Aus Einzelkämpfern Teamplayer machen

Wie agil ist Ihr Vertrieb?

Stefan Körner ist Coach und Organisationsberater für IT-Dienstleister. Seine Schwerpunkte setzt er in die Themen Führung 4.0 und Servicekultur. Dabei stützt er sich auf über 20 Jahre an Berufserfahrung bei IT-Dienstleistern und Managed Service Providern in Deutschland der Schweiz und Großbritannien.
Agilität ist nur was für Entwickler. Wirklich? Nein! Agilität hilft generell, komplexe Aufgaben zu lösen. Und diese gibt es gerade auch im Vertrieb.

Wenn wir uns die gängige Praxis anschauen, stoßen wir im Vertrieb auf Strukturen, die durch "Command & Control" geprägt sind. Agilität sucht man in der Regel vergeblich, stattdessen legen individuelle Zielvereinbarungen fest, welchen Umsatz oder Gewinn der einzelne Vertriebsmitarbeiter innerhalb gewisser Zyklen erreichen muss. Zugrunde liegt eine Überzeugung, die Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt wurde. Demnach ist Motivation nur durch externe Anreize möglich - Zuckerbrot und Peitsche. Fehlen diese Anreize, so die Theorie, ist keine Höchstleistung zu erwarten.

Die Kernpunkte von Agilität sind Transparenz, Kundenfokus, Teamarbeit, Kommunikation und der Wille, sich stetig verbessern zu wollen.
Die Kernpunkte von Agilität sind Transparenz, Kundenfokus, Teamarbeit, Kommunikation und der Wille, sich stetig verbessern zu wollen.
Foto: nd3000 - shutterstock.com

Dass dieses System am Fließband vor etwa hundert Jahren entwickelt wurde, interessiert heute kaum noch jemanden, obwohl sich doch unsere Arbeitsformen radikal geändert haben. Und trotz wissenschaftlicher Studien, die belegen, dass externe Anreize wie Zahlungen von Boni zur Lösung komplexer Aufgaben keinen Beitrag liefern, gehören sie heute zum Mantra im Vertrieb. In manchen Fällen sind solche Bonussysteme sogar kontraproduktiv, weil sie die Sicht auf kreative Lösungen einschränken, wie Daniel Pink in seinem Buch "Drive" beschreibt (Daniel H. Pink, Drive, Canongate Books, 2011).

Agilität ist eine Haltung, keine Methode

Kommen wir zurück auf den Vertrieb. Hier produzieren wir Einzelkämpfer, die täglich versuchen, die Balance zwischen Vertriebserfolg und Reporting zu finden. Synergien aus den unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen im Team gibt es nicht. Jeder steht im Wettbewerb zum Kollegen. Konkurrenz belebt das Geschäft, heißt ein weitverbreiteter Glaubenssatz. Ein Trugschluss, der sich auch daran zeigt, wie verletzlich Firmen werden, wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt.

Dass es alle so machen, heißt ja nicht, dass man es nicht noch besser machen könnte. Und hier kommt Agilität ins Spiel - nicht als Methode, sondern als Haltung.

Die Kernpunkte von Agilität sind Transparenz, Kundenfokus, Teamarbeit, Kommunikation und der Wille, sich stetig verbessern zu wollen (Kaizen).

Transparenz dient hier nicht zur engmaschigen Kontrolle, sondern zeigt auf, was an Tätigkeiten wirklich wertschöpfend ist. Alles andere ist "Waste" und sollte auf ein Minimum reduziert werden. Dazu gehören auch rituelle Reportings und ausschweifende Sales Meetings.

Lesetipp: Agilität und Unternehmenskultur

Mit dem Kappen des Overheads richtet sich der Fokus stärker auf den Kunden. Und letztendlich ist es der Kunde, der die Rechnungen zahlt und damit für Umsatz sorgt. Dann lohnt es sich auch, mehr Zeit für Kundengespräche zu haben, um Lösungen zu bieten, die Kunden begeistern.

Agilität schafft Synergien und vermeidet Reibungspunkte

Wenn es zudem noch gelingt, aus den ehemaligen Einzelkämpfern Teamplayer zu machen, können die unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen Synergien zeigen, die die ganze Organisation wirksamer werden lassen. Im Team können unterschiedliche Perspektiven diskutiert und neue Lösungsansätze entwickelt werden. Ganz zu schweigen davon, dass in der Zusammenarbeit Fehler früher erkannt und behoben werden können. Und schon sind auch kontinuierliche Verbesserungen möglich - Schritt für Schritt.

Als Manager kennt man die leidigen Diskussionen darüber, ob die Vertriebsgebiete fair aufgeteilt sind. In einem agilen Team arbeiten dagegen alle am gemeinsamen Ziel, das Unternehmen erfolgreich zu machen. Erfolge können gemeinsam und öfters gefeiert werden und schaffen einen eigenen Teamgeist. Als Nebeneffekt für das Unternehmen verschwindet auch die Verletzlichkeit, falls ein Vertriebler kündigt, da das Team bereits in die Thematik eingearbeitet ist.

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Auch wenn wir es oft nicht wahrhaben möchten: Motivation lässt sich nicht erzeugen. Als Manager können wir nur den Rahmen schaffen, um Motivation entstehen zu lassen. Dass Teams neue Formen der Motivation finden können, zeigt sich an Beispielen wie Wikipedia oder Open-Source-Projekten, die erfolgreich sind, ohne dass Boni bezahlt werden mussten.

Ob nun Scrum, Kanban oder OKR sich besser für den Vertrieb eignen, ist absolut zweitrangig. Zuvorderst muss der Mindset gegeben sein. Agilität im Vertrieb bietet neue und bislang ungeahnte Möglichkeiten - für die Kunden, die Mitarbeiter und das Unternehmen gleichermaßen.

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