Wearables sind nicht nur Gadgets
Wie eingangs schon erwähnt, eignen sich Datenbrillen wie Google Glass, die Moverio von Epson oder die M100 von Vuzix wegen der Möglichkeit, freihändig visuelle Daten aufzunehmen, für eine Vielzahl von Anwendungen in der Industrie, im Baugewerbe, im Gesundheitswesen und in Unternehmen allgemein. Vuzix-Vize Dan C. Cui weist auf eine zusammen mit SAP entwickelte und in Deutschland getestete Logistiklösung mit der M100 hin. Ebenfalls mit SAP ist auch ein Youtube-Video entstanden, das zeigt wie die Datenbrille dem technischen Außendienst beim Ausfall der Stadion-Flutlichter helfen kann. Über die eingebauten Kopfhörer wird er erst zu dem betreffenden Schaltkasten geführt und erhält er dann Anweisungen, welches Modul wie ausgetauscht werden soll - Hollywood lässt grüßen.
Cui zitiert Marktforscher Gartner, wonach Datenbrillen wie die von Vuzix weltweite Einsparungen von über einer Milliarde Dollar pro Jahr beim technischen Außen- und Kundendienst bringen würden. Der chinesische PC-Riese Lenovo hat unlängst die Exklusivrechte für den Vertrieb der M100 in China übernommen. Volker Fassbender, Brand Manager für Lenovos Think-Produkte, macht sich keine Illusion, dass Wearables so bald flächendeckend in Unternehmen eingesetzt werden. Anders als bei Tablets und Smartphones sei der Druck noch nicht groß genug im B2B-Bereich.
Als Anwendungsbereiche für die Vuzix-Datenbrillen nennt Cui die Öl- und Gasförderung, Retail, die Schwerindustrie, MRO (Wartung, Reparatur und Abfertigung oder Operationen) sowie den großen Bereich Gesundheit und Medizintechnik.
Im Auftrag von Gesundheit und Fitness
Gesundheit, neudeutsch auch Health genannt, ist zusammen mit persönlicher Fitness der absolut größte und umsatzstärkste Einsatzbereich von am oder gar im Körper tragbarer Technologie. Krankenversicherer schielen schon auf Fitness-Tracker , um für Risikopatienten wie Übergewichtige oder Raucher zum Beispiel entsprechende Pakete zu schnüren. Aber nicht alles, was möglich ist, sollte auch erlaubt werden. In Deutschland dürfte es schon an rechtliche Grenzen stoßen, wenn neben der Belohnung auch ein finanzielles Bestrafungsprinzip bei Krankenversicherungen greifen würde.
Nach Samsung mit der Galaxy Gear und Pebble erwärmen sich immer mehr Hersteller für Smart Watches und Fitnessuhren. Dazu gehören mittlerweile unter anderem auch LG, Acer, Epson und Huawei. Acer stellt für die zu Android 4.4 und iOS kompatible Liquid Leap mit 1,0 Zoll großem OLED-Touchscreen nicht nur Trainings- sondern auch Produktivitätsfunktionen wie SMS-, Meeting- und Anrufinformationen in den Vordergrund.
Viele der Uhren kommen in asiatisch-knatschigen Farben, was den Eindruck verstärkt, dass es sich rein um Consumer-Gadgets handelt. Aber in schwarz sehen die Liquid Leap oder das Talkband von Huawei richtig nobel aus. Und wenn sie nur dazu dienen, den Chef oder die Chefin diskret aus einem Meeting zu holen, weil anderswo "die Hütte brennt", wird just ein Business Use Case daraus.
In der Tradition der Schwestermarke Seiko als Anbieter der ersten Quarz- und ersten TV-Uhr, welche Roger Moore alias James Bond in Octopussy schmückte, und in der Tradition der Moverio als eine der ersten 3D-Datenbrillen mit GPS-Sensor steigt Epson nun in den Markt für Sport- und Fitnessuhren ein. Da ist einmal die Pulsense mit Aktivitäts- und Herzfrequenz-Tracker und dann die Runsense als GPS-Sportuhr. Erwähnenswert ist auch LGs IFA-Premiere der G Watch R als "erstes Android Wearable mit vollständig genutztem, runden Display". Die Uhr mit P-OLED-Display sieht zunächst gar nicht aus wie eine Smart Watch, sondern wie eine edle Herrenuhr. Dabei bietet sie einen 1,2 GHz schnellen Snapdragon-Prozessor, 512 MB Arbeitspeicher und 4 GB eMMC-Speicher. Hinzu kommen verschiedene Sensoren wie Gyro, Beschleunigungsmesser, Kompass und Barometer. Das Betriebssystem Android Wear ist kompatibel zu Smartphones mit Android 4.3 oder höher. Im Oktober soll die G Watch R zum Preis von 299 Euro nach Deutschland kommen.
