IT-Aktien bleiben weiterhin labil

25.05.2000
Der Ausverkauf bei Technologiepapieren hat die Aktionäre bislang rund 2.000 Milliarden Dollar gekostet. Die Lage ist noch kritisch.

Wie gewonnen, so zerronnen. Vier Fünftel der zwischen Oktober 1999 und März 2000 aufgelaufenen Gewinne hat der amerikanische Nasdaq-Aktienindex inzwischen abgegeben. Am deutschen Neuen Markt ist die Relation mit im Schnitt 30 Prozent Verlusten etwas günstiger. Das negative Gesamtbild ist allerdings erklärungsbedürftig.

Schwer unter die Räder kamen hier wie dort die Telekom-, Software-, Internet- sowie die zuvor ext-rem gestiegenen Chippapiere. Die meisten Computer-Hardware- und -peripherieaktien hielten sich dagegen erstaunlich gut, so etwa EMC und IBM. Die großen US-Distributoren Tech Data und Ingram kletterten während der Baisse vorübergehend sogar auf Jahreshöchststände. Apple, Compaq und Dell standen Mitte Mai 25 Prozent über ihrem Oktoberniveau, Hewlett-Packard 60 Prozent. Der Grund dafür liegt in ihrer vergleichsweise soliden Basis. Sie werden traditionell niedriger bewertet als Software- und Internet-Titel, die von den spekulativ orientierten Inves-toren zuletzt wie heiße Kartoffeln fallen gelassen wurden. Die hoch gelobte US-Internet-Beteiligungsgesellschaft CMGI kostete vor wenigen Wochen über 230, derzeit nur 55 Dollar. Die deutsche United Internet, früher 1&1, fiel von 450 auf 250 Euro.

Doch wie geht es weiter? Das sinkende Interesse an IT-Papieren kommt im so genannten "Flow of Funds" zum Ausdruck. Die Aktienfonds für Wachstumswerte, deren Käufe die Kurse im vierten Quartal 1999 und ersten Quartal 2000 nach oben trieben, verzeichnen derzeit einen deutlich geringeren Mittelzufluss als etwa in den starken Monaten Januar und Februar. Der Trend ist zwar noch nicht besorgniserregend. Dennoch hat die New Economy zuletzt an Glanz verloren. Die Anleger sind wählerischer geworden und kaufen die Traditionspapiere als sicherere Anlagen. Allerdings ist das Potential der Old-Economy-Titel zur Zeit auch nicht üppig.

Negativ auf die Börsentendenz werden sich die steigenden Zinsen auswirken. Kurzfristig bedenklich ist auch die Chart-technische Situation der New-Economy-Aktienindizes. Der Nasdaq könnte durchaus um weitere 400 Punkte auf 2.800 abwärts rauschen - das Ausgangsniveau vom Oktober vorigen Jahres -, bevor sich ein tragfähiger Boden herausbildet. Sehr wahrscheinlich wird die Aktientendenz einige Monate ziemlich wacklig bleiben. Alles deutet auf einen längeren Seitwärtstrend hin, in dem sich Kursrallyes und Baisse-Attacken ablösen.

Computeraktien nicht "out"

Computeraktien sind deshalb aber noch lange nicht "out". Die Gewinne der Unternehmen werden im Schnitt noch mal deutlich zunehmen, und sie werden wesentlich besser als in anderen Branchen sein. Der PC-Absatz wächst um jährlich 20 Prozent, trotz aller gegenteiligen Prognosen. Die US-Software- und -Servicesektor kommt auf ein Umsatzplus von mindestens 16 Prozent pro Jahr. In einzelnen Segmenten wie ERP- oder DMS-Software sind die Bedingungen infolge harter Konkurrenz jedoch nicht mehr so günstig. Unter diesem Aspekt sind beispielsweise die wackligen SAP-Kurse zu sehen. Außerdem lastet die Microsoft-Schwäche auf der Branche, die somit ihren "Börsenanführer" verloren hat. Andere Trendsetter wie Cisco Systems laufen gegenwärtig ebenfalls im Rückwärtsgang (von 85 auf 55 Dollar). Vom Internet-Wachstum als Triebkraft für die Kurse halten Börsenanalysten jedoch nach wie vor große Stücke. Der Handyboom ist ungebrochen. Und die Chipindustrie befindet sich mitten in einem starken Aufschwung. Das konjunkturelle Umfeld für Technologieaktien wird so noch einige Zeit recht günstig sein. Daher dürfte sich das Klima für IT-Papiere im Laufe des Jahres wieder aufhellen. Die Zeit der ganz großen Börsengewinne ist jetzt allerdings vorüber.

Wie die Anleger auf die veränderte Situation reagieren, bleibt abzuwarten. Die Aktienmarktanalysten meinen, dass sie "noch nicht kapituliert" haben und "der Glaube an steigende Kurse weiter sehr ausgeprägt" sei. "Sie sind noch nicht wirklich vorsichtig geworden", heißt es. (kk)

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