Neue Anwendungen geben dem Desktop-Publishing-Markt frischen Schwung

09.06.1996
MÜNCHEN: Der Markt für Desktop-Publishing ist gerade mal zehn Jahre alt. Trotzdem bricht er schon wieder zu neuen Ufern auf. "Cross Media-Publishing" heißt das Zauberwort. Bedrucktes Papier ist nur noch eine Form von vielen, in die Information gegossen wird. Für die Platzhirsche im Markt bedeutet das: Die Karten werden neu gemischt.Wenn Sie eine Firma suchen, die mit dem Internet bereits Geld verdient - hier ist sie", gab Jesse D. Young vor kurzem in einem Interview mit dem ComputerPartner an. Der ehemalige Adobe Deutschland-Boß ist nicht der einzige in der DTP-Branche, der sich schon heute in einem warmen Geldregen sieht. Die schwarze Zunft der Druckvorstufe - sprich Setzereien und Reprobetriebe - ist noch nicht ganz unter die Erde gebracht, da sucht der Totengräber DTP bereits wieder nach neuen Betätigungsfeldern. In Zeiten allgemeiner Computervernetzung und Mediendigitalisierung sehen die Anbieter nur noch eines: Unternehmen, Institutionen und Menschen, die Informationen verbreiten wollen - auf welchem Weg auch immer. Adobe, Corel, Quark, Apple & Co. zeigen ihnen wie.

MÜNCHEN: Der Markt für Desktop-Publishing ist gerade mal zehn Jahre alt. Trotzdem bricht er schon wieder zu neuen Ufern auf. "Cross Media-Publishing" heißt das Zauberwort. Bedrucktes Papier ist nur noch eine Form von vielen, in die Information gegossen wird. Für die Platzhirsche im Markt bedeutet das: Die Karten werden neu gemischt.Wenn Sie eine Firma suchen, die mit dem Internet bereits Geld verdient - hier ist sie", gab Jesse D. Young vor kurzem in einem Interview mit dem ComputerPartner an. Der ehemalige Adobe Deutschland-Boß ist nicht der einzige in der DTP-Branche, der sich schon heute in einem warmen Geldregen sieht. Die schwarze Zunft der Druckvorstufe - sprich Setzereien und Reprobetriebe - ist noch nicht ganz unter die Erde gebracht, da sucht der Totengräber DTP bereits wieder nach neuen Betätigungsfeldern. In Zeiten allgemeiner Computervernetzung und Mediendigitalisierung sehen die Anbieter nur noch eines: Unternehmen, Institutionen und Menschen, die Informationen verbreiten wollen - auf welchem Weg auch immer. Adobe, Corel, Quark, Apple & Co. zeigen ihnen wie.

Im kommenden Jahr wird der Markt für Desktop-Publishing in Deutschland nach Angaben von Apple ein Volumen von 1,2 Milliarden Mark erreichen. Schätzungsweise 60 Prozent entfallen auf die Hardware. Die jährlichen Wachstumsraten liegen laut IDC bis zum Jahr 2000 bei 13 bis 14 Prozent. Ob diese Zahlen allerdings wirklich alles erfassen, was heute und in Zukunft unter dem Namen DTP verkauft wird, ist mehr als fraglich. Nicht erst seit dem Erscheinen des Goldenen Kalbs namens Internet weiß niemand so recht, was zum DTP gehört und was nicht. Mit den klassischen Zielgruppen, also der Druckvorstufe, den Druckereien sowie deren Kunden wie Verlagen und Werbeagenturen ist es längst nicht mehr getan. Hinzu kommen Architekten, Reiseunternehmen, Hotels, Fußballvereine oder Bürgerinitiativen. DTP macht heute beinahe jeder, der professionell mit seiner Außenwelt kommunizieren will.

Ein bedeutender Markt ist die unternehmensinterne Kommunikation und das Corporate Publishing. In vielen Firmen schlummern Berge digitalisierter Information, die nutzbringend und identifikationsstiftend an Beschäftigte und Kunden publiziert werden könnten. Die Lösung heißt Datenbank-Publishing. Die Herausforderung für Systemhäuser und Fachhändler ist es, das Publishing-System in die vorhandene EDV-Infrastruktur zu integrieren. Wie arbeiten ein Windows-NT-Netz, Unix-Server und ein Macintosh-DTP-System optimal zusammen? Derartige Workflow-Lösungen wurden beim DTP bis vor kurzem nicht gebraucht, da die Systeme größtenteils proprietär waren. Mit den mittlerweile üblichen offenen Umgebungen ç la PostScript und Portable Document Format (PDF) hat sich das geändert. Das bekommen vor allem Unternehmen wie Apple zu spüren. Viele Firmen, die zum Beispiel mit Windows NT arbeiten und sich für ein DTP-System interessieren, scheuen den Integrationsaufwand, den ein Macintosh-System bedeuten würde.

Apple sucht ganzheitliche Händler

Wir spüren schon Tendenzen in den EDV-Abteilungen zu einer einzigen Plattform, vom Back Office bis zur Produktion", gibt auch Reiner Deichmann zu, Vertriebsleiter Großkunden bei Apple in Ismaning. Seine Strategie ist es, die Apple-Marktanteile zunächst mal in den Stammärkten wie etwa Zeitungen und Zeitschriften zu sichern und Abwanderungstendenzen zu anderen Systemen entgegenzuwirken. "In diesem Markt ist noch massig zu tun, vor allem bei der vertikalen Integration der Produktion mit der Blattplanung, Anzeigenabrechnung und Warenwirtschaft. DTP ist da nur ein Aspekt der Gesamtlösung", erklärt Deichmann. In den Nicht-DTP-Bereichen waren Apple und Konsorten bisher kaum vertreten. Deichmann setzt daher auf die Vertriebspartner. Die sollen den Kunden "gesamtheitliche Lösungen" verkaufen, die allein an den Bedürfnissen der Kunden orientiert sind und so durchaus auch Nicht-Apple-Komponenten enthalten.

