Computer 2000 AG
Vorstandsvorsitz
Herrn Steven A. Raymund
Wolfratshauser Str. 84
81379 München
München, 14.06.1999
Sehr geehrter Herr Raymund,
gut ein Jahr nach der Übernahme von Computer 2000 durch Tech Data geht es jetzt offenkundig ans Eingemachte. Das große Reinemachen beginnt. Und da die Treppe immer von oben gefegt wird, ist zunächst der Vorstand der Computer 2000 AG, also der Holdinggesellschaft der einzelnen operativen Einheiten, dran. Wenn man den Informationen glauben will, ist am Ende dieses Jahres von dem fünfköpfigen Vorstand nur noch einer übrig. Sie selbst als bisheriger Vorstandsvorsitzender gehen zurück in die USA, Harry Krischik und Manfred Günzel sind bereits so gut wie weg, und daß Pertti Ervi mit Ablauf dieses Geschäftsjahres im September ebenfalls seinen Schreibtisch räumt, gilt als sicher. Bleibt also nur noch Wolfgang Orgeldinger übrig.
Zufall oder nicht: Nahezu gleichzeitig hat auch noch der Chef der größten Computer-2000-Länderorganisation, der deutsche Geschäftsführer Joachim Prinz, seine Kündigung eingereicht. Er wird ebenfalls von Bord gehen. Prinz begründet seinen Ausstieg mit einem guten Angebot, zu dem er nicht Nein sagen konnte. Es spricht aber auch einiges dafür, daß die anstehenden oder erwarteten Umstrukturierungen im Konzern seine Entscheidung erleichtert haben. Zumindest haben Sie es nicht geschafft, ihn zum Bleiben zu bewegen. Wenn dann auch noch Prinz' Geschäftsführerkollege Friedrich Rettenberger, wie man hört, ebenfalls auf gepackten Koffern sitzt und Abwanderungsgedanken hegt, wird die Lage knifflig.
Was also ist los bei Computer 2000? Offenkundig wird die Integration des deutschen Distributors in die weltweite Organisation von Tech Data jetzt massiv vorangetrieben. Die AG soll in Zukunft als europäisches Headquarter fungieren. Das bedeutet, daß die nichteuropäischen Ländergesellschaften (Vereinigte Arabische Emirate, Argentinien, Uruguay, Chile und Peru) zukünftig aus dem Verantwortungsbereich der Deutschen herausfallen. Das scheint durchaus Sinn zu machen. Auch ohne diese außereuropäischen Aktivitäten wäre das europäische Hauptquartier noch für 37 verschiedene operative Gesellschaften in 24 Staaten zuständig. Und darin sind die Europa-Ableger von Tech Data noch nicht einmal enthalten.
So nachvollziehbar die Reorganisation des Unternehmens ist, so bleiben doch Fragezeichen in bezug auf die Personalveränderungen. Warum muß fast die komplette Führungsspitze in der AG ausgewechselt werden? Hat sie einen schlechten Job gemacht? Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Immerhin hat sich Computer 2000 nach dem kostspieligen US-Abenteuer mit Ameriquest inzwischen wieder gut berappelt und ist nach zwei verlustreichen Jahren in die Gewinnzone zurückgekehrt. Knapp 110 Millionen Mark Profit im vergangenen und über 80 Millionen im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres sind für einen Broadlinedistributor gar nicht so schlecht. "Never change a winning team" heißt es doch bei Ihnen in den Staaten. Ist die Mannschaft in München keine Siegertruppe mehr?
Man hat als Außenstehender den Eindruck, daß das, was bei Computer 2000 derzeit geschieht, eine Revolution von oben ist. Nun hat es mit Revolutionen seine besondere Bewandtnis. Wie die Historie zeigt, werden häufig die eigentlich beabsichtigten positiven Veränderungen durch die nichtbedachten negativen Nebenfolgen überkompensiert. Mit dem Ergebnis, daß man anschließend das Gegenteil dessen erreicht hat, was man wollte: keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung. Ich hoffe sehr, daß Computer 2000 nicht als ein weiteres Beispiel für diese gescheiterten Revolutionen in die Geschichtsbücher eingehen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Damian Sicking
PS: Was ist eigentlich an den Gerüchten dran, daß Karl Pohler als neuer Europachef zu Computer 2000/Tech Data zurückkehrt?