Umfrage zeigt Erfolgsfaktoren für Digitale Transformationsprojekte

Ohne Top-Management keine erfolgreiche Digitale Transformation

Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist u.a. Autor des "Change Management Handbuch" und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.


Paul Schwefer arbeitet als Associate Expert für die Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal. Die Arbeitsschwerpunkte des studierten Mathematikers und der langjährigen Führungskraft in multinationalen Konzernen liegen in den Bereichen Innovation, Restrukturierung, Turnaround und Digitale Transformation.
Die zentralen Hürden für eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalstrategie in Unternehmen liegen zu 85 Prozent außerhalb des unmittelbaren Beeinflussungsfelds des IT-Bereichs. Deshalb geht es ohne ernsthaftes Engagement der Unternehmensleitungen für die Digitale Transformation nicht.
Techniche Hürden und Komplexität werden zwar oft diskutiert - sind aber in Unternehmen letztlich längst nicht die größte Hürde bei der digitalen Transformation.
Techniche Hürden und Komplexität werden zwar oft diskutiert - sind aber in Unternehmen letztlich längst nicht die größte Hürde bei der digitalen Transformation.
Foto: Kraus und Partner

Die digitale Transformation von Unternehmen ist ein mehrdimensionaler Change-Prozess, der fortlaufend synchronisiert werden muss. Das setzt auch ein starkes Engagement des Top-Managements voraus. Dies fehlt jedoch oft - wie eine Befragung von CIOs und IT-Leitern zeigt.

Seit Jahrzehnten sind versuchen Unternehmen mit Hilfe von IT Geschäftsprozesse effektiver zu gestalten. Trotzdem stellen sie im Betriebsalltag immer wieder fest, dass bei Projekten, die auf eine digitale Transformation ihrer Organisation abzielen, die angestrebten Ziele nicht oder nur teilweise erreicht werden.

Dies war für die auf das Themenfeld Change und Transformation spezialisierte Unternehmensberatung Kraus & Partner der Anlass, mittels einer Befragung der für den Erfolg der digitalen Transformationsprojekte in ihren Unternehmen verantwortlichen Personen zu erkunden,

  • wie zufrieden diese mit dem Verlauf der digitalen Transformationsprozesse in ihrer Organisation sind,

  • wo aus ihrer Warte die größten Schwachstellen liegen und

  • was ihres Erachtens für deren erforderlich ist, um die zu beseitigen

65 CIOs und IT-Leiter befragt

Befragt wurden insgesamt 65 für die digitale Transformation in ihrer Organisation verantwortliche Personen in Unternehmen mit jeweils mehr als 1.000 Mitarbeitern. Von diesen waren 22 Prozent Mitglieder des Vorstands beziehungsweise der Geschäftsleitung und knapp 67 Prozent hatten in ihr die Position des CIOs beziehungsweise IT-Leiters inne. Bei den restlichen 11 Prozent handelte es sich weitgehend um die Leiter von Fachbereichen wie Produktion oder Vertrieb. Alle wurden zunächst mit einem Online-Fragebogen befragt. Danach wurden mit etwa einem Drittel vertiefende narrative Interviews geführt, um die Erkenntnisse zu vertiefen.

Das Gros der Befragten sieht die eigene Organisation bei der digitalen Transformation schon auf dem Weg, sieht aber auch noch große Aufgaben auf sich zukommen.
Das Gros der Befragten sieht die eigene Organisation bei der digitalen Transformation schon auf dem Weg, sieht aber auch noch große Aufgaben auf sich zukommen.
Foto: Kraus und Partner

Ein Ergebnis der Befragung war: Die Befragungsteilnehmer stufen den Reifegrad der Digitalisierungsstrategie ihres Unternehmens auf einer Skala von 1 (existiert nicht) bis 10 (exzellent) mit einem Mittelwert von 6.36 ein. Das Gros von ihnen erachtet ihre Organisation also zwar schon auf dem Weg, sieht sie jedoch bezüglich der digitalen Transformation noch vor großen Herausforderungen. Dessen ungeachtet zeigten sich 36 Prozent der Befragten mit dem aktuellen Stand der Digitalisierung in ihrer Organisation "zufrieden" und 4 Prozent sind sogar "sehr zufrieden".

Technik ist nicht die größte Herausforderung

Nur 13 Prozent sahen bei der bisherigen Transformation ihrer Organisation die größten Schwierigkeiten in der Technik beziehungsweise der Komplexität der Aufgabe. In der Regel liegen die zentralen Herausforderungen - anders als oft vermutet - also nicht in der technischen Umsetzung. Weit häufiger wurden folgende Themenbereiche genannt:

  • kulturelle Veränderung im Unternehmen (24 Prozent)

  • Schwierigkeiten bei der Integration von Business und IT (21 Prozent)

  • mangelnde Kompetenzen und mangelndes Fachwissen (18 Prozent)

  • mangelnde Unterstützung und mangelndes Verständnis auf der obersten Leitungsebene (14 Prozent)

Als größte Hürden bei der Umsetzung erachten die Befragten die Veränderungsresistenz der Organisation (31 Prozent) und die mangelnde Digitalisierungskompetenz (23 Prozent), gefolgt von einer unzureichenden Ausstattung mit Ressourcen (19 Prozent) und einem ungenügenden Alignment der Stakeholder (12 Prozent). Das heißt, zu 85 Prozent liegen die zentralen Hürden für eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalstrategie außerhalb des unmittelbaren Beeinflussungsfelds des IT-Bereichs.

