Das Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) identifiziert in der Studie "Künstliche Intelligenz im Steuerbereich" sieben Bereiche, in denen KI-Systeme Arbeiten von Steuerkanzlei und Steuerverantwortlichen in den Firmen übernehmen könnten. Die Analyse entstand auf Initiatve des Münchener Steuerberaters WTS und versteht sich als exploratives Thesenpapier.
Professor Wolfgang Wahlster erwartet "in nicht allzu ferner Zukunft" Stellenanzeigen wie "KI-Experten dringend gesucht: Einsatzbereich Steuerabteilung". Er spricht von einer Revolution im Steuerbereich. Konkret geht es um die Felder Lohnsteuer, Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer sowie Zoll, Verrechnungspreise, Risiko-Management und International Tax. Diese könnten künftig durch Machine Learning, Process Mining, Informationsextraktion, Wissensmanagement, Sprachverarbeitung und multimodale Systeme unterstützt werden.
Sechs Einsatzbereiche mit Anwendern definiert
Die Studienautoren sehen sich nicht als reine Theoretiker, daher haben sie nach eigenen Angaben in vier Konzernen - Audi, Bosch, Eon und Henkel - bereits Anwendungsszenarien durchgespielt. Daraus leiten sie einen "Steuerarbeitsplatz der Zukunft" ab. Kanzleien und Steuerabteilungen in den Unternehmen könnten Künstliche Intelligenz in sechs Punkten einsetzen:
1. Erkennung von Anomalien bei der Ausnutzung von Freihandelsabkommen im Bereich Zoll
2. Automatisierte Zuteilung von Steuerkennzeichen und Identifizierung von Inkonsistenzen bei der Zuweisung
3. Prüfung des Quellensteuerabzugs nach dem Paragrafen 50 a Einkommenssteuergesetz
4. Prüfung von Rechnungen im Bereich Umsatzsteuer
5. Anomalie-Erkennung in Massendaten im Bereich Umsatzsteuer
6. Intelligente Steuerassistenz im Bereich Lohnsteuer
Beispiel für eine Anwendung
Dazu liefern die Forscher einen Use Case: Werden Waren zolltariflich angemeldet, können KI-Technologien zur Informationsextraktion unterstützen, konkret mittels Text Mining in Verbindung mit optischer Zeichenerkennung. Das entspricht einer intelligenten Automatisierung von Routineaufgaben, die vergleichsweise komplex sind, aber nur geringe soziale Intelligenz, Kreativität und Umgebungsinteraktionen erfordern. Professor Peter Fettke, der die Studie geleitet hat, betont: "In der steuerlichen Gestaltungs- und Durchsetzungsberatung ist es hingegen aktuell nicht vorstellbar, dass die Steuerberatung vollständig durch intelligente Steuerlösungen ersetzt wird."
Ein weiterer Use Case dreht sich um Sachzuwendungen im Bereich Lohnsteuer, die der Steuerberater beurteilen muss. KI-Lösungen können ihn bei der Dokumentenanalyse, Informationsextraktion und Klassifikation unstrukturierter transaktionaler Daten unterstützen.
Das DFKI hält "enorme Produktivitätssteigerungen und Qualitätsverbesserungen" für möglich. Demzufolge seien "weitreichende Veränderungen des Tätigkeitsspektrums innerhalb der Steuerberatung zu erwarten". Wahlster, Fettke und ihre Kollegen kündigen an, auf diesem Gebiet weiterzuforschen.