Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Bärbel Schmidt, bisher Geschäftsführerin der Personal Systems Group (PSG) und damit auch Channel-Verantwortliche bei HP Deutschland, wolle sich "neue berufliche Herausforderungen" suchen, verkündete die Böblinger Zentrale vergangene Woche. Dass es der Managerin nach 25 Jahren Betriebszu-gehörigkeit und einer Vorzeigekarriere plötzlich bei HP zu langweilig geworden ist, scheint aber eher unwahrscheinlich.
Es wurde noch aufgeregt darüber spekuliert, ob sie gefeuert wurde oder doch selbst entnervt hingeschmissen hat, da hatte Bärbel Schmidt ihre neue Herausforderung schon gefunden: Sie wird am 1. Januar 2004 die Geschäftsführung der Actebis Computer Deutschland übernehmen (ComputerPartner online berichtete).
Partner werten Nachfolge als schlechtes Zeichen
Das sind schlechte Nachrichten für die Vertriebspartner von HP. Viele von ihnen sehen die Entwicklung jedenfalls mit großer Sorge. Immerhin stand Schmidt für ein klares Channel-Commitment des Herstellers.
Nun fragt man sich besorgt, ob mit ihrem Ausscheiden eine "Aufweichung dieser Prinzipien" verbunden ist. Vor allem auch die Tatsache, dass nicht der Vertriebsdirektor für den Channel, Jochen Erlach, sondern sein Kollege Stephan Wippermann, der bisher für den Direktvertrieb zuständig war, die kommissarische Leitung der Division übernommen hat, wird von Vertriebspartnern als "schlechtes Zeichen" gewertet.
HP-Vorsitzender Menno Harms versichert gegenüber ComputerPartner, dass die Ängste unberechtigt sind: "Wir setzen weiterhin auf die gute und bewährte Zusammenarbeit mit Partnern. Mit dem Partner-One-Programm haben wir unser Commitment zum Channel vor kurzem erneuert."
Für den angeschlagenen Distributor Actebis wird diese Personalentscheidung nur positive Folgen haben, da sind sich alle Beobachter einig. "Niemand blickt in der Fachhandels- und Disti-Szene so genau durch wie Bärbel Schmidt", räumt ein Hersteller ein. "Und sie bringt ein Insiderwissen mit, das sich für Actebis als sehr wertvoll erweisen könnte." Die Stimmung der anderen Distis sei jedenfalls "alles andere als heiter."
Offiziell ist davon allerdings nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Distributoren sind voll des Lobes für die neue Kollegin. Gerhard Schulz, Sprecher der Geschäftsführung bei der Ingram Micro Distribution GmbH: "Mit Bärbel Schmidt, zu der wir seit vielen Jahren einen ausgezeichneten Kontakt haben, bereichert eine sehr erfahrene Managerin das Actebis-Team." Seiner Meinung nach sei die Wahl keine große Überraschung, sondern eine "logische Konsequenz" der Actebis-Strategie, sich künftig stärker auf HP zu konzentrieren.
Auch bei Tech Data lässt man über die Managerin kein schlechtes Wort fallen - im Gegenteil: "Bärbel Schmidt genießt in der IT-Branche in Deutschland mittlerweile fast den Status einer lebenden Ikone", sagt Geschäftsführer Marcus Äda. Er schätze Schmidt als "herausragende Managerkapazität und integere, zuverlässige Persönlichkeit", so der Manager.
Begeistert von Schmidt zeigt sich auch ihr künftiger Chef Joe Hamani: Sie sei aufgrund ihrer Stärke und Erfahrung genau die richtige Person für diese Position, schwärmt der Westcoast-Chef und potenzielle Actebis-Käufer. Dass er die Managerin auch international ans Ruder lassen wird, gilt dennoch als unwahrscheinlich. Insider gehen vielmehr davon aus, dass Hemani einen alten Freund als CEO einsetzen will. Er selbst wird den Job auf Dauer nicht machen, das gilt im Actebis-Umfeld als sicher.
Die so genannten "unternehmensnahen Kreise" berichten auch, dass Graeme Watt, bis Anfang Oktober noch als Europachef bei Tech Data auf der Gehaltsliste, den Posten übernehmen wird. Er wäre damit verantwortlich für die gesamte Actebis-Gruppe im In- und Ausland. An den Gerüchten könnte durchaus etwas dran sein. Schließlich muss sich der künftige Eigentümer von Actebis noch ein Netzwerk an loyalen Mitarbeitern aufbauen. Watt ist da als alter Freund und Ex-Kollege des Westcoast-Chefs natürlich eine Top-Besetzung.
Nicht ganz so harmonisch soll das derzeitige Verhältnis von Hemani und dem Otto-Konzern sein. Der soll es mit dem Verkauf der ungeliebten Logistik-Tochter nämlich plötzlich nicht mehr eilig haben. Wie man hört, sind die Hanseaten verstimmt, weil Hemani "pokert" und Geld für die Übernahme haben möchte. Schließlich würde die Actebis-Abwicklung den Konzern sonst um die 300 Millionen Euro kos-ten, schätzen Insider. Jede Woche soll Hemani neue Forderungen stellen.
Wie üblich will man den aktuellen Verhandlungsstand bei Otto aber nicht kommentieren. Nur Andrea Câmen, Unternehmenssprecherin bei Actebis, erinnert: "Bislang sind wir mit Westcoast nur eine strategische Allianz eingegangen, mit einer Option auf Vorkaufsrecht."
Hemani scheint den Deal zumindest im Geiste schon abgeschlossen zu haben. Angeblich hat der Manager auch schon ziemlich konkrete Vorstellungen, wie es nach der Übernahme bei Actebis weitergehen soll. Bärbel Schmidt wird demnach viele Personalgespräche führen müssen: Schätzungen zufolge will Hemani allein in Deutschland 200 Mitarbeiter entlassen.
Meinung der Redakteurin
Bärbel Schmidt hat HP zwar verlassen, doch sie wird dem Hersteller gerade durch ihre neue Position bei Actebis weiterhin eng verbunden sein. Ob sie den Distributor zu einem HP-Logistiker umbauen wird, wie manche Channel-Partner befürchten, wird sich wohl erst in einigen Jahren zeigen. Dass Actebis ein ganz anderes Unternehmen wie bisher werden wird, ist hingegen heute schon sicher.
HP sagt Cebit-Auftritt ab
Die Cebit hat erneut einen großen Aussteller verloren: Nach Canon sagte jetzt auch HP seinen geplanten Messeauftritt ab. Wie die Böblinger Zentrale auf Anfrage von ComputerPartner bestätigte, soll es auf der Cebit 2004 (18. bis 24. März) keinen eigenen HP-Stand mehr geben. Der Konzern will sich nur noch im kleinen Rahmen bei Partnern wie SAP präsentieren.
Auf der diesjährigen Cebit hatte HP noch eine Ausstellungsfläche von mehr als 2.500 Quadratmetern belegt und den Besuchern mehr als 100 Produkte präsentiert. Damit verliert die Messeleitung nicht nur einen finanziell interessanten Kunden, sondern auch einen Publikumsmagneten.
HP will indessen das eingesparte Geld nun für andere Marketingaktivitäten ausgeben. Ein Teil soll in Werbekampagnen fließen, der Rest geht in das so genannte "Direktmarketing", von dem auch die Fachhändler profitieren werden: Geplant sind unter anderem Roadshows, die Unterstützung der Partner bei Kundenauftritten sowie die Beteiligung an Hausmessen. (mf)