Etwas anderes als diese Flexibilität kann sich Apple auch gar nicht leisten. Dem ehemaligen DTP-Innovator weht ein kalter Wind ins Gesicht. "Bei neuen DTP-Systemen entscheiden sich die Käufer zu 70 Prozent für Windows", erklärt Michael Has, Technischer Direktor der Forschungsgesellschaft Druck (Fogra) in München. Die US-Marktforschungsfirma Computer Intelligence InfoCorp (CII) gibt Has tendenziell recht. Danach verkaufte Apple im April bis Juni diesen Jahres etwa 30 Prozent weniger Rechner als im gleichen Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig verkauften die von CII befragten Händler und Wiederverkäufer über zehn Prozent mehr Intel-basierte Maschinen.

Has überrascht das nicht. Der technische Vorsprung, den Apple lange Jahre im grafischen Bereich hatte, ist für ihn dahin. So muß sich Windows etwa in der wichtigen Frage des Farbmanagments nicht länger verstecken. Der in Windows 95 und NT integrierte KCMS (Kodak-Color-Management-System-Standard steht mit dem vielzitierten ColorSync von Apple qualitativ auf gleicher Stufe. "Die Unterschiede sind unter Experten nur noch eine weltanschauliche Streitfrage. Den meisten Anwendern ist das egal", stellt Has fest. Er muß es wissen, denn er gehört zu den Initiatoren des International Color Consortiums (ICC), das seit Ende der achtziger Jahre Profile für die gerätespezifische Abweichung von der Farbnorm definiert. Nicht egal kann diese Frage Anbietern wie der Helios Software GmbH in Hannover sein, die sich mit ColorSync-XTensions zu QuarkXPress ein profitables Update-Geschäft verspricht. "Wysiwyg für Farbe ist der Trend im DTP", glaubt Helios-Marketingleiter Peter Mayr.

In jedem Fall ist den Hardware- und Software-Anbietern der klassische DTP-Markt - sprich Druck- und Verlagsbranche und grafische Industrie - zu klein geworden. Es grassiert auch hier das Multimedia- und Internetfieber. Zwar gibt auch der frischgebackene Adobe-Deutschland-Geschäftsführer Frank Steinhoff zu, daß es bei den Verlagen durchaus noch einiges zu holen gibt: "Das zeigt sich für mich immer auf der Frankfurter Buchmesse. Da arbeiten viele Verlage noch auf dem Stand der 70er Jahre." Trotzdem drehen sich auch bei Adobe fast alle Produktneuankündigungen - ob WebPresenter, PageMill oder PrintMill - nur um die interaktiven Medien. Die Fähigkeit, eine Information mehrmals für verschiedene Medientypen zu nutzen ist nicht nur für Adobe der Schlüssel für die Entstehung neuer Märkte. Auch Apple will auf der Hardware-Seite mit multimedialen Datenbanken das "Cross Media-Publishing" auf die Bahn bringen. Für Michael Has ist das bislang noch Wunschdenken: "Sowas geht nicht per Mausklick. Da brauchts vor allem Manpower mit den unterschiedlichsten Kompetenzen." Trotz alledem macht das Berliner Apple-Center Pandasoft GmbH nach eigener Aussage immerhin bereits fünf bis zehn Prozent seines DTP-Umsatzes mit "Web-Publishing"-Lösungen.

Hoher Serviceaufwand bringt Geld

Weitaus konkreter als die blumigen Szenarien des Cross Media-Authoring sind für DTP-Lösungsanbieter die Herausforderungen des Corporate Publishing, Database Publishing und des Workflow-Managements. Hier ist nach einhelliger Expertenmeinung für Fachhändler und Dienstleister das meiste Geld zu verdienen. "Die Anwendungen sind alle da, da kommt nicht mehr viel aufregend Neues. Die Frage ist nur: Wie stecke ich's zusammen?", resümiert Michael Has. Maßgeschneiderte Branchenlösungen und Integration in bestehende EDV-Strukturen sind nicht nur ein technisches, sondern vor allem ein organisatorisches Problem. Der hohe Dienstleistungsaufwand zahlt sich für findige Systemhäuser und Fachhändler aus. Viele Firmenkunden außerhalb der grafischen Zunft verlassen sich allerdings zu sehr auf die technische Lösung und unterschätzen die fachliche Kompetenz, die für ein professionelles Layout und die Druckvorstufe notwendig sind. Statt Kosten zu sparen, ist das hauseigene DTP am Ende teurer als der externe Dienstleister.

Wer auch immer den Händlern die DTP-Lösungen abkauft, die Nachfrage scheint in den kommenden Jahren gesichert. Nach einer Studie von Frost & Sullivan wird sich beispielsweise in den USA der Markt für DTP-Equipment bis zum Jahr 2001 mehr als verdreifachen, und zwar auf 27 Milliarden US-Dollar. Besonders der Hardwareumsatz wird in die Höhe schnellen, während mit der Software aufgrund des Preisverfalls weniger zu verdienen sein wird.

In Deutschland dürfte die Entwicklung kaum gegenteilig verlaufen. Eine der spannendsten Unbekannten wird die Zukunft des DTP-Pioniers Apple sein. Für Adobe-Chef Steinhoff ist Apple nach den jüngsten Turbulenzen jetzt endlich auf dem richtigen Weg. Und auch Publishing-Guru Jonathan Seybold hofft: "Es ist wichtig, daß Apple überlebt, um die Heterogenität des Publishings zu erhalten. Sonst dominiert uns Windows NT." (ld)

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