Bundestag beschließt umstrittene Änderungen

Telefondaten werden gespeichert - neue Regeln für Telefonüberwachung

12.11.2007
Ungeachtet massiver Proteste hat der Bundestag die Speicherung von Telefon- und Internet-Daten und eine neugefasste Telefonüberwachung gegen die Stimmen der Opposition beschlossen.

Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) verteidigte das Gesetz in der leidenschaftlich geführten Debatte gegen die Kritik, die Bürgerrechte würden ausgehöhlt. Die Verbindungsdaten werden künftig ein halbes Jahr gespeichert. Die Überwachung der Telekommunikation wird auf schwere Straftaten beschränkt. Aber auch einzelne Geheimnisträger wie Anwälte, Ärzte und Journalisten dürfen nach Abwägung der Verhältnismäßigkeit abgehört werden.

Zypries versicherte, das zum 1. Januar in Kraft tretende Gesetz führe "nicht auf den Weg in einen Überwachungsstaat". Eine Datenabfrage werde nicht willkürlich möglich. Kriminalität und Terror könnten wirksamer bekämpft werden. Die EU-Vorgabe zur Datenspeicherung sei in "minimaler Weise" umgesetzt worden. FDP-Politiker wollen gegen das Gesetz Verfassungsklage einreichen. "Es muss gekippt werden", sagte FDP- Experte Jörg van Essen. "Bürger werden unter Generalverdacht gestellt."

Jan Korte von den Linken sprach von einem "traurigen Tag für die Demokratie", Grünen-Experte Jerzy Montag von einem "schwarzen Tag für die Bürgerrechte". Er befürchtete, dass die gespeicherten Daten künftig Geheimdiensten zur Verfügung gestellt würden. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele kritisierte, die Zahl der Abhöraktionen werde auf weit über 50.000 im Jahr steigen. Von 524 abgegebenen Stimmen waren 366 Ja-Stimmen, 156 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen.

Zypries unterstrich, Deutschland habe sich in der EU erfolgreich für eine Abschwächung der Datenspeicherung eingesetzt. Als Grund für die EU-Vorgabe rief sie die Terroranschläge von Madrid 2004 in Erinnerung, vor denen die Attentäter telefoniert hatten. Die EU wollte die Daten ursprünglich für 36 Monate speichern. Es würden nur Daten gespeichert, die die Anbieter ohnehin hätten. Der Zugriff von Ermittlern sei nur bei "konkretem Tatverdacht" möglich, betonte SPD-Politiker Klaus Uwe Benneter.

Demokratie in Gefahr

Als Hintergrundlektüre empfehlen wir einen umfassenden Grundlagenbeitrag unseres Kollegen Jürgen Hill.

Erfasst werden Rufnummer, Uhrzeit, Datum der Verbindung, bei Handys auch der Standort zu Beginn des Gesprächs. Die Internetdaten werden ab 2009 festgehalten. Nicht gespeichert wird der Inhalt.

Die Neufassung der Telekommunikationsüberwachung verteidigte der SPD-Rechtsexperte Joachim Stünker. "So viele Eingriffe wie nötig, soviel Schutz der Freiheitsrechte wie möglich" sei die Devise. Der Richtervorbehalt gelte. Viele Vorwürfe seien haltlos. Die Oppositionspolitiker lobten Details. Die Mängel stehen aus ihrer Sicht aber im Vordergrund. So könne der Kernbereich privater Lebensführung beim Abhören gar nicht geschützt werden, da die Gesprächsthemen am Telefon zu schnell wechselten. Der CDU-Fachpolitiker Siegfried Kauder entgegnete, bisher seien Berufsgeheimnisträger überhaupt nicht geschützt. Die Koalition wolle "keinen gläsernen Menschen".

Bundes-Datenschutzbeauftragter Peter Schaar kritisierte, das Gesetz gehe bei der Verwendung gespeicherter Daten für weniger schwere Delikte über EU-Vorgaben hinaus. Das Internet könne künftig nicht mehr unbeobachtet genutzt werden. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund kündigten an, die Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Lückenloser Quellenschutz sei nicht mehr möglich, so der DJV. Nach Ansicht der Krankenhäuser wird die ärztliche Schweigepflicht faktisch abgeschafft.

Umfassenden Informationen zum Thema finden sich auf der kritischen Website des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung. (dpa/tc)

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