MÜNCHEN: Grundsätzlich hat der Bundesgerichtshof vergleichende Werbung jetzt auch in Deutschland erlaubt. Dennoch werden bei uns wohl kaum Werbespots ê la USA über den Bildschirm flimmern. Denn Unternehmen, die ihre Produkte über Werbung verkaufen, müssen nach wie vor bestimmte Einschränkungen beachten. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen befragte ComputerPartner Rechtsanwalt Wilfried Gaiser aus Baiersbronn.Der Bundesgerichtshof (BGH) hat vergleichende Werbung jetzt zwar grundsätzlich erlaubt; gleichzeitig gibt es aber auch wesentliche Einschränkungen von Seiten des BGH. Um welche wesentliche Einschränkungen handelt es sich hierbei?
Gaiser: Der BGH hat in zwei Urteilen vom 5.2.1998 und 23.4.1998 klargestellt, daß vergleichende Werbung nach der EU-Richtlinie 97/55/EG nicht gegen § 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) verstößt. Die Brüsseler Richtlinie gilt somit, auch wenn sie vom deutschen Gesetzgeber noch nicht umgesetzt worden ist. In dieser EG-Richtlinie sind Feststandards bestimmt, die weder unter- noch überschritten werden dürfen. Zur Verdeutlichung: Statt "Parken verboten" heißt es nun "Parken erlaubt, wenn . . ." Diese Einschränkungen beziehungsweise Bedingungen sind:
- Werbung darf nicht irreführend sein.
- Werbung darf nur objektive Eigenschaften von Waren vergleichen, zu denen auch der Preis gehören kann.
- Werbung vergleicht nur Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung.
- Sie verursacht keine Verwechslung zwischen Marken oder Werbenden.
- Sie darf Marken oder Waren von Mitbewerbern nicht herabsetzen oder verunglimpfen.
- Sie bezieht sich auf Waren mit der gleichen Bezeichnung (gilt für Waren mit Ursprungsbezeichnung).
- Sie darf den Ruf einer Marke nicht ausnutzen.
Sie darf keine Imitation oder Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sein.
Vergleichende Werbung muß objektiv und nachprüfbar sein. Heißt das, daß die Nachprüfbarkeit aus der Werbung selbst erkennbar sein muß oder daß der Vergleich einem nachträglichen Beweis zugänglich sein muß?
Gaiser: Auslegungshilfen werden vom BGH nicht gegeben. Ganz im Gegenteil. Er verweist auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH), der die Auslegungsfragen zu beantworten hat. Es bleibt vorläufig offen, ob sich die Nachprüfbarkeit aus der Werbung selbst ergeben muß. Daß die vergleichende Werbung jedoch einem nachträglichen Beweis zugänglich sein muß, wird wohl zu bejahen sein. Ein objektiver Beweis ist der Preis einer Ware oder Dienstleistung.
Wo ist die Abgrenzung zwischen "irreführender Werbung" und "vergleichender Werbung"?
Gaiser: Vergleichende Werbung stellt Vor- und Nachteile von Marken, Dienstleistungen oder Wettbewerbern kritisch gegenüber. Irreführend ist eine Werbung, wenn Angaben unzutreffend sind oder der Verbraucher der Angabe eine andere Wertung entnimmt. An je mehr Menschen sich eine Botschaft richtet, desto unterschiedlichere Eindrücke wird sie hervorrufen. Damit ist Werbung entweder irreführend oder wird mißverstanden. Bei der Werbung "Deutschlands frischester Kaffee" könnte es zum Beispiel für unseren Verbraucher schwierig werden. Die deutsche Rechtsprechung geht von einem Verbraucher aus, der flüchtig und unkritisch ist. Dieser wenig intelligente Verbraucher oder Leser soll geschützt werden, damit er bei seiner Kaufentscheidung nicht wegen der Werbung in die Irre geführt wird. Da der Europäische Gerichtshof seinen Verbraucher für cleverer, nämlich kritisch prüfend, verständig und umsichtig hält, wird dies die deutsche Rechtsprechung auch beeinflussen.
