Coopetition

Kooperative Geschäftsmodelle

Thomas Müller ist Sprecher der evan.network organization. Das evan.network ist eine neutrale Vertrauensinfrastruktur für kooperative Ökosysteme. Das blockchain-basierte Netzwerk ermöglicht die Bildung manipulationssicherer Digitaler Identitäten von Unternehmen und Gütern als Voraussetzung für automatisierte Prozesse in der Economy of Things.
Digitale Transformation bestehender Ökosysteme: Wie konkurrierende Unternehmen von der vertrauensvollen Nutzung gemeinsamer Ressourcen profitieren können
Es gibt Business-Modelle, in denen die Geschäftsprozesse für alle Marktteilnehmer zum Vorteil gereichen.
Es gibt Business-Modelle, in denen die Geschäftsprozesse für alle Marktteilnehmer zum Vorteil gereichen.
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Das Wort Coopetition ist ein Kofferwort und setzt sich aus den beiden Begriffen "Cooperation" und "Competition" zusammen, die meist gegensätzlich verwendet werden. Damit ist gemeint, dass Unternehmen in bestimmten Punkten kooperieren, um gemeinsame Ressourcen effizienter zu nutzen, gleichzeitig aber weiterhin in einem Konkurrenzverhältnis um die Kunden in ihrem Geschäftsfeld stehen.

Solche gemeinsamen Ressourcen gibt es viele: Eine Maschine, die von verschiedenen Unternehmen angemietet und genutzt werden kann, ist eine geteilte Ressource. Ein Handwerker, der Heizungsanlagen verschiedener Hersteller installiert und wartet, ist eine geteilte Ressource. Und ein Zulieferer, der für verschiedene Hersteller arbeitet, ist ebenfalls eine geteilte Ressource. Unternehmen betrachten diese Ressourcen allerdings meist nur in ihrem eigenen Geschäftskontext – der Zulieferer wird also beispielsweise als strategische Ressource angesehen, weshalb seine Daten aus Wettbewerbsgründen nicht geteilt werden.

Und genau an diesem Punkt geht die Coopetition einen Schritt weiter: Ziel ist es bestehende Geschäftsmodelle gemeinsam weiterzuentwickeln, sodass am Ende alle Marktteilnehmer profitieren und der Wettbewerb insgesamt gestärkt wird. Doch um den gemeinsamen Zugriff auf die geteilten Ressourcen so effizient wie möglich zu gestalten, muss dieser digitalisiert werden – und genau hier findet sich der Knackpunkt:

Viele Unternehmen gehen bei der Digitalisierung ihrer Prozesse eigene Wege und schieben so einer Standardisierung den Riegel vor. Das Ergebnis ist eine Vielzahl digitaler Inseln, die eine flächendeckende Digitalisierung und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Firmen deutlich erschweren.

Vertrauen als Basis für digitale Geschäftsmodelle

Um unternehmensübergreifende digitale Ökosysteme aufzubauen braucht es Vertrauen. Denn nur in einem vertrauensvollen Rahmen können sich Unternehmen mit Geschäftspartnern verbinden, auf sicherem Weg verifizierte Daten teilen und gemeinsame Geschäftsmodelle aufbauen. Diesen Rahmen bieten zentrale Plattformanbieter schon heute, zum Beispiel Amazon für das B2C-Geschäft.

Der entscheidende Nachteil ist, dass die Anbieter zentraler Plattformen die Geschäftsdaten sammeln und auswerten können. Partizipierende Unternehmen verlieren also nicht nur ihre Datenhoheit: Der Plattformanbieter kann auf Basis der aggregierten Daten als Konkurrent in den Markt eintreten – und im schlechtesten Fall andere Marktteilnehmer durch seinen Wissensvorsprung vom Markt verdrängen und so Schritt für Schritt eine Monopolstellung aufbauen.

Um die Autonomie und Selbstbestimmtheit von Unternehmen aufrecht zu erhalten, können dezentrale Plattformen Abhilfe schaffen: Im Gegensatz zu traditionellen Plattformen werden die Daten "peer to peer" geteilt, gleichzeitig lässt sich die Blockchain-Technologie nutzen, um die Daten verifizierbar zu machen. In ihr wird quasi die Bestätigung für die Richtigkeit von Daten fälschungssicher hinterlegt, diese Bestätigung kann bei Bedarf durch vertrauenswürdige Dritte aber auch wieder entzogen werden.

