Wenn Data Analytics Busse und U-Bahn steuert

Per Digitalisierung zum kostenlosen ÖPNV?

17.01.2020
Von Bernhard Kirchmair

Kostenloser ÖPNV dank Datenanalysen

Dank der Echtzeitdaten kann proaktiv auf Ereignisse reagiert werden.
Dank der Echtzeitdaten kann proaktiv auf Ereignisse reagiert werden.
Foto: Axians

Solche Datenanalysen könnten in Zukunft sogar dafür sorgen, dass der ÖPNV kostenfrei genutzt werden kann, ohne dass Mehrkosten für Städte oder Verkehrsbetriebe entstehen. Zudem würden mehr Menschen motiviert, öffentlich zu fahren statt mit dem Auto, das würde ihre Lebensqualität und die Luft in den Städten verbessern. Die Idee eines Modellprojekts: Die Passagiere bekommen Angebote für ihre unmittelbare Umgebung aufs Smartphone geschickt, zum Beispiel eines Cafés oder Supermarkts. Abhängig davon, wo sie sich gerade befinden, werden sie über Sonderangebote oder Aktionen informiert. Die Firmen zahlen für diese Art der Werbung. Mit dem Erlös könnte der Betrieb der Busse und Bahnen finanziert werden - und so für die Nutzer billiger oder gar kostenlos sein.

Die Apps der Verkehrsbetriebe würden die Standortdaten der Nutzer anonymisiert erheben. Letztere müssten natürlich der Erfassung und Weitergabe ihrer Daten an externe Firmen zustimmen. Wenn die Fahrgäste zusätzlich selbst definieren könnten, wann sie welche Angebote erhalten - etwa nur, wenn sie die App auch geöffnet haben, oder nur, wenn sie an einer bestimmten Bushalltestelle stehen - wäre die Akzeptanz für eine solche Offerte sicherlich hoch.

Passagiere wollen ein besseres Fahrerlebnis

Moderne Datenanalyse und -visualisierung helfen ÖPNV-Anbietern jetzt schon, komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen und den Nahverkehrsbetrieb besser zu steuern. Allerdings betrachten sie bislang die Fahrzeugtypen meist getrennt, also nur Busse oder nur U-Bahnen unabhängig voneinander. Dagegen ist jedoch eine übergeordnete Gesamtschau sinnvoll. Stoppt beispielsweise eine volle U-Bahn, aus der viele Passagiere in einen Bus umsteigen, wirkt sich das auf die Weiterfahrt des Busses aus. Er wird voller sein und sich möglicherweise verspäten, weil es länger dauert, bis alle eingestiegen sind. Dieses komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Transportmittel müssen Verkehrsbetriebe für die Optimierung ihrer Abläufe künftig berücksichtigen.

Sie sollten die Daten und Analysen für die einzelnen Fahrzeugtypen aber nicht nur vernetzen, sondern relevante Informationen auch mit ihrem Ökosystem aus Gewerbetreibenden und anderen Mobilitätsanbietern teilen sowie den Kunden zur Verfügung stellen. Das passiert bislang noch zu wenig. Für einen Passagier spielt es keine Rolle, wie ein Verkehrsbetrieb welche Daten auswertet. Er wünscht sich vor allem eine möglichst unterbrechungsfreie Fahrt mit mehreren Verkehrsmitteln. Er nimmt zuerst den Bus zur U-Bahn und steigt später vielleicht auf die Straßenbahn, ein Mietfahrrad oder einen E-Scooter um.

Interessant wäre für ihn deshalb eine Verspätungsprognose über den gesamten Reiseverlauf hinweg. Er könnte dann beispielsweise eine Benachrichtigung erhalten, dass der Bahnhof überfüllt ist, weil zahlreiche Fußballfans auf den Weg ins Stadion sind. Dass der gleich eintreffende Bus nur noch wenige freie Plätze hat oder dass er sein Ziel wahrscheinlich später erreichen wird, weil ein paar Straßen weiter ein Stau ist. Mit solchen Echtzeitinformationen würden ÖPNV-Anbieter Fahrgästen mehr Entscheidungsmöglichkeiten bieten, wie sie ihre Fahrt fortsetzen oder wie sie mögliche Wartezeiten sinnvoll überbrücken - etwa, indem sie in der U-Bahn-Station, in der sie gerade warten, noch einen Kaffee trinken, bis sich die Lage entspannt hat.

Je attraktiver und kundenfreundlicher der ÖPNV sein Angebot gestaltet, desto höher wird die Akzeptanz unter den Nutzern. Wenn die Fahrgastzahlen steigen, lassen sich wiederum die Verkehrs- und Umweltbelastungen in den Städten reduzieren - was für ihre Bewohner eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität bedeutet.

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