Ladengeschäfte und kleinere Fachhändler hat die Pandemie ebenso getroffen, wie viele andere Bereiche des Einzelhandels. Der Bitkom-Ifo-Digitalindex, der Geschäftsklima, Geschäftslage und Geschäftserwartungen in der ITK-Branche abbilden soll, sackte im Frühjahr 2020 von einem Wert knapp unter 25 im Januar auf minus 17 im April ab. Inzwischen hat er sich aber wieder erholt: Der aktuellste Wert (von Februar 2021) lag bei 18.
Getroffen hat es vor allem große, langfristige Projekte. Viele Anbieter, Distributoren und Dienstleister, die Firmen helfen konnten, die Veränderungen durch die Pandemie zu bewältigen, konnten dagegen nicht klagen. Das trifft auch auf einen großen Teil der Marktteilnehmer zu, die sich im Bereich Unified Communication und Collaboration (UCC) bewegen. Schließlich waren die meisten Firmen unzureichend auf die Anbindung einer großen Zahl an Mitarbeitern im Homeoffice vorbereitet.
Bleibende Trends sind entstanden
Die TK-Distributoren berichten daher durch die Bank von einer sehr guten Geschäftsentwicklung, sowohl bei der Homeoffice-Ausstattung als auch bei UCC-Lösungen. "Die Arbeit aus dem Home-Office erhöhte das Kaufinteresse an Audio- und Videoequipment massiv", bestätigt Andreas Gruber, Senior Manager Cisco beiIngram Micro. Oliver Hemann, Vorstand bei Michael Telecom, freut sich sogar über Steigerungen von bis zu 150 Prozent in den UCC-Produktgruppen.
Auch bei Tech Data war der Trend erfreulich: "Bei Produkten für das Home-Office konnten wir dreistellig wachsen, und bei Konferenzraumlösungen zweistellig", erklärt Christian List, Business Unit Director Maverick.
Dass Wachstum in Pandemiezeiten nicht selbstverständlich ist, gibt Franjo Vukoja, Director Business Unit UCC bei Allnet zu bedenken. "Eine Branche, die es schafft, trotz aller wirtschaftlichen Hindernisse Wachstum zu generieren, der geht es immer noch sehr gut", bekräftigt Vukoja. Der Allnet-Manager gibt sich nach wie vor begeistert über die geschäftliche Entwicklung im vergangenen Jahr. Er spricht von "Trends, die miteiner unglaublichen Dynamik getrieben wurden", und die "schonungslos in die Zukunft gewiesen haben".
Karl-Heinz Schoo, Head of BU UCC bei Also, vergleicht dazu die Performance von UCC- und herkömmlichen Kommunikationslösungen: "Alle Produkte und Hersteller aus dem Bereich Collaboration haben sich im Gegensatz zu klassischen TK-Systemen positiv entwickelt", sieht er durchaus unterschiedliche Trends.
Kein "Zurück auf vor der Pandemie"
Auch wenn sich in der Corona-Zeit viele nach ihrem früheren Leben und ihren alten Gewohnheiten zurücksehnen, wird vieles, was in den vergangenen zwölf Monaten in den Firmen Einzug hielt, auch künftig bleiben. "Es wird kein 'Zurück auf vor der Pandemie' in Sachen Kommunikation geben", ist sich Rainer Büter, Leiter BU Home Communications bei Eno, sicher.
Firmen haben seiner Ansicht nach sehr schnell gelernt, dass es durchaus Bereiche gibt, die auch ohne direkten Austausch sehr gut funktionieren. "Wir werden noch flexiblere Arbeitsmodelle sehen, die sich wesentlich mehr an den Bedürfnissen der Mitarbeiter orientieren und gleichzeitig den Interessen der Arbeitgeber gerecht werden", prophezeit er.
Für Allnet UCC-Spezialist Vukoja werden die nun in der Pandemie erlernten Verhaltensweisen Bestand haben: "Wenn ich in meine Kristallkugel blicke, dann sehe ich in der Post-Pandemiephase nur noch die neu erlernten Kommunikationsformen", bekräftigt er. Es gebe keinen Weg zurück - und das sei auch gut so.
