Wer kennt es nicht – das Problem Arbeitszeugnis? Lange Wartezeiten, falsche Tätigkeitsbeschreibungen, rechtswidrige Formulierungen: Vielen Unternehmen gelingt es nicht, Zeugnisse schnell, korrekt und zur Zufriedenheit des Mitarbeiters zu erstellen. Und das, obwohl das Arbeitszeugnis ein entscheidendes Dokument für das Arbeitgeberimage ist.
Haufe wollte wissen, warum das so ist, und befragte 200 HR-Mitarbeiter und Führungskräfte in deutschen Unternehmen zum Thema Zeugniserstellung. Das Ergebnis: Personalverantwortliche und Linienmanagement fühlen sich häufig überfordert und wünschen sich mehr Hilfe, vor allem bei der Formulierung und der Abstimmung.
Die Zeugniserstellung ist ein komplexer Prozess, der mit vielen Fehlerquellen behaftet ist: HR-Mitarbeiter müssen zahlreiche Regeln bei Aufbau und Inhalt beachten, damit das Zeugnis rechtssicher ist. Vorgesetzte sind verantwortlich dafür, dass Tätigkeitsbeschreibung und Leistungsbewertung stimmen. Trotz dieses hohen Aufwands bei HR und Linie wird die Zeugniserstellung systemseitig nur selten unterstützt. Scheinbar erhalten Zeugnisse bisher nicht die Aufmerksamkeit, die sie als strategisches HR-Instrument verdienen.
200 HR-Mitarbeiter und Führungskräfte befragt
Im Rahmen einer Studie befragte Haufe 200 HR-Mitarbeiter und Führungskräften, woran es bei der Zeugniserstellung hakt und wie der Prozess verbessert werden kann. In Kooperation mit der RIM Marktforschung GmbH entstand eine Online-Umfrage in Unternehmen aller Branchen mit mehr als 250 Mitarbeitern. Die Studie steht unter www.haufe.de/zeugnis-studie kostenlos zur Verfügung.
Zeugnis als Massenartikel
Die Anzahl der erstellten Zeugnisse pro Monat ist - unabhängig von der Unternehmensgröße - überraschend hoch: Über die Hälfte (54 Prozent) der Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, erstellt mehr als zehn Zeugnisse im Monat, bei 22 Prozent sind es sogar mehr als 50 Zeugnisse im Monat. Die befragten HR-Mitarbeiter müssen sich im Durchschnitt jeweils um rund 16 Zeugnisse pro Monat kümmern. Wie die Studie zeigt, benötigen rund drei Viertel der HR-Kräfte bis zu fünf Stunden für ein Zeugnis. Die Zeugniserstellung nimmt also im HR-Alltag sehr viel Zeit in Anspruch.
Abstimmung und fehlende Transparenz sind die größten Hindernisse
In den Augen der HR-Mitarbeiter ist das größte Problem die langwierige Abstimmung der Zeugnisse mit den Vorgesetzten. Das liegt vermutlich daran, dass bei knapp einem Drittel der Befragten (30 Prozent) die nötigen Hilfsmittel und Programme für eine effiziente Zeugniserstellung fehlen.
Mehr als ein Drittel der befragten Personalverantwortlichen (34 Prozent) bemängelt außerdem, dass sie keinen Überblick über den Bearbeitungsstand der auszustellenden Zeugnisse haben. Die Ursache hierfür sehen die Personalverantwortlichen in der Organisations- und Prozessstruktur der Unternehmen, aber auch darin, dass die systemseitige Unterstützung fehlt.
Ineffizienter Informationsaustausch
Die Befragung zeigt, dass die Zeugniserstellung auch für die involvierten Führungskräfte nicht zufriedenstellend ist. Ein Fünftel der Befragten (20 Prozent) hält den Prozess für zu umständlich und langwierig. Das ist nicht erstaunlich, werden doch überwiegend klassische Kanäle wie E-Mail und Hauspost für den Informationsaustausch zwischen Vorgesetzten und Personalabteilung genutzt.
Führungskräfte überfordert
Die Aufgabenschwerpunkte der Vorgesetzten im Zeugniserstellungsprozess liegen überwiegend bei der Leistungsbewertung (73 Prozent). Circa zwei Drittel (65 Prozent) der befragten Führungskräfte kümmern sich darüber hinaus um die Kontrolle und Ergänzung der Tätigkeitsbeschreibung. Knapp die Hälfte (47 Prozent) ist außerdem für die Abstimmung der Formulierungen mit den Mitarbeitern zuständig. Vorgesetzte nehmen also bei der Textierung eine wichtige und verantwortungsvolle Rolle ein. Sie entscheiden letztlich darüber, ob die Leistungen und die Tätigkeiten ihrer Mitarbeiter richtig wiedergegeben wurden.
