Innovation im Handel

Omni-Channel - deutsche Top-Manager hinken der Entwicklung hinterher

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
Beim Ausbau der Omni-Channels-Strukturen droht der deutsche Handel den Anschluss zu verlieren. Die Folge: Einsparpotenziale durch Lieferketten werden nicht gehoben.
 
  • Studie von JDA Software
  • Digitalisierung und Omni-Channel nicht im Fokus der deutschen Handels-Manager
  • Neue Rollen und Services im stationären Handel
  • Kampf mit traditionellen Strukturen zwingt zum Kostensenken

Nur 13 Prozent der deutschen CEOs sehen eine integrierte Supply Chain als oberste Priorität. Die US-amerikanischen Führungskräfte setzen bereits zu 33 Prozent das Thema ganz oben auf die To-Do-Liste.

Das veranschaulicht eine neue internationale Umfrage von PwC im Auftrag von JDA Software unter 410 CEOs aus Handels- und Konsumgüterunternehmen in Australien, China, Frankreich, Deutschland, Japan, Mexiko, Großbritannien und in den USA. Dabei gehörten 22 Prozent der Befragten CEOs zu den Top-250 Handelsunternehmen mit einem jährlichen Umsatz von über fünf Milliarden US-Dollar. Die CEOs beantworteten Fragen von JDA Software zu ihren Erwartungen für 2015 und zu ihrer Omni-Channel-Strategie.

Deutschland verliert den Anschluss

Die digitale Weiterentwicklung im stationären und Online-Handel ist in Deutschland noch nicht fest genug verankert. Nur 13 Prozent der deutschen Führungskräfte sehen den Ausbau von Online-Kanälen für die Zukunft als Priorität, ganz im Gegensatz zu den in diesem Bereich führenden Ländern wie den USA: Ein Drittel aller CEOs im amerikanischen Handel sind sich der Bedeutung des Themas bewusst und setzen es um.

Die Kunden prüfen heute wie selbstverständlich die Produktverfügbarkeit, bevor sie bestellen und den Artikel persönlich vor Ort abholen oder sich direkt beliefern lassen. Darum muss der deutsche Handel in den nächsten Jahren in den stationären Einzelhandel und den Onlinehandel investieren, um beide Retail-Bereiche besser zu verzahnen. Nur so lassen sich Kunden zum Kauf animieren, Kosten im Supply Chain Management minimieren und Services für Kunden verbessern. Denn automatisierte und integrierte Prozesse erhöhen die Agilität der Lieferketten.

Deutsche Handelsmanager stehen vor anderen Herausforderungen

Während in China und den USA die befragten CEO den Wettbewerbsvorteil von Online- und Retail-Giganten durch die Same-Day/Next-Day Delivery fürchten (76 Prozent), sehen nur 51 Prozent der deutschen CEOs die neue Konkurrenz. Möglicherweise übersehen sie sie aber auch, da sie den Anschluss an die Digitalisierung der Lieferketten bereits verloren haben.

Neue Services, wie beispielsweise Click&Collect, stehen in Deutschland allerdings hoch oben auf der Agenda. Das gaben über 61 Prozent der Befragten an - weit mehr als der internationale Durchschnitt von 53 Prozent. Denn ein großer Teil der internationalen Wettbewerber ist bereits ein Schritt weiter.

Schwere Last in Deutschland: Das Erbe des Fernabsatzgesetzes

Das deutsche Fernabsatzgesetz hatte die kostenlose Rücksendung für Verbraucher geregelt. Obwohl sich diese Regelung geändert hat, wirkt sie immer noch nach. Verbraucher sind nicht bereit, für Retouren zu zahlen. In anderen Ländern reagieren die Händler auf die enorme Quote an Rücksendungen durch die Einführung von Strafgebühren. 31 Prozent aller Befragten wollen so die Wirtschaftlichkeit des Omni-Channel Angebots erhöhen. Doch der deutsche Handel ist gezwungen, andere Wege zu suchen und zu finden. Diese Sonderbelastung erhöht den Druck auf die Händler, den Kosten-Nachteil durch optimierte Lieferketten auszugleichen.

Dirk Homberg, Key Account Executive Retail/CPG bei JDA Software erklärt die Problematik und Dringlichkeit sofortigen Handelns: "Der Handel steht vor einem Problem - seit Jahren investiert er, um die neuen Anforderungen wie eine Online-Plattform oder Services wie Click&Collect einzuführen und zu etablieren. Gleichzeitig minimieren die neuen Services den Profit. Doch um den Profit wieder zu steigern, bedarf es zuvor einer weiteren Investition in automatisierte Tools der Supply Chain zur Effizienzsteigerung. Ansonsten werden viele Online- und Einzelhändler dem Kostendruck erliegen und verschwinden."

Die neue Rolle der Läden als Beratungspunkt, Erlebniskulisse und Abholstation

Kunden kommen mit hohen Service-Erwartungen auf den Handel zu. Die Händler müssen sich den Kundenanforderungen stellen und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten. 41 Prozent der deutschen Händler wollen ihre Geschäfte für eine schnelle Belieferung wie Same-Day Delivery nutzen und 47 Prozent werden Geld investieren, um ihre Läden zur besseren Erfüllung der Kundenanforderungen auch als Abholstation zu verwenden.

Statt paralleler Lieferketten für Online-Shop und Laden geht es im Omni-Channel darum, ein integriertes Netzwerk aufzubauen, in dem Lager, Läden und der Online-Channel neue Rollen übernehmen. Transparente Warehouse Management-Systeme und intelligente IT-Lösungen im ständigen Datenabgleich sind unerlässlich. Denn die Kunden wählen selbst, ob sie Artikel online zurückschicken oder das Geschäft vor Ort aufsuchen.

Der Laden wandelt sich zur neuen Anlaufstelle für Kunden. Er ist Beratungspunkt, Erlebniskulisse und übernimmt gleichzeitig immer öfter eine Rolle als Abhohlstation in der Supply Chain. Die Optimierung der Supply Chain und die Weiterentwicklung zum digitalen stationären Handel werden für viele Händler zur Existenzfrage.

Zur Startseite