Gastkommentar

Office 365 - runter mit den Spendierhosen

26.03.2012

Affront gegen die Partner

Genauso wie Bremsen eine Form der Beschleunigung ist – allerdings mit negativem Vorzeichen – ist die Reduktion von Preisen auch ein Instrument um Nachfrage zu stimulieren und sich gegen den Wettbewerb zu positionieren. Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind hierbei auch die Partner, die die Services an den Kunden bringen. So steigt unter Umständen zwar die Zahl der möglichen Kunden, die absolute Provision pro User reduziert sich jedoch. Die Partner leben zwar nicht zwingend von Provisionen, sondern vielmehr von den Services im Umfeld deren Einführung beim Kunden. Die sechs Prozent Jahresprovision – respektive die zwölf Prozent für die Gewinnung eines Neukunden – sind zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Die wahre Wertschöpfung wird über das Projektgeschäft und kreative Leistungen erzielt. Alleinstellungsmerkmale, und damit nachhaltiger Erfolg, können nur durch Service und smarte Ideen entstehen. Durch die Einführung unterschiedlicher Servicepläne und Suiten ermöglicht es Microsoft seinen Partnern, über das Instrument der Leistungs- und Preisdifferenzierung unterschiedliche Zahlungsbereitschaften abzuschöpfen. Durch diesen Ansatz können vom Freelancer bis zum Konzern nahezu alle Anwender adressiert werden.

Der IT-Channel kann durch die Unvollkommenheit der Microsoft-Produkte, bzw. auch der anderen Anbieter, sowie durch technische und politische Reglementierungen in Office 365 dem Anwender zahlreiche Mehrwerte liefern. Dies gilt sowohl für den erfahrenen ISV, Systemintegrator als auch für den im Servicegeschäft eher jungfräulichen Reseller.

Dem IT-Channel fällt bei SaaS-Angeboten im Allgemeinen und Services wie Office 365 im Besonderen die Rolle des "Gatekeepers" zwischen Anwenderunternehmen und Cloud-Industrie zu. Die Sortimentszusammenstellung des Channels und die professionelle Ansprache der Kunden, verbunden mit der Umsetzung in Projekten, führen aktuell noch zu einem Markterfolg. Anbietern jeglicher Historie sollte klar sein, dass dem IT-Channel auch die Aufgabe zufällt, unter Berücksichtigung der zahlreichen, oft nur teilweise innovativen Produktneuentwicklungen und verfügbaren Angebote die für sie ökonomisch sinnvollsten Ein- und Auslistungsentscheidungen zu treffen.

Affront gegen Early Adopter

Microsoft hat in einer Pressemeldung zur Cebit 2012 kommuniziert, dass in Deutschland bereits mehr als 5.000 Anwenderunternehmen für Office 365 gewonnen werden konnten. Seinerzeit wurde erklärt, dass transparente und flexible Preismodelle ausschlaggebend für den Erfolg seien. Jedoch werden viele dieser Kunden nicht von aktuellen Preisreduktionen profitieren. Eine Anpassung der Preise soll hier frühesten zum nächsten Renewal-Termin erfolgen. Für die Kunden, die sich früh für eine Lösung wie Office 365 entschieden haben, ist dieser Sachverhalt wie ein Eimer voll kaltes Wasser ins Gesicht. Diese Innovatoren werden abgestraft.

Natürlich haben sie sich zu einem bestimmen Zeitpunkt unter kaufmännischen und anderen Gesichtspunkten für einen Service zu einem definierten Preis entschieden. Und genauso natürlich ist auch, dass Anbieter die Hoheit über den Preis haben. So ist es im Produktgeschäft üblich, dass zum Ende des Lebenszyklus, z.B. einer Software, Nachlässe eingeräumt werden. Jedoch sieht es im Servicegeschäft im Allgemeinen und im Markt für SaaS-Lösungen im Besonderen eigentlich anders aus. Hier wird häufig über preisliche Flexibilität der Service positioniert und vermarktet.

Ferner ist eine solche Botschaft in einem sich entwickelnden Markt ein schlechtes Zeichen. Auch wird sich Microsoft hiermit keinen Gefallen erweisen. Für eine entsprechende Anpassung, bezogen auf die wenigen tausend Anwender - und den damit verbundenen einigen tausend Usern (Seats), hätte eine solche Flexibilität sicherlich keine ernsthaften monetären Auswirkungen gehabt. Im Gegenteil: Es hätte Größe gezeigt werden können. Das gewählte Verhalten wird sicherlich bei einigen Bestandskunden zu Kaufreue führen. Auf jeden Fall wird das Verhalten aber bei aktuellen und zukünftigen Innovationen für Verzögerungen bei einer raschen Adaption sorgen. Das wahrgenommene Risiko eine Fehlentscheidung zu treffen, wird steigen.

Fazit

Das Leben geht weiter, auch wenn ab und zu die Hoffnungen größer sind als die Möglichkeiten. Aber dass nicht immer alles so gelingt, wie man sich das vorgenommen hat, wissen wir aus eigenen Erfahrungen. Ein frühzeitiger Hohn, Ironie und Spötterei über die Bemühungen eines Marktteilnehmers – u.a. von Wettbewerbern – ist immer leicht, wenn sie aus der bequemen Perspektive des Rückblicks geäußert werden kann oder losgelöst von der kritischen Selbstreflektion der eigenen Leistung erfolgt. Wie schwierig es ist, in einem, von Techniksprüngen, sozialem Wandel und den daraus entstehenden geänderten Bedarfen, geprägten Markt das richtige Gespür zu haben, zeigt sich oftmals erst aus dem bitteren Blickwinkel des Rückspiegels. Aus der jeweiligen Zeit heraus erscheinen Entscheidungen durchaus nachvollziehbar, die sich später für die betreffenden Unternehmen oft als tragische Fehler erwiesen. So bleibt abzuwarten, ob die massive Reduktion des Preises für Office 365-Lösungen tatsächlich auch das gewünschte Ergebnis bringt, langfristig den Wettbewerb auf Abstand zu halten und auf der anderen Seite kurzfristig neue Kunden zu gewinnen.

Anwender sollten sich nicht von der preislichen Diskussion in die Irre leiten lassen. Vielmehr gilt es, auf Basis von Nutzen die Auswahl von Services zu bewerten. Die Reduktion der Preise ist für sie jedoch ein zusätzlicher (kurzfristiger) positiver Effekt, der "en passant" mitgenommen werden muss.

Wie denken Sie über die Preiserhöhung? Bitte sagen Sie uns dazu im Forum Ihre Meinung und nehmen Sie an der Umfrage teil!

(rb)

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