Verhaltener Optimismus für 2003 - Aufschwung aber erst ab 2004

09.01.2003
Die deutsche IT/TK-Branche gibt sich nach Angaben des Bitkom kämpferisch. Die Unternehmen lassen sich nicht entmutigen und zeigen für das Jahr 2003 verhaltenen Optimismus. Doch erst für 2004 erwarten sie einen spürbaren Aufschwung.

Die Unternehmen der Informations- und Kommunikationswirtschaft wollen sich nicht entmutigen lassen. Für das Jahr 2003 überwiegt in den meisten Segmenten sogar ein verhaltener Optimismus. Dies zeigen die Ergebnisse des aktuellen Branchenbarometers des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom). Demnach rechnen 54,4 Prozent der Unternehmen für das Jahr 2003 mit steigenden Umsätzen. 28,3 Prozent der Firmen gehen von einem stabilen Geschäft auf Vorjahresniveau aus. Nur 17,2 Prozent der Firmen äußern sich pessimistisch. Hierbei gehen jedoch nur 1,5 Prozent der Unternehmen von echten Einbrüchen um mehr als 10 Prozent minus aus. Dem stehen 8,2 Prozent der Unternehmen gegenüber, die mit einem außerordentlich dynamischen Wachstum um mehr als 10 Prozent rechnen.

Insgesamt soll der deutsche ITK-Markt in 2003 leicht um 0,4 Prozent auf 136,5 Milliarden Euro wachsen. "Wir haben das schwierigste Jahr in der Geschichte der ITK-Branche hinter uns", kommentierte Bitkom-Vizepräsident Willi Berchtold anlässlich der Vorstellung der Umfrageergebnisse in München. "Für das Jahr 2003 überwiegt in den meisten Segmenten eine recht zuversichtliche Grundstimmung, auch wenn wir mit einer echten Erholung nicht vor 2004 rechnen können."

Diese Einschätzung bestätigt auch der Bitkom-Branchenindex. Dieser wurde erstmals im Juni 2001 gebildet und zeigt die Stimmung in der Branche. Damals sei die Konjunktur nach dem Boomjahr 2000 gerade am Kippen gewesen. Der Index fiel von 100 Punkten im Juni 2001 auf 85 Punkte im Dezember, stürzte dann auf 44 Punkte im Juni 2002 ab und ist nun wieder auf 60 Punkte geklettert. "Zum Jahreswechsel hellte sich das Klima allmählich auf", so Berchtold. "Von der früheren Euphorie sind wir aber noch weit entfernt."

Berchtold appellierte an die Politik, die ITK-Branche gerade jetzt nicht mit weiteren Abgaben und Steuern zu belasten, sondern das Steuer-system zu vereinfachen, das Arbeitsrecht zu entschlacken, die Effizienz im öffentlichen Bereich zu erhöhen und Innovationen in Deutschland für den Weltmarkt zu fördern.

Die Gewerkschaften forderte Berchtold auf, auch an diejenigen zu denken, die keine Arbeit hätten. "Je teurer die Arbeit und je starrer die Arbeitsverhältnisse werden, umso weniger Arbeitsplätze entstehen." Berchtold appellierte zudem an die Banken: "Die Finanzierungssituation ist für 61 Prozent der Unternehmen zurzeit das größte Prob-lem. Einsteigen statt aussteigen muss das Motto lauten." An die Wirtschaft richtete Berchtold die Botschaft, wieder vermehrt in die Ausbildung zu investieren. Die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse in den vier IT-Berufen sei im Jahr 2002 erstmals gesunken. Berchtold: "Wir müssen jetzt für den Aufschwung der Jahre ab 2004 ausbilden." Auch die Zahl der Studienanfänger in den Informatik-Studiengängen ist wieder gesunken. Hier appellierte Berchtold an den Nachwuchs, sich antizyklisch zu verhalten. "Ingenieurwissenschaften und Informatik haben Zukunft", so der Bitkom-Vize. Wer sich heute für ein einschlägiges Studium entscheide, komme genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Arbeitsmarkt.

Berchtold: "Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen, dann bekommen wir die Konjunktur wieder flott." Es dürfe nicht darum gehen, Besitzstände zu wahren, sondern aus vergangenen Fehlern zu lernen und aus der Krise dasBeste zu machen. Berchtold: "Wir müssen Schluss machen mit dem Durchwursteln und endlich die strukturellen Probleme angehen. In der Krise liegen gleichzeitig Notwendigkeit und Chance zur Veränderung. Diese Chance müssen wir jetzt ergreifen."

Positive Signale kommen momentan vor allem aus den Segmenten Internet- und Online-Dienste sowie den Mobilfunkdiensten. "Es ist kein Ende der Internet-Begeisterung in Sicht", freut sich Berchtold. Das zeige die Zahl von zurzeit 36 Millionen deutschen Internetnutzern. Der Mobilfunk- und Internetmarkt gewinne an Reife. "Das überhitzte Wachstum früherer Jahre ist vorbei. Für die Zukunft rechnen wir mit soliden Steigerungen auf hohem Niveau", so Berchtold.

