Im Dezember hatte der Hersteller kaufmännischer Standard-Software, damals noch als AG unterwegs, den Gang zum Insol-venzverwalter antreten müssen, weil die Investoren den Geldhahn zudrehten. Jetzt hat das Unternehmen seine Reorganisation beendet und präsentiert sich neu: So firmiert Clarfeld jetzt als GmbH mit Rainer Kuhn und Andreas Scharff als geschäftsführende Gesellschafter. Die beiden waren zuvor Entwicklungsleiter der Software "Selectline". Der vorherige Boss Jens-Peter Clarfeld ist nach Angaben des Unternehmens weiterhin für Clarfeld tätig, allerdings nicht in geschäftsführender Funktion, sondern im administrativen Bereich. Eine Aussage, die von einem Kenner des Unternehmens stark angezweifelt wird: "Ich bin mir sicher, dass Jens-Peter Clarfeld nach wie vor die Fäden zieht. Denn auch das Geld für die GmbH kommt von der Familie Clarfeld", so der Insider.
Auch bei der Produktstrategie des Anbieters hat sich einiges geändert: "Commergeline" wanderte auf den Müll. Die Konsequenz ist, dass 30 von 70 Mitarbeitern gehen mussten. Kernprodukt ist nunmehr die kaufmännische Lösung "Selectline", die seit Anfang Februar in der Version 7 ausgeliefert wird.
So weit jedenfalls die offizielle Darstellung zur neuen GmbH. Unzufriedende und verärgerte Partner sind ein weiteres Thema, wenn auch kein offizielles. Ein ehemaliger Mitarbeiter von Clarfeld beklagte im Gespräch mit ComputerPartner die unklare Informationspolitik des Unternehmens, vor allem gegenüber seinen Händlern. Ein Beispiel sind Informationen über die aktuelle Finanzlage. Wie ein Insider gegenüber ComputerPartner verlauten ließ, seien zwar die Lieferanten über die bevorstehende Gläubigerversammlung informiert worden, nicht aber die Händler. "Meiner Meinung nach hat Clarfeld gehofft, dass keiner von denen was merkt und Gras über die Sache wächst", so der Insider.
Auch im Hinblick auf die Zuständigkeit sei Clarfeld nicht ganz ehrlich: So werde zwar verbreitet, dass das neue Unternehmen nichts mit dem alten zu tun habe, wenn es aber passe, sei man plötzlich wieder der Nachfolger. Ein Beispiel dafür sei auch, dass viele Händler dazu aufgefordert worden seien, erst ihre Schulden bei der AG zu bezahlen, sonst würden sie von der GmbH nicht beliefert. Misstrauisch dürften viele Kunden gegenüber der neuen GmbH auch sein, weil viele Dinge, die Clarfeld jetzt verspricht, bereits letztes Jahr versprochen und nicht eingehalten wurden. Zu nennen sind hier das Endkunden-Marketing, das sich Clarfeld mit dem Neuauftritt wieder auf die Fahnen geschrieben hat. Auch auf regionale Niederlassungen mit Vor-Ort-Schulungen und Support hatten sich die Händler im letzten Jahr verlassen, diese aber nicht bekommen. Doch es gibt auch zuversichtliche Stimmen aus den Händlerreihen: "Das Vertrauen kommt langsam wieder, nach einem Gespräch mit den Managern sehen die Dinge nicht mehr so schwarz aus, wie sie einige Zeit lang erschienen", so ein Clarfeld-Partner.
www.clarfeld.de
ComputerPartner-Meinung:
Clarfeld hat bei seinen Partnern Sympathien verschenkt: Viele sind verunsichert und verärgert. Will Clarfeld den Neubeginn schaffen, sollte der Hersteller zunächst das Vertrauen zu seinen Kunden wieder aufbauen. Dazu gehören eine klare Partnerstrategie sowie verbindliche, ehrliche, und vor allem freiwillige Informationen. (st)