Sehnsucht nach persönlichen Treffen
Trotzdem sind sich die Experten aus der Distribution darüber einig, dass Online-Meetings persönliche Treffen nicht vollständig ersetzen können. "Viele sehnen sich nach persönlichen Treffen und Austausch Face-to-Face, dementsprechend werden die Präsenzzeiten der Mitarbeiter im Büro und die geschäftlichen Termine vor Ort wieder zunehmen", prognostiziert Michael-Telecom-Vorstand Hemann. Er geht allerdings nicht davon aus, dass dies bis auf Vor-Corona-Niveau zurückpendeln wird.
Auch David Balzer, Senior Manager Unified Communications & Collaboration and Infrastructure bei Ingram Micro, spricht von einer Rückkehr zu den vor der Pandemie gewohnten Arbeitsweisen "nur in Ausnahmefällen". Er geht von einem "Mix aus Home-Office und Büroarbeit" aus. Unternehmen werden die neue Situation auch dazu nutzen, Büroflächen zu verkleinern und künftig "vollumfänglich" auf mobiles Arbeiten setzen.
Also-Experte Karl-Heinz Schoo glaubt zudem, dass Covid-19 unseren Alltag noch länger bestimmen wird. "Wir werden lernen müssen, damit zu leben", lautet sein Fazit. Er sieht aber die positiven Aspekte des "New Way to Work", bei dem Online-Konferenzen weiterhin den Arbeitsalltag prägen. "Wir werden geschäftlich nicht mehr so viel reisen", meint er. Dennoch fehlen auch ihm derzeit der persönliche Austausch mit den Kollegen, das Networking mit Kunden, Herstellern und anderen Marktbegleitern.
In der Zeit nach der Pandemie wird also in der Distribution das Rad nicht zurückgedreht, und die derzeit boomenden Geschäfte werden auch kein Strohfeuer bleiben. Christian List von Tech Data sieht zum Beispiel bei Unternehmen weiterhin Defizite bei der Infrastruktur in Bezug auf Videokonferenzen und Collaboration-Lösungen, auch im Hinblick auf hybride Strukturen: "Zurzeit sind die große Mehrzahl der Meeting-Räume in Deutschland noch nicht videofähig. Hier besteht noch viel Potenzial für unsere Partner", macht er Hoffnung.
Und Komsa-Vertriebsvorstand Steffen Ebner ergänzt: "Natürlich befinden wir uns aktuell in sehr undurchsichtigen und schwierigen Zeiten. Dennoch sehen wir hier ganz klar viele Chancen und Potenziale für unsere Partner und freuen uns, sie bei der Umsetzung ihrer Projekte maßgeblich zu unterstützen."
Wie Systemhäuser aktuell mit Kunden kommunizieren
Was die Distributoren beobachten, können IT-Dienstleister und Systemhäuser aus ihrer Sicht weitgehend bestätigen. Alle bedauern zudem die fehlenden oder nur noch sehr seltenen persönlichen Kontakt zu den Kunden - sehen aber durchaus einige Vorteile in der Online-Kommunikation und dem deutlich reduzierten Reiseaufwand.
"Ein Termin vor Ort bei unseren Kunden ist heute eine Seltenheit - was vor Covid noch undenkbar gewesen wäre", berichtet etwa Oliver Schmidhuber, Leitung Sales Consulting & Cloud Solutions Architect bei ACP IT Solutions. Ihm zufolge werden inzwischen selbst "große Deals online gewonnen und gerade auch Projekte im Cloud-Segment online umgesetzt."
Für Logicalis bestätigt Stefan Gutekunst, Director Networking Collaboration & Security: "Wir kommunizieren mit unseren Kunden und Partnern mittlerweile fast ausschließlich virtuell." Bei Cancom finden laut Alexander Ernst, Director Network & Communication, Termine in Planungsphasen überwiegend virtuell statt. "In der Umsetzungsphase sind Vor-Ort-Termine teilweise unumgänglich, daher findet hier eine hybride Form der Kommunikation statt - so virtuell wie möglich, so physisch wie nötig. Damit haben wir bis jetzt sehr gute Erfahrungen gemacht und konnten bislang trotz dieser Herausforderungen alle Projekte sehr gut bewältigen."