"Hören ist High Tech"
Nach dem Motto "Hören ist High Tech" hat der Bundesverband der Hörgerätehersteller unter www.ear-fidelity.de schon vor zwei Jahren darauf hingewiesen, dass moderne Hörsysteme ähnlich wie Samsungs Galaxy Gear oder Google Glass ebenfalls in die Kategorie der Wearables fallen und eine Reihe ähnlicher Funktionen bieten. So werden sie ebenfalls am Körper getragen und können sie sich mit anderen Geräten vernetzen, mit Fernsehern und Smartphones zum Beispiel. Über Near Field Magnetic Induction Technology (NFMI) in Verbindung mit Bluetooth können sie Signale annehmen und weitersenden, um über Schnittstellen wie einen Streamer (eine Art Fernbedienung) Audiosignale von anderen Geräten für Schwerhörige besser hörbar zu machen. Noch besser, aber mit hohem Batterieverbrauch und aufwendigerer Konfiguration verbunden, sind Funktechnologien. Eine Umfrage des Verbands mit TNS Infratest und Fink & Fuchs hat ergeben, dass sich überdurchschnittlich viele Betroffene für ein Hörsystem mit Wearable-Funktionen entscheiden würden. Die Befragten erhoffen sich eine Verbesserung des Hörsinns und der Lebensqualität (27 Prozent), gefolgt von "Unauffälligkeit und Entstigmatisierung der Hörsysteme" (14 Prozent).
Wearables, ob Smart Watches, Fitnessuhren, Smart Glasses oder eben intelligente Hörsysteme gehören im Grunde alle schon zum Internet der Dinge (IoT). Dieses ist zwar keineswegs dasselbe wie ein Smart Home, wird aber auf der IFA als Consumer-Messe vielfach gemeinsam betrachtet. Im Privaten wie in Unternehmen setzen sich dabei Funktechnologien wie Bluetooth Smart (Low Energy) und Zigbee sowie die mit Bluetooth verwandten iBeacons immer mehr durch.
Das Internet der Dinge und Smart Home
Für viele ist der Begriff Smart Home zu einseitig auf die Consumer-Ecke beschränkt. Klaus Donath, Senior Director Value Business bei Ingram Micro, spricht auch lieber von Gebäudeautomation und Vernetzung. Doch Smart Home hat sich nun einmal eingebürgert und so sagt er: "Im Privatbereich helfen Smart Home-Produkte dem Konsumenten, Energie zu sparen, beispielsweise durch die automatische Regulierung von Beleuchtung und Heizung. Im Geschäftsbereich erleichtern durch RFID-Chips belebte Geräte den Arbeitsalltag, indem sie Produktionsleerläufen vorbeugen und Fehler verhindern. Sowohl im Geschäfts- als auch im Privatbereich führt das Internet der Dinge zu mehr Flexibilität und Schnelligkeit und somit zu einer besseren Energiebilanz."
Lösungen zur Steuerung der Heizungsanlage über das Telefon etwa gab es schon sehr früh. Manche Unternehmen wie der US-Konzern Honeywell oder die Firma Claus Heinemann aus München haben eine lange Tradition darin. So richtig ins Rollen gekommen ist der Smart-Home-Zug durch Smartphones und die Möglichkeit, darüber Smart-TVs, netzwerkfähige Receiver und andere Geräte zu steuern, daher vielleicht der Begriff Smart Home. Im Vorfeld der IFA hat unter anderem iHaus von sich Reden gemacht. Das Unternehmen ist ein Spin-off der Claus Heinemann Elektroanlagen GmbH, die seit vielen Jahren eine Vielzahl von Individuallösungen wie Schwimmbadsteuerung entwickelt.
Die Macher von iHaus gehen den IP-adressierbaren Weg, sie sehen sich als Software-Lösungsanbieter und "Applikationsspezialisten für alle Herausforderungen des Internet der Dinge und der Konnektivität von Lebenswelten" mit der Vision "eine einfach und intuitiv zu bedienende Steuerungslösung, die es erlaubt, herstellerübergreifend Haustechnik und Lifestyle-Geräte zu einem kinderleicht zu bedienenden System zusammenzufassen". Über die iHaus App sollen beliebig viele Geräte verschiedener Anbieter, etwa die Sonos-Lautsprecher, miteinander kommunizieren können. Das Ziel ist, wegzukommen von den vielen bis dato bestehenden Silo- oder Insellösungen.
Mit dem Ziel, eine Plattform für die Vernetzung aller Geräte im Haushalt oder im Unternehmen zu schaffen, ist auch die Deutsche Telekom mit Qivicon angetreten. Partnerunternehmen sind unter anderem Miele, Samsung, EnBW, Belkin, D-Link, digitalSTROM, Philips und Vattenfall. Auf der diesjährigen IFA sollen eine Reihe von fertigen Lösungen vorgestellt werden. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch von anderen Unternehmen und Konsortien. Miele will auf der IFA mit Vernetzung durchstarten, erklärt Pressesprecher Michael Prempert. So werden ab der IFA nachrüstbare Kommunikationsmodule für eine Vielzahl neuer Geräte verfügbar sein und es wird auch eine Miele App im Qivicon-Portal geben. Darüber lässt sich zum Beispiel aus der Ferne ablesen, ob der Herd ausgeschaltet ist, oder mitten beim Einkauf die Super-Frostfunktion aktivieren, wenn leicht verderbliche Ware im Korb ist. Bosch nennt das Thema Home Connect und will damit auf der IFA und im Nachgang ab November ebenfalls durchstarten. Die Vernetzung von Weißer Ware und anderen Geräten im Haushalt riecht zwar stark nach CE, aber je teurer die Lösung und je betuchter die Klientel, desto mehr wird traditionell ein Business Case daraus.