Tablet-PC, oh weh, oh weh!

07.08.2003

Zunächst die gute Nachricht: Die türkische Polizei interessiert sich für sie. Doch sonst sind Tablet-PCs - in der westlichen Hemisphäre zumindest - ein absoluter Flop. Seit dem Start im November vergangenen Jahres wurden davon in Europa, Nahost und Afrika (EMEA) noch nicht mal 100.000 Stück verkauft. Im zweiten Quartal waren es sogar nur noch unter 27.000 nach knapp 35.000 in den ersten drei Monaten. Die Hoffnung der Anbieter und Marktforscher, dass der Funke der Begeisterung der so genannten "Early Adaptor" und Neugierigen überspringen würde, hat sich also nicht materialisiert. Kein Wunder bei Preisen von meist immer noch weit über 2.000 Euro für ein Gerät, das in der Regel nicht mehr ist als ein etwas zu groß geratenes PDA und abgesehen von dem Touchscreen für eine noch verbesserungswürdige Handschriftenerkennung im Vergleich zu einem Notebook wenig zu bieten hat. Eine Tastatur ist meist nicht vorgesehen, die Bildschirmdiagonale mit 10,4 Zoll fast zu klein, ebenso die Prozessorleistung von um 800 MHz. Derzeit machen schon Notebook-Angebote mit 2 GHz, 15-Zoll-Display und allem Pipapo für unter 1.000 Euro die Runde. Und wem ein Schlepptop zu groß ist, der weicht vielleicht auf ein Sub-Notebook aus. Denn auch die sind mittlerweile schon günstiger als Tablet-PCs, die Bill Gates vor einem Jahr noch als den Beginn einer neuen Ära verklärte. "Ein Mobile-Computing, nur beschränkt durch die Vorstellungskraft der Nutzer", hatte der Microsoft-Gründer damals propagiert. Sind denn die potenziellen Nutzer wirklich so beschränkt, dass sie denn Sinn des Gates-Gadgets nicht kapieren?

In Nischenanwendungen wie Krankenhäusern und Arztpraxen sind Tablet-PCs sicherlich sinnvoll. Für den asiatischen Markt sind sie sogar wie geschaffen, da die Handschriftenerkennung, die bei chinesischen Schriftzeichen oft sehr viel genauer arbeitet als bei Deutsch etwa, viel mehr Menschen dort den Zugang zum PC erleichtern würde. Doch selbst in Asien werden Tablet-PCs aus den oben genannten Gründen noch kaum angenommen.

Der Markt dürstet nach Innovation, und kein Gerät wurde von Bill Gates als solches so gefeiert wie Tablet-PCs, obwohl die Idee so neu nun auch wieder nicht ist und vor der Entdeckung als Allheilmittel kaum einen Hund hinter dem Ofen vorgelockt hatte. Klar, dass dabei mit einer Spezialversion von Windows XP natürlich auch Geldinteressen eine Rolle spielen. Doch egal, ob es dem Software-Krösus mit seiner Begeisterung ernst ist oder nicht, vermissen die Marktforscher von Canalys (siehe Seite 11) von seinem Unternehmen das nötige Engagement, um den Verkauf der Geräte im EMEA-Raum voranzutreiben. Die Vorschläge reichen von günstigeren Softwarelizenzen für das Betriebssystem bis hin zur Bereitstellung von Co-op-Marketinggeldern an die Industrie. Letztlich läuft alles auf Preissenkungen hinaus, drastische wohlgemerkt. Denn nur die können das Geschäft wirklich ankurbeln. Die Betonung auf Business-Kunden scheint ein Fehler zu sein und ist nur durch den hohen Preis gerechtfertigt. Raus aus der Nische und mit Billigangeboten rein in den Massenmarkt, sollte der Schlachtruf lauten. Zu flankieren wäre das Ganze natürlich noch durch ein paar nur für Tablet-PC geeignete Spiele. So könnte es mit dem erhofften Absatz ja vielleicht doch noch klappen.

Klaus Hauptfleisch khauptfleisch@computerpartner.de

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