Synchronisierung der Maßnahmen fehlt oft

Dies scheint auch an einem mangelnden Engagement der Unternehmensleitungen für die digitale Transformation zu liegen. Diese Vermutung legen die Antworten der Befragten auf die Fragen nahe,

  • wer aktuell der zentrale Treiber des digitalen Transformationsprozesses in ihrer Organisation ist und

  • wer dies sein sollte.

Die Ist-Situation stellt sich für die Befragungsteilnehmer wie folgt dar: 48,1 Prozent, also fast die Hälfte von ihnen, erachten aktuell die CIOs beziehungsweise IT-Leiter als zentrale Transformationstreiber. Der Unternehmensleitung hingegen schreiben nur 20,4 Prozent diese Rolle zu.

Nach Auffassung von weit über zwei Dritteln der Befragten sollte die Unternehmensleitung die treibende Kraft der Transformation sein - faktisch ist es heute aber in der Hälfte der Fälle der CIO.
Nach Auffassung von weit über zwei Dritteln der Befragten sollte die Unternehmensleitung die treibende Kraft der Transformation sein - faktisch ist es heute aber in der Hälfte der Fälle der CIO.
Foto: Kraus und Partner

Dabei sollten nach Auffassung von weit über zwei Dritteln der Befragten (73,0 Prozent) die Unternehmensleitungen die zentralen Treiber der Transformation sein. Dass dies nicht der Fall ist, dürfte auch eine Ursache dafür sein, dass den Befragten zufolge nur in jedem sechsten Unternehmen eine systematische Synchronisierung der angestrebten Ziele zwischen dem Top-Management und den Leitern der IT-Bereiche erfolgt.

Integrierter digitaler Transformationsansatz wird unverzichtbar

Eine entsprechende Koordinierung beziehungsweise Synchronisierung wird jedoch nach Auffassung der Befragten immer wichtiger. Denn aufgrund externer Einflussfaktoren wie KI sowie der allgemeinen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung sehen sie auch bei den aktuellen Digitalisierungsstrategien der Unternehmen selbst oft einen großen Change-Bedarf. Für 82 Prozent der Befragten ist der so groß, dass es eines integrierten Ansatzes der digitalen Transformation bedarf. Der sollte folgende vier Ebenen umfassen:

  • Strategie und Werte,

  • Technologie und Architektur,

  • People und Organisation sowie

  • Alignment und Steuerung

Ein solcher Ansatz wird ihnen zufolge zunehmend unverzichtbar. Denn wenn auch nur eines der vier Handlungsfelder vernachlässigt wird, könne das Potenzial der digitalen Transformation nicht ausgeschöpft und die strategischen Entwicklungsziele nicht erreicht werden.

Technologie darf nie zum Selbstzweck werden

Dabei zeigte sich in den narrativen Interviews laut Aussagen der beiden Studienverfasser Prof. Dr. Georg Kraus und Paul Schwefer immer wieder: Laut Auffassung der Befragungsteilnehmer hängt der Erfolg der digitalen Transformation "nicht primär davon ab, die richtigen Technologien zu kennen". Die zentralen Erfolgsfaktoren sind vielmehr

  • Faktor 1: Die technischen Möglichkeiten können in einen unternehmerischen Wert übersetzt werden.

  • Faktor 2: Die daraus abgeleiteten Unternehmensziele spiegeln sich in den Maßnahmen zur Kultur-, Organisations- und Personalentwicklung wider und sind auf die Notwendigkeiten abgestimmt, die sich aus dem Anspruch einer erfolgreichen Transformation ergeben.

  • Faktor 3: Das Kompetenzlevel speziell des obersten Managements ist ausreichend, um die notwendigen Wechselwirkungen bei den Elementen Unternehmensstrategie, Wertgenerierung, Technologie und Architektur sowie Kultur-, Organisations- und Personalentwicklung selbst aktiv zu steuern.

  • Faktor 4: Die Implementierung wird von einer Steuerung begleitet, die sicherstellt, dass das Vorgehen, die Geschwindigkeit und die Zielerreichung dauerhaft synchronisiert sind.

Das heißt wiederum: Die Technologie darf nie als Selbstzweck gesehen werden. Sie muss vielmehr stets als ein Mittel zum Erreichen der unternehmerischen Ziele verstanden werden - "und dies muss sich", so die Studienautoren Kraus und Schwefer, "wiederum in der Transformationsstrategie widerspiegeln".

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