Im Channelpartner-Interview erklärte Redcoon-Chef Reiner Heckel noch: „Das Thema Multichannel hat mich nie gereizt.“ Gegenüber der Wirtschaftswoche kündigte Heckel nun an, der Onlinehändler prüfe die Konzeption einer „Art Shop“. Doch wer nun denkt, der Redcoon-Gründer habe auf einmal seine Leidenschaft für den Stationärhandel entdeckt, liegt falsch: Heckel fühlt sich zu dem Thema „Shop“ gezwungen, um die Vertriebsbeschränkungen zu überwinden, mit denen viele Hersteller den Onlinehandel belegen. „Der Internet-Kanal könnte deutlich schneller wachsen, wenn der Kunde mehr Ware im Internet kaufen könnte“, so Heckel in einem weiteren aktuellen Interview in der FAZ.
Auch gegenüber Channelpartner hatte sich Heckel über die sogenannten Selektivverträge der Hersteller beklagt: „Wir haben im Prinzip zu wenig Ware, da die Industrie die Ware selektiv knapp macht.“ Es sei nicht so, dass nicht genügend produziert werde, doch beschränke die Industrie die Waren, die in den Onlinehandel gehen. Die Konsumenten würden dagegen gerne noch mehr online kaufen. Im Grunde genommen sei die Frage, warum ein Händler mit Ladengeschäft bestimmte Produkte erhalte, deren Bezug dem Onlinehandel verwehrt werde, eine Frage für die Wettbewerbsbehörden.
In der FAZ erklärte Heckel das Thema Selektivvertrieb nun sogar zum Hauptgrund für den Verkauf von Redcoon an Media-Saturn. Da es keine Interessenvertretung für die reinen Onlinehändler gebe, habe Heckel einen starken Partner für Redcoon gesucht. Zu groß sei die Furcht gewesen, eines Tages ohne Ware dazustehen. Geschäftlich habe es dagegen keinen Grund zum Verkauf an MSH gegeben. Redcoon sei immer profitabel gewesen. Zwar gebe es auch nach der Übernahme keinen gemeinsamen Einkauf. Doch setze Media-Saturn bei einigen Herstellern seine Marktmacht ein, um den Warenbezug für Redcoon zu verbessern.
Redcoon wäre übrigens nicht der erste Elektronikversender, der in den Stationärhandel einsteigt, um auf diese Weise Vertriebsbeschränkungen zu überlisten. Der führende österreichische Onlinehändler Electronic4You, der in der Alpenrepublik acht Abholshops betreibt, baut sein Filialen derzeit zum „Internet-Fachhandel“ aus – um sich auf diese Weise von Vertriebsselektionen zu befreien: „Mit der Neu-Ausrichtung gibt es keinen Grund mehr, warum Electronic4You nicht auch Selektiv-Ware führen darf. Diese lässt sich nun für alle Seiten befriedigend vermarkten“, so Firmenchef Hannes Majdic gegenüber Electrojournal.at. Kurios: Sollte das Beispiel von Electronic4You und Redcoon Schule machen, würde die Selektiv-Politik der Hersteller gerade ihr Gegenteil erreichen. (mh)