Ein wertvoller Schatz - die "First Party"-Daten

Was ist Retail Media?

Dennie-Alexander Trost ist Director Sales CE bei InfoSum und verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in den Bereichen Sales, Business Development und Account Management. In den letzten zwei Jahren baute er ein eigenes Unternehmen auf und kehrte 2022 mit InfoSum zurück in den Technologiesektor. Zuvor war Trost als Market Lead DACH bei Facebook für das Audience Network verantwortlich und in leitender Position bei Xandr (damals AppNexus).
In der Post-Cookie-Ära haben First-Party-Daten massiv an Bedeutung gewonnen. Mit Retail Media können Händler ihren First-Party-Datenschatz vollständig monetarisieren. Um das große Marktpotenzial nutzbar zu machen, bedarf es jedoch neuer Technologien und gilt es einiges zu beachten.
Einen Datenschatz in Geld verwandeln: Mit Retail Media können Händler ihr Kundenwissen in Zusammenarbeit mit Marken, Publishern und Datenanbietern monetarisieren.
Einen Datenschatz in Geld verwandeln: Mit Retail Media können Händler ihr Kundenwissen in Zusammenarbeit mit Marken, Publishern und Datenanbietern monetarisieren.
Foto: ADragan - shutterstock.com

Händler - allen voran Einzelhändler - sitzen auf einem Schatz, der durch den Trend zum Onlineshopping deutlich größer geworden ist und deshalb immer mehr Schatzsucher anlockt:

  • in der Schatztruhe: wertvolle "First Party"-Daten

  • auf Schatzsuche: Werbetreibende, Publisher und Datenanbieter

Doch ist der Datenschatz gefunden, stellt sich die Frage, wie alle Beteiligten gemeinsam davon profitieren können. Hier setzt Retail Media an, indem es alle Akteure dabei unterstützt, diesen Schatz zu heben.

Deshalb wird Retail Media so heiß diskutiert

Diese Win-win-Situation gelingt, weil unternehmenseigene First-Party-Daten in der Post-Cookie-Ära massiv an Bedeutung gewonnen haben - sowohl online von eingeloggten Kunden, als auch offline aus Loyalitätsprogrammen und Käufen am Point of Sale (PoS). Gleichzeitig können Händler mit Retail Media ihren First-Party-Datenschatz vollständig monetarisieren.

Dazu ermöglichen sie es den Werbetreibenden, ihre First-Party-Daten mit den Shopping-Daten abzugleichen, was den Advertisern neue Erkenntnisse über ihre Kunden verschafft. Auf Basis dieser Daten, die sich direkt am Point of Sale befinden, können sie potenzielle Kunden über die verschiedenen Kanäle des Händlers ansprechen.

Das geschieht nicht nur über gesponserte Produktanzeigen in Webshops oder Apps - also klassisches Shopper-Marketing, mit dem Retail Media häufig in Verbindung gebracht wird. Auch Off-Site-Aktivierungen abseits von Marktplätzen und Onlineshops können Teil einer Retail-Media-Kampagne sein. Dabei werden die Erkenntnisse über die Shopper-Zielgruppe der Händler für die Aktivierung bei anderen Publishern genutzt, um potenzielle Kunden dort zu erreichen, wo sie sich Inhalte ansehen - im Fernsehen, via Audio oder über Display Ads.

Publisher und Datenanbieter können neue Umsatzpotenziale erschließen, indem sie durch den Aufbau von Geschäftsbeziehungen mit Händlern und Marken anderen Akteuren die Nutzung ihrer Datensätze ermöglichen. Auch die Kundschaft profitiert durch relevantere Werbeanzeigen. First-Party-Daten sind also das neue Gold und alles ist gut? Die Sache hat einen Haken: Niemand teilt gerne seinen Schatz.

Zusammenarbeit auf Retail-Media-Netzwerken

Die zahlreichen Vorteile von Retail Media sind der Grund dafür, dass diese Werbegattung heute kein Trend mehr ist, sondern längst ein fester Bestandteil von Werbestrategien. Branchenverbände prognostizieren Ausgaben für Retail Media in Höhe von 25 Milliarden Euro bis 2026 und Branchenexperten erwarten, dass die Werbeausgaben für Retail Media dann die der traditionsreichen Fernsehwerbung übersteigen. Um das große Marktpotenzial für alle Beteiligten nutzbar zu machen, bedarf es technologischer Werbeinfrastrukturen, die die Zusammenarbeit von Händlern, Advertisern, Publishern und Datenanbietern ermöglichen.

Herkömmliche Technologien können dies jedoch nicht leisten. Diese Funktion übernehmen neue Formen der Datenkollaborationen in Retail-Media-Netzwerken. Diese Art der Zusammenarbeit erschließt nicht nur neue Erkenntnisse für die Zielgruppenplanung und -aktivierung, sondern ermöglicht auch eine schnellere und genauere Messung des inkrementellen Erfolgs durch die Analyse von Outcome- und Exposure-Daten - also den Daten darüber, wer etwas gekauft hat und wer der Werbung ausgesetzt war.