Lieferketten und Maschinen in Vertrauensökosystemen

Doch wie lässt sich durch dezentrale Plattformen ein vertrauensvoller digitaler Geschäftsrahmen schaffen? Am Beispiel einer Lieferkette lässt sich das anschaulich darstellen: Wie bereits im ersten Ansatz angesprochen, kann ein Lieferant, der für mehrere produzierende Unternehmen arbeitet, als geteilte Ressource in einem Netzwerk angesehen werden. Um mit mehreren Unternehmen effizient und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, muss er Informationen wie Stammdaten oder Zertifikate zur Verfügung stellen. Gleichzeitig will er aber die Hoheit über seine Daten und die Anonymität seiner Zulieferer wahren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Dieses Dilemma wird auf dezentralen Plattformen durch Verifizierungen gelöst: Wichtige Stammdaten und Zertifikate werden durch Unternehmen eigenständig erfasst und können bei Bedarf durch branchenspezifische Vertrauensgeber (beispielsweise LEI, Ökotex oder die Fair Wear Foundation) digital verifiziert werden.

Diese Daten kann ein Lieferant jetzt mit seinen Kunden teilen, ohne dabei die komplette Identität seiner Zulieferer preiszugeben. Seine Kunden können die Zertifikate inklusive Verifizierung dann nicht nur einsehen, sondern beispielsweise auch für ihre eigenen Nachhaltigkeitsberichte nutzen. Dehnt man dieses Konzept auf mehrstufige Supply Chains aus, lässt sich durch den Vertrauensaufbau die Lieferkettentransparenz erhöhen, ohne dass Unternehmen ihre Datenhoheit verlieren.

Nehmen wir als weiteres Beispiel eine autonome Maschine, die in ein digitales Geschäftsmodell eingebunden ist und komplett eigenständig kommuniziert. Diese Maschine erkennt nun einen Fehler in ihrem System und benötigt zur Behebung einen Servicetechniker. Dazu stellt sie eine Anfrage an das Vertrauensnetzwerk aller Servicetechniker in der Nähe des Maschinenstandorts.

Das Ticket wird allerdings nur den Technikern angezeigt, die vom Maschinenhersteller oder dem Eigentümer der Maschine zertifiziert sind. Sie können die Dienstleistung also nur erbringen, wenn sie das entsprechende Vertrauen im Netzwerk haben. Eine solche Verifizierung funktioniert dann analog zum Lieferkettenbeispiel: In einer dezentralen Plattform verifiziert der Besitzer oder Hersteller der Maschine die Techniker als vertrauenswürdig. Diese Verifikation wird jetzt von der Maschine abgefragt und geprüft, bevor der Techniker die Fehlerbehebung angehen kann.

Ganzheitliche Digitalisierung von Geschäftsmodellen

Vertrauensökosysteme können also eine erfolgreiche Basis für funktionierende digitale Geschäftsmodelle bilden. Doch dazu kommt es in der Realität häufig erst gar nicht, weil beim Begriff Digitalisierung ein Verständnisproblem vorliegt. Denn wenn Entscheider über die Nutzung von digitalen Plattformen nachdenken, haben sie meist nur eine konkrete Prozessverbesserung im Sinn. Digitalisierung meint dann lediglich die digitale Abbildung bestehender analoger Prozesse, also zum Beispiel den Umstieg von Fax auf E-Mail.

Um aber digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, muss das Digitalisierungsverständnis weiter gefasst werden: Hier gilt es neben den Prozessen auch die geteilten Ressourcen, die eigenen Produkte oder Dienstleistungen und die Zusammenarbeit mit Partnern ganzheitlich zu betrachten und strategisch zu transformieren. Nur so wachsen einzelne Plattforminseln zu ganzheitlichen digitalen Geschäftsmodellen zusammen – und Vertrauen erhält Einzug in virtuelle Partnerschaften.

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