Vergangenes Jahr drängte der Bitkom händeringend darauf, ganz viele ausländische ITK-Fachkräfte mittels der Green Card ins Land zu holen, da ansonsten die Branche keine Überlebens- und Konkurrenzchancen habe. Heute, ein Jahr und 10.000 Green Cards später, stehen die ers-ten Karteninhaber schon wieder arbeitslos auf der Straße. Sie wurden wie Tausende andere Mitarbeiter wegen anhaltender Nachfrageflaute und Umsatzeinbußen "abgebaut". Andererseits müssen immer wieder Firmen Aufträge ablehnen oder kommen in Produktions- und Lieferverzug, da ihnen ausreichend Personal fehlt.
Was ist nur los mit der Branche? Wie kann man dieses Paradoxon erklären? Die Schwierigkeiten sind vielschichtig und zum Teil hausgemacht. Da sind erst einmal Marktbereiche, die besonders stark von der Rezession betroffen sind, während andere Segmente derzeit einen Boom erfahren. Zu den potenziellen Verlierern gehören vor allem junge Unternehmen mit Electronic-Business-Aktivitäten sowie Hardwarehersteller wie zum Beispiel PC- und Handyproduzenten.
Viel besser geht es da Unternehmen, die Integration der E-Business-Anwendungen mit der Datenverarbeitung im Hintergrund anbieten, Management der Kundenbeziehung (CRM) oder IT-Sicherheit zu ihrer Kernkompetenz erhoben haben.
Grundsätzlich wird aber auch die Qualifikation des Mitarbeiters neu definiert. Wurden in der Phase der gigantischen Wachstumsschübe Arbeitnehmer eingestellt, die sich ihr teilweise geringes Know-how in Volkshochschulkursen angeeignet hatten, erwarten die Personalchefs heute konkretes, sehr hoch angesiedeltes Fachwissen.
Auf der Suche nach Qualität
Fassade ist nicht mehr gefragt. Vor allem Spezialisten für das Front-end, also Website-Designer oder Konzeptentwickler für Internetauftritte, haben momentan schlechte Karten. Stattdessen werden Leute für das Backend gesucht, also für die Prozesse, die tief in die Unternehmensstruktur eingreifen. Dazu gehören Spezialisten für Oracle-Datenbanken, Programmierer und Systemingenieure, aber auch Vertriebsmitarbeiter.
Und das schlägt sich auch in der Statistik nieder. Dem neuesten Bericht der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zufolge sind im September die Arbeitslosenzugänge aus dem Bereich Datenverarbeitung besonders stark gestiegen, während gleichzeitig wesentlich weniger freie Stellen gemeldet wurden. Andererseits hat SAP im ersten Halbjahr konzernweit bereits 2.500 neue Mitarbeiter eingestellt und sucht immer noch mindestens 500 weitere.
Ebenfalls auf der fast schon verzweifelten Suche nach qualifizierten Mitarbeitern sind die Wirtschaftsberater Cap Gemini oder Ernst & Young. Auch Klaus Eberhardt, Geschäftsführer der Softwarefirma Iteratec, sucht Personal, jedoch nur noch spezialisierte Softwareentwickler.
Selbst Hardwarehersteller, denen die diesjährige Nachfrageflaute bei PCs besonders weh tut, stellen Leute ein. Fujitsu Siemens Computers, Maxdata und Dell haben zum Teil Stellen abgebaut, suchen andererseits aber nach neuen Mitarbeitern. Entscheidend ist hier, für welchen Firmenbereich die Neuen gesucht werden. FSC will laut Bernd Bischoff, Executive Vice President Sales, Marketing & Customer-Service, allein in Deutschland 200 Mitarbeiter in den Bereichen Sales-, Professional-Services- und Infrastruktur einstellen. Direktanbieter Dell hat ebenfalls 120 Arbeitsplätze in den Bereichen Direktverkauf und Vertrieb zu besetzen.
Auch kleinere Unternehmen - Hersteller, Distributoren und auch Systemhäuser - suchen neue Mitarbeiter. Sie werden aber in diesem Jahr eher handverlesen. Holger Laufenberg, Geschäftsführer von Selling Point, sucht erfahrenes Personal für die Bereiche TeleSales und Assemblierer. Torsten Duffner, Geschäftsführer der Leo Computer & Kommunikations GmbH, ist ebenfalls bereit, seinen Mitarbeiterstamm aufzustocken.
Entlassungen schaden Firmen
"Downsizing", "Arbeitskräfte freisetzen" - all diese Synonyme für die Streichung von Arbeitsplätzen verschleiern nur eine kurzfristige Bilanzbeschönigung, die letzten Endes dem Unternehmen mehr Schaden als Nutzen bringen. Das haben Unternehmensberater wie Bain & Company oder die Münchener Masai Deutschland GmbH festgestellt.
Zuerst einmal die nackten Zahlen: Allein bei den Abfindungen werden gewaltige Summen fällig. Ein Mitarbeiter, der ein Jahresbruttogehalt von 62.500 Mark hatte und zehn Jahre beim Betrieb beschäftigt war, schlägt mit 25.000 Mark zu Buche. Viel teurer wird es bei den Führungskräften: Schätzungen zufolge sind die Abstandszahlungen so hoch, dass sich eine Entlassung frühestens nach 18 Monaten rechnet. Dazu kommen die Kosten für die Wiederbesetzung der Stelle, die mit einem halben bis eineinhalb Jahresgehältern einkalkuliert werden müssen.
Daneben gibt es noch weitere Fakten, die nach Meinung von Masai Entlassungen schlecht aussehen lassen. Stellenabbau führe zu Know-how- und Vertrauensverlus-ten sowie zu geringerer Innovationskraft und reduziere die Produktivität. Auch langfristig schaden Entlassungen dem Unternehmen. So fand Bain & Company in einer Langzeitstudie heraus, dass Firmen, die während der zurückliegenden großen Rezession 15 Prozent und mehr Stellen gestrichen haben, noch Jahre später an der Börse schlechter abschnitten als der Durchschnitt der anderen Unternehmen.
www.bain.de; www.masaigmbh.de
ComputerPartner-Meinung:
Wer in dieser angespannten wirtschaftlichen Situation nicht seinen Job oder seine Firma verlieren will, sollte nicht kurzzeitig durch Entlassungen Geld sparen, sondern lieber in die Fort- und Weiterbildung des bestehenden Personalstammes investieren. Sicher, Personal ist teuer, aber andererseits mit dem richtigen Fachwissen das wohl wichtigste Wirtschaftsgut eines gesunden Unternehmens. (go)