WIESBADEN: Allen Unkenrufen zum Trotz ist die "Offene Systeme" noch nicht tot. Immerhin verbuchte die einst größte Unix-Messe ein Besucherplus. Doch sie windet sich nach wie vor unter den Folgen des mittlerweile wieder gekitteten Bruchs zwischen der Veranstaltergemeinschaft German Unix User Group (GUUG) und Network GmbH (siehe unsere Ausgabe 38/95, Seite 4). Angesichts des drastischen Ausstellerschwunds in Wiesbaden wollte der GUUG-Vorstandsvorsitzende Christoph Maethner "nicht völlig ausschließen, daß wir die Veranstaltung nur noch als Kongreß fortsetzen."3.000 Besucher hatte die GUUG im Vorfeld ihrer Kongreßmesse "Offene Systeme" erhofft. Sogar 3.500 wurden letztlich an den drei Tagen gezählt - 200 mehr als im vergangenen Jahr. Der Kongreß lockte 342 Zuhörer an. 1997 hatten 240 Teilnehmer den Fachvorträgen gelauscht.
Für einen Lichtblick sorgte zudem die Linux-Gemeinde, deren Marktplatz 13 Aussteller beherbergte. Die Freeware hat sich als ernstzunehmendes Betriebssystem für den professionellen Einsatz etabliert. Quasi zum Beleg haben unlängst Oracle und Informix angekündigt, Linux-Versionen ihrer Datenbanken anzubieten. Die Bedeutung des aufstrebenden Unix-Derivats spiegelte sich im relativ regen Treiben an den Ständen der Linux-Distributoren und -Softwareanbieter wider. Und selbst bei IBM tummelte sich der kleine Pinguin.
"Gut, Dass es Linux gibt"
"Gut, daß es Linux gibt", mögen sich die Veranstalter gedacht haben. Denn ohne das emporstrebende Segment wäre die Ausstellung noch drastischer geschrumpft. Erachteten im 1997 noch 110 Unternehmen die Messe als lukrative Kontaktbörse, so stellten heuer gerade noch 66 ihre Produkte zur Schau - auf 900 Quadratmetern gegenüber zuletzt 1.200.
Nicht verwunderlich, hat sich doch die Besucherzahl bei einem Drittel des Niveaus goldener Zeiten eingependelt. Und augenscheinlich liefern die in Wiesbaden getätigten Kontakte schwindende Argumente für die Kosten: 463 Mark Miete pro Quadratmeter Hallenfläche. Inklusive Stand kann der Betrag vierstellig werden. Weshalb Volker Edelhoff, Produktmanager Connectivity bei der Nettetaler Raab Karcher Elektronik GmbH, mit seinen Zweifeln nicht alleine dasteht: "Wir sind seit Jahren hier vertreten. Aber für uns als Distributor ist die GUUG keine Messe mehr, die uns was bringt." Dieses Urteil fällte Edelhoff zwar bereits am Ende des ersten Tages, dessen Verlauf mit "schleppend" noch sehr wohlwollend apostrophiert wäre. Er wollte es jedoch auch nach Abschluß der Messe gelten lassen. "Das sehen viele so. Auch wenn es vor allem am Mittwoch wesentlich besser lief. Insgesamt gesehen ist der Aufwand einfach zu groß."
Der kommerzielle Erfolg bestimmt das Engagement der Hersteller. Und dieses erlahmt seit der vorübergehenden Spaltung mit zwei konkurrierenden Messen in Leipzig und Wiesbaden vor zwei Jahren überdeutlich. Mehr als 300 Aussteller und 9.400 Gäste wurden 1995 im Jahr vor dem Beziehungskrach zwischen GUUG und Network GmbH gezählt.
Absage ohne Gesichtsverlust
"Wer die GUUG wieder auf den Stand von 1995 bringen will, ist unrealistisch", glaubt GUUG-Vorstandsmitglied und Network-Geschäftsführer Dr. Klaus Jansen. "Sie wäre auch ohne den verhängnisvollen Streit heute nur noch halb so groß wie damals. Die IT-Landschaft läßt sich nicht mehr zurückdrehen." Natürlich trägt auch das in der Unix-Gemeinde lange Zeit totgeschwiegene Vordringen von Windows NT zur Rezession der GUUG bei. "Für die Hersteller liefert der Streit nur einen guten Grund zur Absage, ohne das Gesicht zu verlieren", folgert Jansen.
Wenngleich eine Größe nach vorübergehendem Ausstieg wieder an Bord ist. "Die großen Fünf in Sachen Unix wieder in Wiesbaden vereint", tönte die Hagenburger Network Open Systems Event GmbH (OSE) ob der Rückkehr von Hewlett-Packard. Und meinte damit neben den Böblingern IBM, SNI, SCO und Bull.
Sun nur durch Referenten präsent
Das Fehlen von Marktführer Sun hat die eigens zur Durchführung der Messe gegründete GUUG-Tochter offenbar ignoriert. "Sun unterstützt uns mit mehreren Referenten", versuchte GUUG-Vorsitzender Maethner zu relativieren. Was Regine Schumann, Sprecherin der Sun Microystems GmbH in Grasbrunn bestätigt: "Wir setzen Priorität auf die Cebit und die Systems. Aber wir liefern sechs Fachvorträge auf der GUUG."
Die Unix-Vereinigung hatte zur "Offene Systeme" im Jahr zwei nach Leipzig ein neues Kongreßprogramm ersonnen. Der Fokus lag nicht mehr auf rein technischen Themen. Anwendungen und Anwenderberichte standen auf der Agenda der teils hochkarätigen Referenten. Mit Beiträgen zu Data Warehousing, Data Mining, E-Commerce oder Komponententechnologie für die Anwendungsintegration sollten neben den Unix-Puristen vor allem DV-Entscheider aus Unternehmen und Händler in die hessische Landeshauptstadt gelockt werden. Maethner machte keinen Hehl daraus, daß diese Ausrichtung durchaus für Groll gesorgt hat: "Es ist aber nur ein Mitglied ausgetreten, weil wir seiner Meinung nach von der "reinen Unixlehre" abrücken."
Nichtsdetsotrotz ist dieses Konzept gescheitert, wie Jansen einräumt:
"Das ist gründlich schiefgegangen. Gerade die Anwenderberichte fanden meist vor gähnend leeren Reihen statt, während Hans Bayer von SCO vor 150 Zuhörern über die Zukunft von Unix sprach." Das Publikum sei mehr wissenschaftlich orientiert gewesen. Die Zielgruppe Business wurde also weitgehend verfehlt.
Jansen plant derweil bereits für die "Offene Systeme 1999", die vom 6. bis 8. Oktober stattfinden soll - dann allerdings in der kleineren Halle 1. Die Verlegung in den Oktober begründet er mit der bisherigen Nähe zu den bayerischen Sommerferien. Schließlich residiert das Gros der Branche im Raum München. Fünf Anmeldungen liegen Jansen nach eigenen Angaben bereits vor.
Auch sein Vorstandskollege Maethner sieht trotz der Krise nicht schwarz. Er hofft noch, daß die steigende Besucherzahl das Image der Messe wieder verbessert "und wir eine sehr gute GUUG 2000 erleben werden." (rk)
Gut, daß es Linux gibt: Wie hier bei Distributor Delix waren die die Stände rund um die Freeware recht gut besucht.
Nicht eben zum Lachen war dem GUUG-Vorsitzenden Maethner zumute.