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06.06.2002

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Mönning & Georg

Rechtsanwälte - Solicitor

Herrn Prof. Dr. Rolf-Dieter Mönning

Frankenstrasse 12-16

52070 Aachen

München, 03.06.2002

Muss das Insolvenzrecht Konkurs anmelden?

Sehr geehrter Herr Mönning,

vor einigen Wochen hat das Technikkaufhaus Ernst Brinkmann KG in Hamburg erneut Insolvenz angemeldet - zum zweiten Mal nach 2001. Als ich dies meinem Verlagsleiter erzählte, schüttelte dieser den Kopf. "Früher", meinte er, "als die Firmen noch Konkurs machten, waren sie schlichtweg tot. Aus und vorbei, klare Sache. Heute, unter dem Schutz des Insolvenzrechts, tauchen plötzlich Firmen wieder auf, die man längst unter der Erde glaubte. Alles Halbtote, Zombies, die nur noch ein Auge haben, die Nase ist ihnen weggefault, in der Brust klafft ein riesiges Loch, und auf den Beinen können sie sich auch kaum halten. Aber sie humpeln immer noch durch die Gegend und sorgen für Unruhe." Ich sollte hinzufügen, dass mein Verlagsleiter eine Vorliebe für bildhafte und drastische Darstellungen hat.

Die seit 1999 bestehende Insolvenzrechtsordnung ist ins Gerede gekommen. Die Stimmen mehren sich, die eine Abschaffung oder zumindest eine Modifizierung fordern. Einer der schärfsten Kritiker ist mein Kollege Bernd Ziesemer vom "Handelsblatt". Der hat sich vor kurzem unter der Schlagzeile "Lob des schnellen Bankrotts" mit dem Thema auseinander gesetzt. Seine These lautet, stark zusammengefasst: Die Insolvenzordnung muss weg, weil sie der Volkswirtschaft schadet, weil sie dem Wettbewerb schadet, weil sie den Arbeitsplätzen schadet und weil sie der Kreditversorgung der (gesunden) Unternehmen schadet.

Bekanntlich ist das Vorbild des deutschen Insolvenzrechts das "Chapter 11" in den USA. Dieses sei, so Ziesemer, in den Vereinigten Staaten "längst in Verruf geraten". Die mehr als 20-jährige Erfahrung mit der Chapter-11-Regel habe gezeigt, "dass die Fortführung eines insolventen Unternehmens in der Regel nur sehr kurzfristig funktioniert - und die allermeisten Firmen am Schluss in einer zweiten Pleite landen" - siehe Brinkmann. Überdies verhindere das Insolvenzrecht eine schnelle Flurbereinigung in Krisenbranchen. Die Rettung eines (meist großen) Unternehmens führe, so Ziesemer, "zwangläufig zum Tod vieler anderer (meist kleiner) Unternehmen, weil die notwendige Kapazitätsanpassung unterbleibt". Der Autor führt noch einige weitere negative Folgen der Insolvenzrechtsordnung auf, die ich aus Platzgründen hier nicht rekapitulieren kann.

Hinzu kommt natürlich noch der Missbrauch. Dieser betrifft vor allem das Insolvenzgeld. Früher, beim alten Konkursrecht, zahlte die Bundesanstalt für Arbeit den Angestellten eines bankrotten Unternehmens das "Ausfallgeld" - was seinen Sinn darin hatte, dass die Firma ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hatte. Es war einfach Schluss. Dagegen ist die Insolvenz heute nur ein juristischer Status, der auf den operativen Betrieb oft gar keinen Einfluss hat. Dennoch zahlt die Bundesanstalt für Arbeit Insolvenzgeld an die Beschäftigten (die Insolvenzverwalter wissen, wie man daran kommt). Diesen Umstand machen sich einige Firmen zu Nutze; sie planen die Lohnsubvention aus Nürnberg in ihre Kalkulation mit ein. Die "Financial Times Deutschland" berichtete kürzlich von Fällen, "in denen Insolvenz überhaupt nur beantragt wird, um an das Geld der Bundesanstalt zu kommen".

Sie, sehr geehrter Herr Professor Mönning, gelten als Koryphäe auf diesem Gebiet. Daher würde mich besonders Ihr Urteil interessieren. Hat sich das Insolvenzrecht bewährt? Und ebenfalls würde mich interessieren, was Sie zu den Anwürfen von Ziesemer gegen Ihre Zunft sagen. Ziesemer wirft den Insolvenzverwaltern vor, sie hätten "kein ökonomisches Interesse an schnellen Lösungen", und viele Unternehmen würden durch die Insolvenzverwalter "zusätzlich ausgeplündert". Starker Tobak!

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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