Wolfgang Fehr, Solution Leader Workplace Solutions bei Computacenter, glaubt zwar ebenso, dass der persönliche Kontakt künftig wieder wichtig wird, sieht aber auch Vorteile der derzeit fast ausschließlich virtuell stattfindenden Meetings: "Der Kontakt ist deutlich direkter und häufiger geworden."
ACP IT Solutions setzt unter anderem auf Microsoft Teams, um mit Kunden in Kontakt zu bleiben und via Bild und Sprache zu kommunizieren. Oliver Schmidhuber betont, dass gerade Microsoft Teams jedoch eine Plattform sei, die weitaus mehr als Ton- und Videokonferenzen biete. Daher habe ACP auch intern den Austausch von Dokumenten und die Planung in Projekten mit Teams und den darin enthaltenen Werkzeugen in die Plattform integriert.
Alles bleibt anders nach der Pandemie
"Die Pandemie hat uns gelehrt, bedachter mit Raum und Zeit umzugehen und auch das Thema Mobilität zu überdenken", spannt Anja-Daniela Favuzzi, Leitung Vertrieb bei ACP IT Solutions, den Bogen etwas weiter "Teilweise wird die virtuelle Kommunikationsform bleiben - für den reinen schnellen Informationsaustausch, denn bei der digitalen Kommunikation, bei Chats und Video Calls rücken Emotionen, softe Kommunikation und klassischer Small Talk in den Hintergrund."
Cancom-Manager Alexander Ernst geht davon aus, dass nach der Pandemie die Akzeptanz gegenüber virtuellen Meetings und Konferenzen - egal von welchem Ort aus - hoch bleibt. "Unternehmen und Mitarbeiter haben erkannt, dass Zusammenarbeit auch auf Distanz möglich ist, ohne dass die Produktivität darunter stark leidet. Die Notwendigkeit vieler Vor-Ort-Termine, für die vor der Pandemie wie selbstverständlich durch die Bundesrepublik gereist wurde, wird künftig hinterfragt." Unternehmen sparten dadurch nicht nur Geld, sondern reduzierten gleichzeitig ihren ökologischen Fußabdruck. "Dies wäre vor zehn bis 20 Jahren nicht möglich gewesen", bilanziert Ernst.
Wolfgang Fehr (Computacenter) glaubt: "Hybride Arbeitsformen werden das neue Normal sein. Bürostandorte werden in die hybriden Arbeitswelten integriert. Dafür müssen sie ihren Treffpunktcharakter weiter ausbauen und zu Orten werden, an denen man sich gerne trifft."
Das Büro als Lounge? Vielleicht, denn "viele Mitarbeiter werden nicht mehr auf die Flexibilität, die Remote Work bietet, verzichten wollen", betont Stefan Gutekunst (Logicalis). "Allein der Wegfall von Anfahrtswegen und die damit verbundene Zeitersparnis sind bestechende Vorteile. Trotzdem wird es wieder Gelegenheiten geben, in denen Präsenzmeetings einen echten Mehrwert bieten." Sein Fazit: "Es wird auf eine Mischform aus Präsenz- und virtuellen Meetings hinauslaufen. Collaboration Tools werden selbstverständlich sein und Mitarbeiter auch aus der Ferne verbinden."
Auch Alexander Ernst (Cancom) ist sich sicher: "In Bezug auf UCC werden wir nicht mehr zu dem Ausgangspunkt zurückkehren, an dem wir vor der Pandemie standen. Die Flexibilität von Kommunikation, die damit verbundenen Vorteile sowie die User-Adoption haben hier einen großen Sprung gemacht hat, der anhalten wird - und zwar quer durch alle Generationen hindurch. Unsere modernen digitalen Kommunikationsformen werden sich im privaten wie auch im beruflichen Umfeld nachhaltig etablieren."
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