Licht und Schatten in den einzelnen Segmenten

Die früheren Zugpferde der Branche, Software und IT-Services, hatten in 2002 erstmals Umsatzrückgänge zu verzeichnen. Für 2003 rechnen knapp 60 Prozent der entsprechenden Anbieter allerdings wieder mit steigenden Einnahmen. Neue Lösungen in den Bereichen Web Services, Knowledge Engineering & Management, Human Ressource Management, Sprachsteuerung und Digital Rights Management stehen im Mittelpunkt des Kundeninteresses. Die gewerblichen Anwender werden die nächs-ten Jahre nutzen, um durch so genannte "Enterprise Application Integration" die bestehenden Sys-tembrüche zu schließen und künftig von der Produktentwicklung bis zum After-Sales-Service ihre Wertschöpfungskette durchgängig zu digitalisieren.

Auch die in diesem Jahr am stärks-ten von Umsatzeinbrüchen betroffenen Anbieter von IT-Hardware und Endgeräten äußern sich wieder vorsichtig hoffnungsvoll. Knapp die Hälfte dieser Unternehmen rechnet für 2003 mit einem leichten Umsatzwachstum.

Schwierig bleibt es jedoch weiterhin für die Hersteller von Telekommunikations-Infrastruktur. Zwei Drittel der Unternehmen mussten im vorigen Jahr zum Teil erhebliche Umsatzrückgänge hinnehmen. Auch für 2003 rechnen nur 29 Prozent der Unternehmen mit einem leichten Wachstum. 39 Prozent der Infrastrukturanbieter gehen hingegen davon aus, dass die Talfahrt auch 2003 noch nicht zu Ende sein wird. Die UMTS-Lizenzgebühren belasten den Markt weiterhin stark.

Andererseits spart der Bund pro Jahr etwa zwei Milliarden Euro an Zinsen, da er seine Schulden durch die Lizenzeinnahmen um 50 Milliarden Euro reduzieren konnte. Die Zinsbelastung des Bundes sinkt hierdurch um etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr. Berchtold forderte von der Regierung, diese Mittel in Forschung, Entwicklung und neue Dienste im UMTS-Umfeld zu investieren. Außerdem brauche die Branche ein Startzeichen für den Aufbau des digitalen Polizeifunks BOS.

Hemmschuh: Finanzierung und Steuerpolitik

Finanzierungsprobleme stehen heute für 61 Prozent der IT/TK-Unternehmen an erster Stelle der Markthemmnisse. Sie werden hervorgerufen durch eine spürbare Kreditzurückhaltung der Geschäftsbanken und Sparkassen sowie durch einen zunehmenden Preisdruck. Gerade auch die Gründungs- und Early-Stage-Finanzierung wird immer schwieriger. Zur Sicherstellung der Finanzierung müssen die Unternehmen ihre Eigenkapitalausstattung weiter verbessern. Dies könne durch Einsatz von Beteiligungskapital oder durch Nutzung alternativer Finanzierungsformen erfolgen. Unabhängig davon werde aber die Fremdfinanzierung ihren hohen Stellenwert behalten. Berchtold forderte die Banken auf, sich nicht aus der Branche zurückzuziehen, sondern wieder verstärkt in technologieorientierte Unternehmen zu investieren.

Diese Probleme würden verstärkt durch die aktuellen Diskussionen um Steuererhöhungen. Unsicherheit, mangelnde Transparenz und eine hohe Belastung der Unternehmen haben das Vertrauen der Unternehmen in die Steuergesetzgebung erheblich erschüttert. Die Herausforderung für die Bundes-regierung bestehe darin, das Steuersystem zu vereinfachen und gleichzeitig die Steuerlast zu senken. Jedoch könnten die aktuellen Steuerpläne den aufkeimenden Optimismus in der Branche schnell wieder zerstören.

IT-Fachkräfte weiterhin Mangelware

Die IT-/TK-Unternehmen könnten sich wieder zum Jobmotor entwickeln, betonte Berchtold. Die Branche habe ausreichend Potenzial, um bei einer wieder anziehenden Konjunktur zusätzlich Mitarbeiter einzustellen. Vor diesem Hintergrund zeigte sich Berchtold besorgt darüber, dass die Zahl der Studienanfänger im Fachbereich Informatik erstmals seit 1995 gegenüber 2001 abnahm (minus 17 Prozent). Auch bei den IT-Berufen wurden im abgelaufenen Jahr weniger Ausbildungsverträge geschlossen als in den Vorjahren. Die Wirtschaft dürfe jetzt aber nicht den Fehler machen und die Investitionen in Aus- und Weiterbildung herunterfahren, meinte Berchtold.

www.bitkom.org

ComputerPartner-Meinung:

Die Krise ist noch lange nicht überwunden, auch wenn die aktuellen Zahlen und Prognosen der Bitkom-Mitglieder eine leichte Entspannung der Situation andeuten. Doch es ist auch der deutliche Wille der Branche erkennbar, sich endlich aus dem Tal der Tränen herauszukämpfen. Und wer für den Erfolg hart arbeiten muss, schätzt ihn umso mehr, auch wenn dieser noch so klein ist. (go)

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