Nur „Frau“ und „Herr“ reichen nicht aus

Urteil zur korrekten Anrede im Online-Shop

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Online-Shops, die Kunden nur die Anrede „Frau“ oder „Herr“ zur Auswahl anbieten, verstoßen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – so das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem jetzt veröffentlichten Urteil.
Online-Shops, die bei der Anrede nur 'Frau' oder 'Herr' zur Auswahl anbieten, verstoßen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Online-Shops, die bei der Anrede nur 'Frau' oder 'Herr' zur Auswahl anbieten, verstoßen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
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"Eine Person nichtbinärer Geschlechtsidentität, die beim 'Online-Shopping' nur zwischen den Anreden 'Frau' oder 'Herr' auswählen kann, wird unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wegen des Geschlechts benachteiligt und in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt", so das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 14. Dezember 2021 (Aktenzeichen 24 U 19/21).

Christian Solmecke von der Kanzlei Wilder Beuge Solmecke weist in einem Blogbeitrag zu dem Urteil darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht bereits 2017 entschieden hat, dass die Auswahlmöglichkeiten "männlich" und "weiblich" im Geburtenregister intersexuelle Personen diskriminiert. "Seit Ende 2018 können Menschen, die sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren, im Geburtenregister die Option 'divers' auswählen", schreibt Solmecke. "Unternehmen dürfen (potentielle) Kunden insofern nicht aufgrund ihres Geschlechts pauschal ausschließen. Es muss ihnen möglich sein, ein Bestellformular wahrheitsgemäß auszufüllen - ohne dabei ihre geschlechtliche Identität falsch anzugeben."

Im konkreten Fall hatte die klagende Person am 24.10.2019 beim Standesamt erwirkt, dass in der Rubrik "Geschlecht" in ihren Personenstandsdaten sowie im Pass "ohne Angabe" eingetragen wurde. Kurz darauf, am 19.10.2019 bestellte sie über die Webseite eines mittelständischen Bekleidungsunternehmen zwei Laufhosen. Für die Registrierung und den Kauf war zu dem Zeitpunkt die Auswahl zwischen den Anreden "Frau" oder "Herr" erforderlich. Eine dritte Möglichkeit oder die Option, keine Angabe zu machen, gab es nicht.

Diskriminierung ja, Schmerzensgeld nein

Am 15.11.2019 besuchte die Person den Online-Shop erneut. Die an dem Tag aufgegebene Bestellung wurde mit der Anrede "Sehr geehrter Herr B." bestätigt. Daraufhin schaltete der Kunde einen Anwalt ein und machte Ansprüche auf Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro geltend. Außerdem wurde die Unterlassung weiterer Diskriminierungen und die Übernahme der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie Datenauskünfte nach der DSGVO geltend gemacht. Der Shop-Betreiber lehnte die Ansprüche im Wesentlichen ab.

Bereits das Landgericht lehnt die Klage ab. Dabei kam dem Händler zugute, dass er seit Februar 2020 die Anredeoption "divers" in der Registrierungsmaske des Online-Shops anbietet. In der Kaufbestätigung und in der weiteren Kommunikation wird ein solcher Kunden dann mit "Guten Tag" sowie Vor- und Nachnamen angesprochen.

Die Forderung nach Schadenersatz lehnte nun auch das Oberlandesgericht ab. Seiner Ansicht nach liegt in dem konkreten Fall zwar eine Diskriminierung vor, sie erreiche aber nicht die für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Intensität. Die klagende Person hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

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