SAP im Mittelstand: die Cloud als Schlüssel
Aus Götterts Sicht führt der Weg zu den KMUs über Cloud-Services. Deren Vorteile: Sie sind nicht an eine komplexe IT-Infrastruktur gebunden, zudem lässt sich der hohe administrative Aufwand von Release-Wechseln oder Softwareänderungen, der gerade für KMUs schwer zu leisten ist, reduzieren. Hinzu kommt die Möglichkeit, den Bedarf an Services je nach der eigenen Lage hinauf und herunter zu regeln. Göttert schränkt jedoch ein: "Es gibt in einigen Bereichen von SAP-Cloud-Lösungen noch eine Diskrepanz zwischen den Ankündigungen und der tatsächlichen Verfügbarkeit."
Allerdings halten sich viele Unternehmen hinsichtlich Cloud-Services noch immer bedeckt. Vor allem wegen Sicherheitsbedenken sind derzeit nur wenige deutsche Unternehmen bereit, auf dieses Konzept zu setzen; die Snowden-Enthüllungen haben die Zurückhaltung noch verstärkt. "Hinzu kommt, dass viele Bestandskunden aktuell keinen Vorteil darin sehen, ihr ERP-System in die Cloud zu verlagern", erklärt Göttert. "Das hat unsere DSAG-Mitgliederumfrage aus dem Herbst 2014 ergeben." In Zukunft könne sich das allerdings ändern, denn die Märkte veränderten sich.
Aus den operativen Geschäftsbereichen komme immer mehr Druck in Richtung IT, agiler und flexibler zu reagieren. "Bei Veränderungen des Geschäftsmodells sind ein oder zwei Jahre Realisierungszeit der IT viel zu lange, es muss deutlich schneller gehen. Das lässt sich mit klassischen On-Premise-Lösungen heute kaum oder gar nicht realisieren", so der Anwendervertreter. Doch es seien noch viele Fragen offen: Beispielsweise, wie stabil Release-Wechsel in der Cloud wirklich sind oder wie Bestandslizenzen überführt und angerechnet werden.
Im gehobenen Bereich klappt es besser
"Business All-in-One ist SAP ERP in vorkonfigurierter und durch Partner paketierter Form, dahinter steckt jedoch mit SAP ERP eigentlich eine große Lösung. Die Mittelständler, die das einsetzen, gehören eher dem gehobenen Segment an", kommentiert Karsten Sontow. In diesem Spektrum sei SAP unter den Top-5-Anbietern und habe einen Marktanteil in einer Größenordnung von rund 10 Prozent. Die Einführung von Business All-in-One habe aber nach wie vor eine deutliche Projektcharakteristik und sei keine Installation 'out of the box': "In dieser Gewichtsklasse schneidet SAP bei den Anwendern ordentlich ab, diese Lösungen für anspruchsvollere Szenarien werden insgesamt als professionell und gut eingestuft", sagt der Experte mit Blick auf die ERP-Zufriedenheitsstudie.
Bei einzelnen Aspekten wie der Usability und dem Reporting gäbe es jedoch auch deutliche Kritik. Mit Templates und Rapid-Deployment-Ansätzen habe SAP deutlich mehr für die effiziente ERP-Einführung getan, so dass sie im gehobenen Mittelstand seit dem Jahrtausendwechsel durchaus deutliche Fortschritte erzielt habe. "Man hat da seinerzeit reagieren müssen, denn bei der Zielgruppe der Hidden Champions und dem gehobenen Mittelstand sind die Anforderungen zwar fachlich anspruchsvoll, zugleich sind diese Unternehmen aber Budget-sensibel und es gibt eine Reihe von mittelständischen ERP-Wettbewerbern auf Augenhöhe", so Sontow.
Doch braucht SAP die KMUs überhaupt? "Nach meiner Einschätzung ist es ein relevanter Markt, schließlich stellen sie einen großen Teil der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und damit quantitativ ein erhebliches Potential dar", sagt Göttert. "Allerdings ist auch genau das die Herausforderung für die SAP. Wir sprechen über ein Massenmarktgeschäft mit all seinen Anforderungen wie beispielsweise individuelle Lösungsansätze, Pragmatismus und große Flexibilität. Diese Eigenschaften werden von KMUs nicht auf Anhieb SAP zugeschrieben." Fazit: Die Mission Mittelstand hat SAP zwar vor allem bei den gehobenen Unternehmen gemeistert, in kleineren mittelständischen Betrieben gibt es aber durchaus noch Luft nach oben.