Grundgesetzwidrig

Karlsruhe kippt Datenspeicherung auf Vorrat

02.03.2010
Die Vorratsdatenspeicherung, so wie sie in Deutschland seit 2008 praktiziert wird, ist grundgesetzwidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht am heutigen Dienstag entschieden
Telefonieren, Mailen und Surfen ohne permanent gespeichert zu werden.
Telefonieren, Mailen und Surfen ohne permanent gespeichert zu werden.

Die Vorratsdatenspeicherung, so wie sie in Deutschland seit 2008 praktiziert wird, ist grundgesetzwidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht am heutigen Dienstag entschieden Die Richter geben damit einer Sammelklage von rund 35.000 Bürger recht, die das Gesetz zur Vorratsspeicherung für nicht vereinbar mit dem Bürgerrecht auf informationelle Selbstbestimmung hielten.

Der erste Senat des obersten Gerichts erklärte, die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und nichtig. Sie verstoße gegen das Fernmeldegeheimnis. Infolgedessen ist das entsprechende Gesetz außer Kraft gesetzt und die vorhandenen, seit Januar 2008 kontinuierlich für sechs Monate gespeicherten Daten - gleich ob Telefon-, Mail- oder Internetdaten - müssen gelöscht werden.

Den Verfassungsrichtern zufolge wurde in dem "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG" der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt.

Diese Gesetz verpflichtete Telekommunikationsanbieter, die Verbindungsdaten von Telefon, Handy, E-Mail und Internet auf Vorrat für ein halbes Jahr zu speichern und Polizei sowie Geheimdiensten zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr zur Verfügung zu stellen.

Die Richter urteilten nun, es mangele an einer Sicherheit für die Daten und es gebe keine konkreten Angaben, wofür die Daten gebraucht werden sollen. Zudem kritisierten sie die mangelnde Transparenz des Gesetzes. Ein nahezu offener Datenpool hebele den notwendigen Zusammenhang zwischen Speicherung und Zweck der Speicherung auf.

Nun muss der Gesetzgeber ein neues Gesetz ausarbeiten, dem sowohl die "Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung" der EU zugrunde liegen muss, als auch die Speicherung von Telekommunikationsdaten unter strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen ermöglicht.

Der Senat erklärte dazu, nur bei dem Verdacht einer schwerwiegenden Straftat oder etwa einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, oder für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes sei die Vorratsdatenspeicherung zulässig.

Bei der Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten für sechs Monate aber handele es sich um einen "besonders schweren Eingriff in das Fernmeldegeheimnis", weil die Verbindungsdaten inhaltliche Rückschlüsse "bis in die Intimsphäre" ermöglichten und damit aussagekräftige Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile gewonnen werden könnten. Nachdem zudem Missbrauch möglich sei, do der Senat, und die Datenverwendung von den Bürgern nicht bemerkt werde, sei die Vorratsdatenspeicherung in ihrer bisherigen Form geeignet, "ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen". (wl)

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