Eine Unterhaltungselektronik-Marke kann so die Schnittmenge zwischen den Konsumenten ermitteln, die ein Gerät entweder bei ihr oder einem Einzelhändler gekauft haben, und denjenigen, an die sich die Retail-Media-Kampagne gerichtet hat. Durch die gemeinsame Nutzung der Shopper-Marketing-Daten der Händler, der Verkaufsdaten der Advertiser und der Exposure-Daten der Publisher trägt jeder Akteur eines Retail-Media-Netzwerks seinen Teil dazu bei, den Kampagnenerfolg ganzheitlich auf Basis der Ergebnisse des Online- und Offline-Handels zu messen.

Die Hoheit über den Datenschatz behalten

Die bloße Verknüpfung der Akteure in einem Retail-Media-Netzwerk reicht jedoch nicht aus. Bei einem Datenabgleich in einem solchen Netzwerk sollten die Händler darauf achten, ihren wertvollen Datenschatz nicht zu teilen. Denn das Teilen von Daten birgt das Risiko, dass diese kopiert und mit anderen Datensätzen vermischt werden. Zudem setzt ein solches Vorgehen die Privatsphäre der Verbraucher aufs Spiel, was wiederum die Wahrscheinlichkeit kostspieliger Datenschutzverletzungen und des Vertrauensverlustes erhöht.

Eine Möglichkeit, die Netzwerke datenschutzsicher zu gestalten, ist der Einsatz von Data-Clean-Room-Technologien in einem Retail-Media-Netzwerk. Data Clean Rooms haben sich als eine Lösung etabliert, mit der verschiedene Parteien ihre First-Party-Daten verknüpfen können, um gemeinsam Erkenntnisse zu generieren.

Doch auch hier gibt es Unterschiede: Reine Data Clean Rooms stellen sicher, dass alle Daten durchgängig geschützt und nicht geteilt werden. So behalten alle Akteure die Hoheit über ihren First-Party-Datenschatz. Diese sicheren Data Clean Rooms ermöglichen einen schnellen Abgleich von Datensätzen und liefern tiefe Insights auf eine Art und Weise, die für Marketer intuitiv umsetzbar und auswertbar ist. So können sie effektive Kampagnen planen, die die richtige Botschaft zum bestmöglichen Zeitpunkt an die passende Zielgruppe bringt.

Ist der Hype gerechtfertigt?

Gemessen an den Werbeausgaben ist Retail Media derzeit einer der am schnellsten wachsenden Kanäle. Retail Media hat sich längst über das reine Shopper-Marketing hinaus entwickelt und bereits einen festen Platz im Marketing-Mix eingenommen. Händler fungieren nicht mehr nur als Inventaranbieter, sondern bieten den Advertisern eine ganzheitliche und zielgruppenorientierte Media-Lösung an. Die eingangs gestellte Frage, ob der Hype gerechtfertigt ist, lässt sich somit mit einem klaren "Ja" beantworten.

Wie geht es weiter? Es ist davon auszugehen, dass viele Marketer ihre Werbebudgets in Richtung Retail Media verlagern werden, um von den First Party-Daten der Händler zu profitieren. Logisch, denn es macht ja auch Sinn, die Kunden dort anzusprechen, wo ihre Kaufabsicht am größten ist. Händler werden sich die Chance nicht entgehen lassen, ihre Daten zu monetarisieren, ohne sie aus der Hand geben zu müssen. Der Markt für Retail Media wird daher in den nächsten Jahren stark wachsen - denn Retail Media eignet sich potenziell für Händler jeder Größe, die ihre Daten zugänglich machen wollen, um von personalisierter Online-Werbung zu profitieren.

Retail-Media-Netzwerke sind erst der Anfang

Ausgehend vom Retail-Media-Hype stellt sich für die Werbebranche eine neue, übergeordnete Frage: Warum sollen nur Händler von Media-Netzwerken profitieren, die mit hoher Qualität und Reichweite neue Werbemöglichkeiten eröffnen? Was ist mit anderen Bereichen wie Gaming, Automotive und dem gerade ebenfalls stark wachsenden Werbekanal Connected TV?

Die ersten Schritte in Richtung von Media-Netzwerken auf Basis von echten Data Clean Rooms werden derzeit von Händlern gemacht, aber weitere Branchen werden nicht lange auf sich warten lassen. Denn die Möglichkeit, First Party-Daten datenschutzsicher abzugleichen, um datengetriebene Online-Werbung zu realisieren und gleichzeitig den Marketingkreislauf durch die Integration von Exposure- und Shopping-Daten auf Transaktionsebene zu schließen, ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel im Werbeökosystem. Die Chance, dieses Potenzial zu nutzen, liegt nicht in der Zukunft. Sie liegt im Hier und Jetzt. (bw)

Mehr zum Thema:
iSCM-Analyse 2022: Retail im "New Normal"
RaaS - Retail als a Service - die Zukunft des CE-Handels
"iSCM-Analyse 2023: Perspektivenwechsel im Retail
Die 10 Gebote des neuen Retails

Zur Startseite