrien wäre theoretisch möglich, ist aber nicht unbedingt sinnvoll.
So geht das klassische Benchmarking sicher viel spezifischer auf die individuell verhandelten Leistungspakete ein. Doch stellt sich die Frage, ob der Aufwand dafür gerechtfertigt ist. Gegen einen individuell ermittelten Benchmark-Preis stellt die Börse eine neutrale, auf wohldefinierten und transparenten Standards basierende Preisfindung - kostenlos und jederzeit verfügbar. Das Produktspektrum der DBCE ist naturgemäß limitiert und kann nicht alle individuell verhandelte Leistungsvarianten abdecken. Aber es lassen sich aus den Marktpreisentwicklungen auch die Informationen ableiten, die für eine Bewertung der Preise in einem individuellen Vertrag notwendig sind.
Die Bedeutung des Benchmarking im Sourcing wird also stark abnehmen. In vielen nicht börsengehandelten Sourcing-Verträgen wird es durch eine Referenz auf die Börsenpreise ersetzt werden.
An Bedeutung zunehmen wird dagegen der qualitative Aspekt für die handelbaren Produkte. Notwendig wird es insbesondere, die Qualität der Anbieter in Bezug auf die Lieferung der Produkte zu bewerten. Hierzu sind Parameter zu bestimmen, die während der Lieferphase gemessen werden, nach Möglichkeit automatisch, und aus denen sich dann ein Rating für den Lieferanten ableiten lässt.
Konzeptionell entspricht das dem Rating der Emittenten in den Anleihemärkten, und es wird im selben Maß Auswirkung auf die Preisfindung der Produkte haben. Die Entwicklung eines solchen Ratings auf Basis kontinuierlich messbarer Sourcing-Performance bedarf noch eines gewissen Forschungsaufwands. Doch erste Initiativen dazu sind schon gestartet. Die Universität Bamberg hat - in Zusammenarbeit mit der schon erwähnten Firma Plixos - ein Forschungsprojekt zum Thema "Sourcing Performance Tracker" gestartet.
(Ver-)Sicherung im Multi-Sourcing
Die Verfügbarkeit und Austauschbarkeit von IT-Services bietet neben der Transparenz für die Preisfindung auch Vorteile bei der Strukturierung des Sourcing-Portfolios. Aus technischer Sicht sind die Angebote auf der Cloud Exchange identisch und können über einheitliche Schnittstellen genutzt werden. Damit ist ein Parallelbetrieb im Multi-Sourcing über mehrere Anbieter hinweg möglich.
Den Cloud-Exchange-Gedanken umzusetzen und die Wechselfähigkeit in einer Multi-Sourcing-Struktur herzustellen bedeutet auch, das folgende Problem zu lösen: Es gilt, die Inhalte (Daten) zwischen den Leistungsanbietern zu übertragen und zu synchronisieren. Je größer und komplexer die Datenmengen sind, desto mehr wird die Zeit zum kritischen Faktor.
Ein Ansatz zur Lösung dieses Problems könnte darin bestehen, die Verteilung so zu gestalten, dass zum einen möglichst wenig Cloud-Ressourcen vorgehalten werden müssen und zum anderen der Austausch von Daten zwischen verschiedenen Anbietern auf der Cloud Exchange minimiert wird. Das führt zu einer Portfoliostrategie, in der kurz- und langlaufende Kontrakte über mehrere Anbieter gemischt werden.
Es ist also nicht nur die Frage, ob eine Anwendung von einer Multi-Sourcing-Instanz auf die andere übertragen werden kann. Sondern es ist eben auch zu prüfen, ob sich eine Architektur für die Verteilung ein und derselben Anwendung auf zwei oder mehr Anbieter herstellen lässt. Mit solchen Konzepten sind dann unter Umständen auch datenschutzrechtliche Aspekte zu adressieren: Personenbezogene Daten lassen sich in einer Form verteilen, die diesen Anforderungen gerecht wird.
Ein weiterer Aspekt hinsichtlich der Verfügbarkeit von standardisierten Produkten in der Cloud Exchange hat die Berechenbarkeit der Risikoszenarien für die Nutzung der Angebote zu Gegenstand. Diese Risiken ergeben sich zum Beispiel aus der Übertragung von Inhalten von einem Anbieter zu einem anderen innerhalb eines definierten Zeitfensters. Da diese Risiken berechenbar sind, können auch Versicherungsprodukte dazu entwickelt werden, die das Angebot der Cloud Exchange noch attraktiver machen.
Business Continuity und Desaster Recovery
Die leichte Integration von Produkten der Cloud Exchange in die eigene IT-Architektur eröffnet auch neue Möglichkeiten, um Business-Continuity- oder Disaster-Recovery-Konzepte (BC/DR) zu realisieren. Das Vorhalten bestimmter Ressourcen mit spezifischen Schnittstellen und die Synchronisation der Inhalte mit der Back-up-Lösung lassen sich damit anders konzipieren als heute üblich: BC/DR-Kapazitäten können kurzfristig über die Cloud Exchange kontrahiert werden.
Auch ist es denkbar, in einem Multi-Sourcing-Ansatz Kapazitäten parallel zu betreiben. Dabei kommen nur die für eine Synchronisation der Inhalte benötigten Minimalkapazitäten zum Einsatz. Im Notfall werden diese dann derart erweitert, wie es für den zu überbrückenden Zeitraum nötig ist.
Weitere Möglichkeiten, Betriebsrisiken abzusichern, ereben sich, wenn die Cloud Exchange das Angebot der auf ihr handelbaren Produkte in Richtung SaaS-Produkte (Software as a Service) erweitert. Denn das bedeutete, dass standardisierte Funktionen von verschiedenen Anbietern bezogen werden können.