BVerfG: E-Mail-Postfach ist geschützt
In einer Entscheidung aus dem Jahre 2009 hat der Bundesgerichtshof ("BGH") zudem ausgeführt, dass der vom Fernmeldegeheimnis geschützte Telekommunikationsvorgang auch dann als abgeschlossen zu betrachten sei, wenn die betreffende E-Mail beim Webmail Provider gespeichert ist. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses würde dadurch erheblich beschränkt, da die E-Mails zumeist auf zentralen Servern gespeichert sind. Die Server können mitunter sehr weit vom lokalen Netzwerkanschluss des Beschäftigten entfernt sein.
Diesem Ansatz des BGH hat das Bundesverfassungsgericht allerdings in einem Beschluss vom 16. Juni 2009 (www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20090616_2bvr090206.html), bei dem es um die Beschlagnahmung von E-Mails durch die Strafverfolgungsbehörden ging, widersprochen und stellte klar:
"Der zugangsgesicherte Kommunikationsinhalt in einem E Mail-Postfach, auf das der Nutzer nur über eine Internetverbindung zugreifen kann, ist durch das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) geschützt. Der Kommunikationsteilnehmer hat keine technische Möglichkeit, die Weitergabe der E-Mails durch den Provider an Dritte zu verhindern. Dieser technisch bedingte Mangel an Beherrschbarkeit begründet die besondere Schutzbedürftigkeit durch das Fernmeldegeheimnis, welches jenen Gefahren für die Vertraulichkeit begegnen will, die sich aus der Verwendung eines Kommunikationsmediums ergeben, das einem staatlichem Zugriff leichter ausgesetzt ist als die direkte Kommunikation unter Anwesenden.
Dies gilt unabhängig davon, ob eine E-Mail auf dem Mailserver des Providers zwischen- oder endgespeichert ist. Dem Schutz durch Art. 10 Abs. 1 GG steht nicht entgegen, dass während der Zeitspanne, während deren die E-Mails auf dem Mailserver des Providers "ruhen", ein Telekommunikationsvorgang in einem dynamischen Sinne nicht stattfindet. Art. 10 Abs. 1 GG folgt nicht dem rein technischen Telekommunikationsbegriff des Telekommunikationsgesetzes, sondern knüpft an den Grundrechtsträger und dessen Schutzbedürftigkeit aufgrund der Einschaltung Dritter in den Kommunikationsvorgang an.
Die spezifische Gefährdungslage und der Zweck der Freiheitsverbürgung von Art. 10 Abs. 1 GG bestehen auch dann weiter, wenn die E-Mails nach Kenntnisnahme beim Provider gespeichert bleiben. […] Die Auslagerung der E-Mails auf den nicht im Herrschaftsbereich des Nutzers liegenden Mailserver des Providers bedeutet nicht, dass der Nutzer mit dem Zugriff auf diese Daten durch Dritte einverstanden ist (Beschluss vom 16. Juni 2009, 2 BvR 902/06, www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20090616_2bvr090206.html)."
Grundsätze des BVerfG gelten
Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht vorliegend über einen Fall mit strafprozessualem Einschlag zu entscheiden. Eine ähnliche Gefahrenlage für die (gestattete) private E-Mail Kommunikation des Arbeitnehmers ergibt sich jedoch gleichwohl, sodass die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze ebenfalls gelten müssen.
Teilweise wird nach der Art des eingesetzten E-Mail Systems (POP3- oder IMAP-Verfahren) unterschieden. Bei einer POP3 Anwendung, wo die E-Mails beim Abruf durch den E-Mail Client (MS Outlook, Mozilla Thunderbird, etc.) vom Server im Regelfall automatisch gelöscht und nur lokal gespeichert werden, unterfallen diese E-Mails nach herrschender Meinung nicht mehr dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses. Im Gegensatz dazu wird bei Verwendung des IMAP-Protokolls lediglich eine Kopie der auf dem Server gespeicherten Nachricht angefertigt.
IMAP-Postfach: Fernmeldegeheimnis?
Daraus folgt teilweise die - umstrittene - Ansicht, dass per IMAP weiterhin auf dem Server gespeicherte E-Mail ebenfalls nicht mehr dem Fernmeldegeheimnis unterfallen, denn der E-Mail-Empfänger habe sich ja bewusst dazu entschieden die E-Mail im "Machtbereich" des Arbeitgebers zu belassen anstatt vom Server zu löschen. Dagegen spricht nicht nur, dass ein bloßes passives "zur Kenntnis nehmen" nicht mit einer aktiven Handlung (E-Mail löschen, verschieben etc.) gleichgesetzt werden kann, sondern auch der mit IMAP verbundene Sicherheitsaspekt. Sinn der grundsätzlich dauerhaften Speicherung der E-Mails auf dem Posteingangsserver ist, dass diese auch im Fall eines Computerabsturzes weiterhin verfügbar sind und zudem die Bearbeitung von E-Mail ggf. nicht auf einen PC Arbeitsplatz beschränkt ist sondern mehrfach abgerufen werden kann. Diese Vorteile dürfen nicht durch ein - aus Sicht des Arbeitnehmers - geringeres Schutzniveau entwertet werden.