Ein schwer einzuschätzender Grenzbereich ist auch die Bestimmung "Vergleichende Werbung darf Marken und Produkte von Mitbewerbern nicht herabsetzen oder verunglimpfen". Was ist damit genau gemeint, und was ist hierbei von werbetreibender Seite zu beachten?
Gaiser: Die kritisierende Werbung nimmt konkreten Bezug auf erkennbare Mitbewerber oder Marken. Diese werden negativ beurteilt. Das heißt, sie werden herabgesetzt. "Unser preiswertester Kaffee schmeckt besser als bei vielen das Beste vom Besten" ist ein Beispiel, wie die Ware der Mitbewerber schlagwortartig pauschal abgewertet wurde. Herabsetzen einer Marke greift auch in den wirtschaftlichen Bestand eines Unternehmens ein, da oft die Marke mehr Finanzkraft hat als die Firma selbst. Geschäftsschädigende Äußerungen sind vom Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit nicht allein schon deshalb ausgenommen, weil sie wahr sind. Darin kommt der Grundsatz des Leistungswettbewerbs zum Ausdruck auf Preiswürdigkeit, Güte und Service des eigenen Angebots abzustellen. Daher ist es sinnvoll, alles was sich hier nach einer "Beleidigung" der Ware oder Dienstleistung des Mitbewerbers anhört, besser vorher prüfen zu lassen, um rechtliche Ansprüche zu vermeiden.
Der reine Preisvergleich ist in den Richtlinien des BGH ausdrücklich erwähnt und ist zulässig. Damit wird der Angriff von Niedrigpreis-Wettbewerbern auf führende und hochpreisige Marken eröffnet. Wie schätzen Sie diese Art der vergleichenden Werbung ein?
Gaiser: Der Angriff von Niedrigpreis-Werbung hielt in anderen Ländern immer nur kurzzeitig an. Er bringt zwar eine Markttransparenz und Verbraucherinformation bei gleichartigen Waren. Aber jeder "Angriff" wurde auf den Preis einer bestimmten Ware mit einem "Gegenschlag" auf ein anderes Produkt beantwortet. Dies kostet beide Seiten regelmäßig neben Geld auch Nerven und Kunden. Deshalb wurde manche Preisvergleichs-Schlacht unspektakulär ruhig von beiden Seiten beendet. Letztlich entscheiden - wie so oft - auch hier Service und Qualität.
Gibt es im Gegensatz zu den vom BGH erlassenen Richtlinien auf europäischer Ebene eventuell doch legale "Schlupflöcher" für Werbetreibende in Deutschland?
Gaiser: Die Formulierungen der EU-Richtlinie werden vorerst eine Welle von einstweiligen Verfügungen und Prozessen nach sich ziehen. Jedenfalls bis auch hier eine klare Richtung der Rechtsprechung vorliegt. Was zum Beispiel als "objektiv nachprüfbar" im jeweiligen Einzelfall gilt. "Schlupflöcher" wie zum Beispiel Testberichte wird es weiterhin geben.
Gibt es zu diesem Thema schon Erfahrungswerte aus europäischen Nachbarländern?
Gaiser: Viele. Doch nach wie vor haben wir das strengste Wettbewerbsrecht in Europa. Zur Illustration ein paar Beispiele: Wer in Italien seine Ware als "die beste" oder als "einzigartig" anpreisen will, braucht es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. Es wird hier übereinstimmend eine bloße unschädliche Übertreibung gesehen, bei der der Verbraucher von sich aus seine Abstriche machen werde. Auch in Spanien und Frankreich ist die unschädliche Übertreibung bestens bekannt. Die Gerichte beurteilen dort nach der Figur des Durchschnittsverbrauchers, mit normaler Intelligenz und Aufmerksamkeit gesegnet, der den Geldbeutel nicht so rasch aufmacht. In Deutschland ist diese Werbung unzulässig, es sei denn, sie kann bewiesen werden. Es liegt auf der Hand, daß hier die Übertragung von Erfahrungswerten nicht eins zu eins übernommen werden kann.
Rechtsanwalt Wilfried Gaiser: Statt "Parken verboten" heißt es
nun "Parken erlaubt, wenn . . ."