Einbindung von Mitarbeitern gefordert
Der Wunsch nach Prozessoptimierung ist bei allen Beteiligten groß. 60 Prozent der befragten HR-Mitarbeiter und 47 Prozent der Führungskräfte wünschen sich allgemein mehr Hilfestellung bei der Zeugniserstellung. Jeweils knapp ein Drittel der Führungskräfte (30 Prozent) und HR-Mitarbeiter (29 Prozent) sind der Meinung, dass die Einbindung der Mitarbeiter, zum Beispiel bei der Tätigkeitsbeschreibung, den Erstellungsprozess beschleunigen und die Richtigkeit der Zeugnisse verbessern würde.
Vier Praxistipps für eine erfolgreiche Zeugniserstellung
Mitarbeiter in den Zeugniserstellungsprozess einbinden: Erhalten Arbeitnehmer die Möglichkeit, vor der Aushändigung des fertigen Zeugnisses daran mitzuarbeiten und ihre Vorstellungen einzubringen, reduziert das Unzufriedenheit und unnötige Auseinandersetzungen.
Unternehmensweit den Überblick schaffen: Welche Zeugnisse wann und von wem erstellt wurden und welche gerade in Bearbeitung sind, sollte die Personalabteilung jederzeit sehen können.
Rechtssichere Formulierungs- und Bewertungshilfen anbieten: Werden Tätigkeitsbeschreibungen, Leistungsfelder und Bewertungsmöglichkeiten, z.B. pro Position, als Textbausteine zentral vorgehalten, passieren weniger Fehler und die Zeugnisse sind rechtlich einwandfrei.
Abstimmungsprozesse vereinfachen: Durch eine spezielle Software für Zeugnismanagement lässt sich die Abstimmung und Kommunikation der beteiligten Stellen untereinander einfach und unkompliziert gestalten.
Weitere Informationen und Kontakt: Maisberger, Gesellschaft für strategische Unternehmenskommunikation mbH, E-Mail: haufe@maisberger.com, Internet: www.maisberger.com
- Das verraten die Floskeln in Arbeitszeugnissen
In Arbeitszeugnissen werden oft feste Floskeln verwendet. Personalchefs können daraus teils konkrete Noten ablesen. Im Folgenden ein paar Beispiele für die typische Zeugnissprache. - "Hat seine Aufgaben stets zu unserer vollsten/vollen Zufriedenheit erfüllt"
= Schulnote "Eins" (wobei "voll" laut LAG Düsseldorf (Az. 17 Sa 1158/94) auch "voll genug" sein dürfte)<br><br> Fehlt das Wort "stets", wurde eine "Zwei" vergeben. - "Hat seine Aufgaben zur vollen Zufriedenheit erfüllt"
= Schulnote "Drei"<br><br> "Stets zufrieden" bedeutet "Vier".<br><br> "Zu unserer Zufriedenheit" oder "hat sich bemüht" zeugt von wenig ausreichenden Leistungen. - "Entsprach fachlich den Anforderungen und Erwartungen in jeder Hinsicht"
= "zwischenmenschlich" hat es nicht geklappt (LAG Rheinland-Pfalz, 7 Sa 992/06) - "Hat die Arbeitszeit korrekt ausgenutzt"
= hat stets pünktlich Feierabend gemacht (ArG Neubrandenburg, 1 Ca 1579/02) - "Hat durchaus selbstständig gearbeitet"
= seine Leistungen waren nicht "gehoben befriedigend" (LAG Hamm, 3 Sa 231/02) - "Haben ihn als freundlichen und zuverlässigen Mitarbeiter kennengelernt"
= Das Gegenteil ist der Fall: "Viele sahen sie lieber von hinten als von vorn." (LAG Hamm, 4 Sa 1018/99) - "War sehr tüchtig und in der Lage, ihre eigene Meinung zu vertreten"
= "Sie ist von sich überzeugt und verträgt keine Kritik" (LAG Hamm, 4 Sa 630/98) - "Für Nachfragen stehen wir zur Verfügung"
Eine solche Formulierung, die darauf hindeutet, dass die schriftliche Leistungsbeurteilung nicht den wirklichen Leistungen entspricht, darf nicht verwendet werden (ArG Herford, 2 Ca 1502/08). - "Für die Zukunft alles Gute"
Diese Formulierung reicht aus. Es muss nicht zugleich "für die langjährige Zusammenarbeit" gedankt werden (BAG, 9 AZR 227/11). - "Haben ihn als sehr interessierten und hoch motivierten Mitarbeiter kennengelernt"
Damit wird einem Arbeitnehmer nicht Desinteresse und fehlende Motivation attestiert (BAG, 9 AZR 227/11). - "Wir bedauern ihr Ausscheiden"
Diese Formulierung muss einem Mitarbeiter, der selbst gekündigt hat, nicht mitgegeben werden (BAG, 9 AZR 44/00).